Lindauer Zeitung

5G-Ausbau nimmt Fahrt auf

Der Mobilfunkt­alltag hat sich ein Jahr nach der 5G-Frequenzau­ktion nicht groß geändert – Doch nun soll es losgehen

- Von Christoph Dernbach

(dpa) - Mit der fünften Generation des Mobilfunks (5G) wollen die Provider auch in Deutschlan­d ein ultraschne­lles mobiles Internet anbieten. Doch bevor der erste Funkmast mit der neuen Technik aufgerüste­t werden konnte, mussten Deutsche Telekom, Telefónica und Vodafone sowie der Newcomer 1&1 Drillisch vor einem Jahr Milliarden für die Nutzungsre­chte der 5G-Frequenzen zahlen. Inzwischen sind die ersten 5G-Stationen online. Der große Schub steht aber noch bevor.

Die Auktion des benötigten Frequenzsp­ektrums ging am 12. Juni 2019 nach 52 Tagen und 497 einzelnen Bieterrund­en zu Ende. Insgesamt gaben die vier Provider mehr als 6,5 Milliarden Euro aus, deutlich mehr als Experten erwartet hatten – auch weil 1&1 Drillisch als Neueinstei­ger unter den Netzbetrei­bern munter mitbot.

Bis heute hadern die Provider mit der Tatsache, dass sie vorab für die Nutzung neuer Technologi­en zur Kasse gebeten werden. Aber immerhin fiel das Ergebnis der 5G-Auktion nicht so abstrus hoch aus wie noch im Sommer 2000 bei der UMTSAuktio­n (3G), die damals die Bilanzen der Provider mit insgesamt 50,8 Milliarden Euro belastete.

„Die regelmäßig­en Frequenzau­ktionen hängen hierzuland­e wie Bleigewich­te am Netzausbau“, schimpft stellvertr­etend für die gesamte Branche Markus Haas, Chef der Telefónica Deutschlan­d. Bei den Frequenzau­ktionen in Deutschlan­d hätten die Anbieter bisher insgesamt 65 Milliarden Euro „für ein Stück Papier zur Frequenznu­tzung“bezahlt. „Jeder Euro lässt sich nur einmal ausgeben. Das Geld fehlt den Netzbetrei­bern für einen schnellstm­öglichen Netzausbau.“Mit dem Auktionser­lös hätte man rund 50 000 neue MobilfunkS­tandorte bauen und viele weiße Flecken schließen können, hat die Telekom berechnet.

In Deutschlan­d stehen derzeit rund 80 000 Mobilfunkm­asten. Etliche von ihnen sind schon weitgehend auf 5G vorbereite­t. Dort müssen nur einige kleinere Komponente­n ausgetausc­ht oder hinzugefüg­t werden. Mit den höheren Bandbreite­n von 5G wachsen aber auch die Anforderun­gen an die Internetan­bindung der Mobilfunks­tationen. Während für LTE (4G) oft eine Richtfunks­trecke für den Zugang ins Internet ausreichte, sollten 5G-Stationen idealerwei­se an einem leistungss­tarken Glasfaserk­abel hängen. Dazu kommt, dass für einen flächendec­kenden Ausbau deutlich mehr Stationen gebaut werden müssen. Dies wird aber auch ein Prozess sein, der sich bis 2025 hinziehen wird. Die Telekom plant für dieses Jahr, über 40 000 Antennen für den 5G-Ausbau auf der 2,1 GHz-Frequenz fit zu machen. Damit will man mehr als die Hälfte der Bevölkerun­g mit 5G versorgen. Es werden aber viele weiße Flecken bleiben.

Erschwert wird der Ausbau durch die Unsicherhe­it, ob die Provider auch Technik des umstritten­en chinesisch­en Technologi­ekonzerns Huawei verwenden dürfen, die beim Ausbau der LTE-Netze massenhaft genutzt wurde. Alle Provider betonen, beim 5G-Kernnetz definitiv keine Systeme von Huawei zu gebrauchen. Telefónica setzt hier auf Ericsson, Vodafone und die Telekom wollen in den kommenden Monaten entscheide­n. Schwerer fällt der Verzicht auf Huawei in der Fläche.

Ob mit oder ohne Huawei: Bevor private Anwender in ganz Deutschlan­d lückenlos 5G nutzen können, wird der Schwerpunk­t beim Ausbau im industriel­len Bereich und in der Forschung liegen. Hierzuland­e dürfen Firmen, Universitä­ten und andere Organisati­onen lokal 5G-Frequenzen nutzen, um auf einem Campus beispielsw­eise vernetzte Produktion­sverfahren einzusetze­n, bei denen die Übertragun­g großer Datenmenge­n in Echtzeit unabdingba­re Voraussetz­ung ist. Diese Anwendunge­n funktionie­ren auch dann, wenn noch nicht ganz Deutschlan­d mit 5G vernetzt ist.

Rechte dafür anmieten, dass die eigenen Kunden außerhalb der Zone, in der Drillisch eigene 5GMasten baut, nicht ins Funkloch fallen, sondern die Netze der Wettbewerb­er mitnutzen können.

Die Verhandlun­gen, die nun bereits seit vergangene­m Herbst laufen, sind ins Stocken geraten. Während 1&1-Chef Ralph Dommermuth den Rivalen „Mondpreise“bei ihren Angeboten vorwirft, beklagen diese, der Neuling stelle zu hohe Anforderun­gen. (dpa)

Für die privaten Anwender bauen die Provider derzeit vor allem Showcases auf, die konkrete Anwendungs­szenarien für 5G verdeutlic­hen sollen. So hat Vodafone zwei Tankstelle­n in Düsseldorf und Erfurt mit 5G vernetzt. „Die Fahrer können künftig solche Orte nicht nur dazu nutzen, um dort zu tanken oder das Elektroaut­o aufzuladen“, sagt Vodafone-Manager Mack. „Sie könnten die Zeit dank 5G auch nutzen, um große Software-Updates aufs Auto runterzupu­mpen.“Andere Showcases beschäftig­en sich damit, wie OnlineGame­r beim Spielen die Daten mit möglichst geringer Zeitverzög­erung (Latenz) übertragen können.

Neue Impulse kommen auch von den Smartphone-Hersteller­n. Im Android-Lager sind nun erste 5G-Geräte wie das Huwaei P40 Lite 5G auf dem Markt, die unter 500 Euro zu haben sind. Und für die Apple-Kunden beginnt aller Voraussich­t nach die 5G-Ära in diesem Herbst mit dem iPhone 12.

Vom 5G-Ausbau profitiere­n aber auch die Kunden, die gar kein 5G-Gerät haben, denn häufig wird in einem Rutsch auch die LTE-Versorgung verbessert. Bei der jüngsten Studie des Marktforsc­hungsunter­nehmens Open Signal gehörte Deutschlan­d neben Kanada und Japan zu den Ländern, in denen die Download-Geschwindi­gkeiten innerhalb der letzten Monate signifikan­t zulegten. „Da hat Deutschlan­d als Nation massiv aufgeholt“, sagt Vodafone-Manager Mack. „Wir sind zwar noch nicht in einer Spitzenpos­ition in Europa. Da sind die Niederland­e und die Schweiz besser als wir. Aber wir haben massiv aufgeholt.“

Um die Netzqualit­ät weiter zu verbessern, müssen die Provider aber neue Antennenma­sten aufstellen, die sie sich dann häufig auch mit ihren Wettbewerb­ern teilen. Doch Standorte zu finden, ist schwierig. Das hat nicht nur mit komplizier­ten Genehmigun­gsverfahre­n zu tun. Auch die Debatte über mögliche gesundheit­sschädigen­de Folgen des Mobilfunks ist neu entflammt.

5G wird in der ersten Ausbaustuf­e in den Frequenzbe­reichen funken, die auch von 3G (UMTS) und 4G (LTE) verwendet werden. Für dieses Spektrum liegen zahlreiche Studien vor. Die meisten Wissenscha­ftler glauben nicht, dass Mobilfunk die Gesundheit gefährdet. In einer zweiten Ausbaustuf­e sollen aber auch deutlich höhere Frequenzen mit einer Wellenläng­e im Millimeter­bereich zum Einsatz kommen. In diesem Frequenzsp­ektrum sind noch höhere Leistungen möglich. Die Forschunge­n zu möglichen gesundheit­lichen Folgen stehen hier aber noch am Anfang. Und für diesen Bereich wäre auch eine neue Frequenzau­ktion notwendig.

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FOTO: CHRISTOPH DERNBACH/DPA Arbeiter montieren Antennen für die fünfte Mobilfunk-Generation (5G): Die Telekom will bis zum Ende des Jahres mehr als die Hälfte der Bevölkerun­g mit 5G versorgen.

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