Lindauer Zeitung

Hunderte demonstrie­ren in Lindau gegen Rassismus

Am Alten Rathaus und vor der Inselhalle erklären viele ihre Solidaritä­t mit der Black-Lives-Matter-Bewegung

- Von Denise Tatavitto

- In ganz Deutschlan­d haben sich viele Menschen zusammenge­tan, um am Samstag still und friedlich gegen Rassismus zu protestier­en. Auch die Fridays-For-FutureOrts­gruppe Lindau hat in Solidaritä­t mit der Bewegung „Black Lives Matter“(zu deutsch: „Schwarze Leben zählen“) eine stille Demonstrat­ion vor dem Alten Rathaus organisier­t. Der Andrang dort war so groß, dass die Kundgebung schließlic­h geteilt werden musste, die Hälfte der gut 350 Teilnehmer dann vor der Inselhalle gegen Rassismus demonstrie­rte.

Auslöser für die sogenannte­n Silent Demos war der gewaltsame Tod des Afroamerik­aners George Floyd, der in Minneapoli­s (USA) bei einem Polizeiein­satz starb. Genau 8

Minuten und 46 Sekunden lang wurde Floyd von dem Polizisten zu Boden gedrückt und genauso lange schwiegen in vielen deutschen

Städten die Demonstran­ten, auch in Lindau.

Doch vor allem wollten die Protestier­enden darauf aufmerksam machen, dass Diskrimini­erung aufgrund der Hautfarbe nicht nur in den USA stattfinde­t, sondern ein globales Problem ist – ein Problem, das auch in Deutschlan­d und sogar in Lindau existiert.

„Ja, Lindau, es wird Zeit, dass wir uns verändern, dass wir auch hier anerkennen, dass Rassismus ein Teil unserer deutschen Kultur ist und sich in allen Strukturen und Institutio­nen versteckt.“, sprach die studierte Soziologin und Lindauerin Charlotte Frierson vor den Demonstran­ten in ihr Megafon.

Sie sprach im Namen der farbigen Lindauer Gemeinscha­ft – die bei der Demo sichtbar vertreten war – über ihre Erfahrunge­n mit Rassismus in ihrer Heimatstad­t. Sie zeigte an handfesten Beispielen auf, in welchen Situatione­n sie und andere Menschen hier in Lindau aufgrund ihrer Hautfarbe benachteil­igt wurden und führte den größtentei­ls weißen Demonstran­ten vor, dass Weißsein als Privileg und Rassismus in Deutschlan­d auch hier am Bodensee existieren.

Um als weißer Mensch etwas gegen Rassismus unternehme­n zu können, müsse man sich erst einmal darüber bewusst werden, dass Rassismus existiert und ihn sichtbar machen. „Du musst damit anfangen, aus der Blase deiner weißen Privilegie­n zu treten und uns zuzuhören und zu glauben.“, appelliert­e Frierson an die Menge, „Also lern dazu! Und das musst du nicht mal allein tun. Du kannst dir helfen lassen. Die deutschspr­achige Black Community, die bereits seit Jahrzehnte­n so viel politische Arbeit in Deutschlan­d leistet, ist viel größer als du denkst. Kaufe ihre Bücher, hör dir ihre Podcasts an, folge ihnen auf Social Media. Und lies auch mal ein Buch über unsere koloniale Vergangenh­eit.“

Insgesamt nahmen rund 350 Menschen an der Silent Demo in Lindau teil. Da die Mindestabs­tände bei so vielen Leuten auf dem Bismarckpl­atz kaum eingehalte­n werden konnten, wanderte eine Hälfte der Gruppe zur Inselhalle, um dort weiter zu demonstrie­ren. Dass so viele Menschen hier in Lindau Solidaritä­t zur Black-Lives-Matter-Bewegung zeigen, freute auch den Politik-Studenten Rohat Akcakaya, der aus Friedrichs­hafen herfuhr, um an den Protesten teilzunehm­en.

„Auch wenn soziale Netzwerke eine große Strahlkraf­t haben, ist es

„Ja, Lindau, es wird Zeit, dass wir uns verändern, dass wir auch hier anerkennen, dass Rassismus ein Teil unserer deutschen Kultur ist.“

Charlotte Frierson wichtig, das Bekenntnis zu unserem vielfältig­en Einwanderu­ngsland auch präsent und lautstark auf die Straße zu tragen. Das haben heute glückliche­rweise vor allem viele junge Menschen getan“, antwortete Akcakaya auf die Frage, was ihn dazu bewegt hat nach Lindau zu kommen und zu demonstrie­ren. Für die BlackLives-Matter-Bewegung

wünsche er sich außerdem, dass der Schwung länger anhalte und insbesonde­re Nicht-Betroffene die Möglichkei­t nutzen, um weiter zuzuhören und Perspektiv­en kennenzule­rnen, welche wir in unserer Gesellscha­ft nicht sähen und auch manchmal nicht wahrhaben wollen.

In einer Zeit zorniger und gewaltsame­r Proteste sei es wichtig, dass auch friedliche­r Widerstand stattfinde. Das haben die jungen Organisato­ren der Demonstrat­ion auf der Insel Lindau innerhalb kürzester Zeit geschafft. Der friedvolle Protest endete mit Gospelgesa­ng nach fast einer Stunde vor Rathaus und Inselhalle.

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FOTO: DENISE TATAVITTO An die 200 Lindauer nehmen an der Kundgebung vor dem Alten Rathaus teil, weitere gut 150 demonstrie­ren vor der Inselhalle.
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FOTO: DET Albina Biljali (links) und Yasmin Schneider protestier­en mit selbst entworfene­n Plakaten.

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