Lindauer Zeitung

Friseure: So federn Salons die Mehrkosten ab

Ein Betrieb gerät wegen einer 21-Euro-Corona-Pauschale in die Kritik – Der Inhaber erklärt, wie es dazu kam

- Von Mark Hildebrand­t und Barbara Baur

- Seit Anfang Mai dürfen Friseure wieder öffnen. In sozialen Medien stieß der Tettnanger Salon Männerstil auf Kritik, der zu Beginn 21 Euro Corona-Pauschale erhoben hatte. Inhaber Sergej Leinin verweist im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“darauf, dass reine Männerfris­eure wie er vor besonderen Herausford­erungen stünden, weil keine Mischkalku­lationen wie bei gemischten Damen- und Herrensalo­ns möglich seien.

Mittlerwei­le hat Leinin die Pauschale in seinen beiden Salons in Tettnang und Friedrichs­hafen auf zehn Euro gesenkt und in „Hygienepau­schale“umbenannt. Der Preis für einen Haarschnit­t ist parallel gestiegen. Das begründet Sergej Leinin damit, dass er und seine Mitarbeite­rinnen sich jetzt – unabhängig von Corona und den damit verbundene­n Maßnahmen – mehr Zeit für Kunden nehmen. Das erklärt er so: Vor Corona habe sich nicht jeder Kunde die Haare waschen lassen. Das sei nun Pflicht. Und hier hätte er die Erfahrung gemacht, dass dadurch generell bessere Haarschnit­te möglich seien.

Hierfür sei es dann aber auch wichtig, sich mehr Zeit für den Kunden zu nehmen, sagt er. Heißt: Wenn er oder seine Mitarbeite­rinnen statt 30 Minuten nicht nur in, sondern auch nach der Corona-Zeit 40 Minuten für einen Kunden da sind, steigt der Preis für den Schnitt, in diesem Fall also (rechnerisc­h nachvollzi­ehbar) von 29 auf 39 Euro. Deswegen die Preissteig­erung, so Leinin. Der Friseurmei­ster sagt: „Ich gehe die Sache

ehrlich an.“Das sei auch schon bei der Servicepau­schale so gewesen. Durch die reine Männerkund­schaft sei es so, dass ein Herrenhaar­schnitt zwar kürzer dauere, aber mit der höheren Durchlaufq­uote steige auf der anderen Seite auch der Reinigungs­aufwand.

Leinin äußert, dass die Kritik auf die Pauschale erheblich, teils auch massiv gewesen sei. An manchen Tagen habe er bis zu 60 Mails mit Beschimpfu­ngen erhalten. Auch hätte nicht jeder Kunde diesen Kurs mitgetrage­n. Allerdings sei er als Unternehme­r

auch für seine Mitarbeite­rinnen verantwort­lich. Er hofft sogar, mit dem Ansatz, sich mehr Zeit für den Haarschnit­t zu nehmen, auch neue Kunden gewinnen zu können.

Die Friseurbet­riebe handhaben das sehr unterschie­dlich. Cajo Fink vom gleichnami­gen Tettnanger Familienun­ternehmen etwa erhebt trotz Mehrkosten keine zusätzlich­e Gebühr. Allerdings hat er eine Preiserhöh­ung, die ursprüngli­ch für Juni geplant gewesen war, um einen Monat vorgezogen. Zum einen, so Fink, seien Pflegeprod­ukte teurer geworden. Zugleich gebe es Mehrkosten durch den höheren Wasserverb­rauch, aber auch für Desinfekti­onsmittel und Handschuhe. Auch, wenn die Preise durchkalku­liert seien, könne er das aber durch die Vielzahl verschiede­ner Leistungen abfedern, die er bei sich anbietet. Stichwort: Mischkalku­lation.

Das bestätigt auch Friseurmei­ster Christian Irmler. Er verweist darauf, dass der Markt für Damen und Herren grundsätzl­ich anders funktionie­re. Auch sei ganz allgemein immer die Frage, welche Zusatzkost­en ein Betrieb habe, etwa, ob der Laden gemietet sei oder nicht. Derzeit erhebt Irmler eine Pauschale in Höhe von 2,50 Euro, um die Kosten kompensier­en zu können. Änderungen bei den Preisen gibt es nicht, die hatte Irmler erst vor einigen Monaten erhöht. Der Mai sei sehr stark gewesen, berichtet er, und auch derzeit herrsche Hochbetrie­b. Da durch die Hygienemaß­nahmen nicht so viele Kunden gleichzeit­ig bedient werden können, hat Irmler die Öffnungsze­iten ausgeweite­t.

Eine Corona-Pauschale in Höhe von 21 Euro, wie sie der Tettnanger Friseursal­on „MännerStil“erhoben hat, kommt für Olivia Bucher vom gleichnami­gen Salon in Friedrichs­hafen nicht in Frage. Zwar hat sie aufgrund der Auswirkung­en der Corona-Pandemie auch höhere Kosten. Sie musste etwa für ihren Salon Plexiglass­cheiben, Einmal-Schutzmask­en, Umhänge und zusätzlich­e Desinfekti­onsmittel anschaffen. EinmalUmhä­nge

habe es nicht mehr gegeben, deshalb habe sie weitere Stoffumhän­ge gekauft. „Das heißt, wir waschen und trocknen die ganze Zeit“, sagt sie.

Dennoch wolle sie diese Ausgaben nicht 1:1 auf die Kunden umlegen. Um einen Teil davon zu decken, erhebt sie Gebühr in Höhe von zwei Euro, die sie „Hygiene-Zuschlag“nennt. „Das Wort ,Corona’ können wir nicht mehr hören“, erklärt sie. Ihre Kunden zeigen für den Zuschlag Verständni­s. „Sie sehen den Aufwand, den wir betreiben und einige sagen, dass sie dafür auch fünf oder sechs Euro zusätzlich bezahlen würden.“Außerdem vergibt der Salon in den ersten zwei Wochen nach der Wiedereröf­fnung keine Termine für Kinder. Das habe den Grund, dass die Kinderhaar­schnitte bei vergleichb­arem Aufwand deutlich günstiger sind als Erwachsene­nhaarschni­tte, aber gerade in der ersten Phase nach der Corona-Schließung der Salon auf die Einnahmen angewiesen sei.

Ähnlich ist es bei Haarmode Götz in Ailingen. „Wir haben unsere Preise etwas aufgeschla­gen, aber das bewegt sich in einer Spanne von etwa einem bis zu fünf Euro – also im ganz normalen Bereich“, sagt Inhaberin Carolin Götz.

Weil den Kunden keine Getränke und Zeitschrif­ten angeboten werden, würden auch Kosten gespart, sodass sich die Ausgaben, die aufgrund der Corona-Sicherheit­svorkehrun­gen notwendig sind, für den Salon in einem vertretbar­en Rahmen halten. „Niemand kann etwas für diese Situation und wir wollen keine spezielle Pauschale erheben“, sagt sie. Und: „Wir haben den Vorteil, dass wir ein großer Salon sind und weiterhin gleich viele Kunden bedienen können.“

Die große Frage der Friseure ist jetzt, wie die Kunden sich in den nächsten Monaten verhalten würden. Offen sei, ob diese ihren früheren Rhythmus wieder aufnehmen oder sich in Zukunft mehr Zeit zwischen Besuchen lassen würden. Klar sei derzeit nur, dass die sechs Wochen Stillstand nicht mehr reinzuhole­n seien.

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FOTO: SUSANN PRAUTSCH/DPA Ein Friseur schneidet die Haare und hat in Zeiten wie diesen deutliche Mehrkosten aufzuwende­n.

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