Der Fußball muss sich weiter bewegen
Es sind Zeiten großen Veränderungen, in denen wir leben. Eine Pandemie geht um und dennoch demonstrieren Millionen Menschen auf der Welt gegen Rassismus. Das für viele Überraschende: die Bundesligaspieler machen mit. Und das ist richtig so! Denn dass Fußball ausschließlich Fußball ist und Politik eben Politik bleibt, ist schon seit Bestehen dieses Spruches ein Ammenmärchen. Nicht erst seit diesem Bundesliga-Wochenende dürfte jedem Fan bewusst sein, dass es keinen unpolitischen Sport gibt, auch wenn es allzu oft vergessen und noch häufiger verleugnet wird. Um das zu belegen, muss man nicht erst die Olympischen Spiele in Berlin 1936 und ihre Instrumentalisierung durch die Nationalsozialisten bemühen. Viele Banner der Ultras in den Kurven sind politisch. Dass die Spieler nun beinahe geschlossen ihre Stimme erheben und vorangehen, ist da aus diversen Gründen folgerichtig. Sie sind diejenigen, auf denen die Aufmerksamkeit ruht und deren Worte am meisten Gewicht haben. Bereits 1992 verzichteten alle Bundesligisten auf die Werbung ihres Sponsors auf ihrer Brust und liefen mit dem Slogan „mein Freund ist Ausländer“auf. Die Aktion „Zeig Rassismus die Rote Karte“folgte Jahre
später und läuft kontinuierlich weiter, doch auch im Jahre 2020 ist das Thema brandaktuell. Grund genug also, dass die Spieler weltweit ihre Stimmen erheben und
solange auf den Plätzen knien, bis es volle Wirkung zeigt.
Jérôme Boateng Colin Kapernicks
„So viele Menschen lieben Black Culture, es ist gut, dass sie sich auch für die Menschen dahinter einsetzen und das zeigen. Das darf aber kein zweiwöchiger Trend sein, sondern muss sich langfristig etablieren, es muss ein Umdenken geben“, sagt
und appelliert: „Setzt euch ein, wenn ihr im Alltag rassistische Äußerungen bemerkt, besprecht das Thema mit euren Kindern.“Dass der DFB nach den ersten Aktionen durch
Weston McKennie, Jadon Sancho, Achraf Hakimi Marcus Thuram
oder Ermittlungen aufnahm – auch vor dem Turnier der Basketballer wurden Strafen angedroht, dann aber ganz schnell zurückgerudert – zeigt aber auch die Ambivalenz, mit der solche Bekundungen einhergehen.
Denn selbstredend ist es richtig, politische Botschaften einzuschränken. Spieler, die jedes Wochende ihr Trikot lüften, um offen ihre Unterstützung für (CDU) zu bekunden oder Torschützen, die sich im Jubelwahn
(FDP) überstreifen, haben nichts auf dem Rasen verloren – und das hängt nicht mit den entsprechenden Parteien zusammen. Jedoch darf ein Unterschied hier nicht außer Acht gelassen werden: das, was nun in den Stadien passiert, waren keine politischen Statements, sondern humane Botschaften. Um künftig solche Konflikte zu vermeiden, gibt es eine einfach Lösung: Genauso wie bei den Botschaften der Fans auf ihren Bannern sollte auch der DFB dazu
Angela Merkel Christian-LindnerMasken
übergehen, gewisse Äußerungen und Statements im Vorfelf zu billigen. Viele Aktionen waren vorbereitet und hätten zuvor abgesegnet werden können. Der DFB und die DFL könnten dabei nur gewinnen.
Zudem kommt den Verbänden jegliche Menschlichkeit gerade recht, ist die Entfernung der Branche von der Basis längst nicht mehr zu kaschieren. Das groß angekündigte Thesenpapier mit Gehaltsobergrenzen samt einer beabsichtigten Erdung des gesamten Fußballs muss nun auch mit Leben gefüllt werden. Das sehen auch einige Akteure so. Sollte der Fußball die drängenden Themen „nicht kurzfristig vernünftig“regeln, „wird er nach all den Ankündigungen im April und Mai seine Glaubwürdigkeit nicht verbessern. Aber gerade das ist jetzt das Gebot der Stunde“, sagte FC Augsburgs Vereinschef Die Verteilung der TV-Gelder, die strikte Einhaltung der 50-plus-1-Regelung und des Financial Fairplays, Gehaltsobergrenzen, Rücklagen der Vereine sowie die Unterstützung des Amateurund Frauenfußballs durch die Bundesliga seien da elementare Punkte. Auch Vorstandsmitglied des FC Bayern München, meint erkannt zu haben: „Ich bin überzeugt davon, dass wir nach der CoronaKrise eine andere Fußballwelt mit neuen Bedürfnissen der Fans, Anhänger und aller Beteiligten des Fußballbusiness erleben werden.“Es werden also auch im Fußball weiterhin spannende Zeiten bleiben.
Klaus Hofmann. Oliver Kahn,