Trotz Corona: „Betriebe stehen zur Ausbildung“
Bei IHK und Handwerk gilt die Nachwuchssuche trotz Konjunkturproblemen als wichtiges Zukunftsthema
- Jede dritte Firma im Kreis Lindau hat Kurzarbeit angemeldet. Da stellt sich die Frage: Wie gehen die Firmen im Kreis Lindau angesichts der Corona-Folgen mit dem Thema Ausbildung um? Für die Arbeitsagentur ist klar: „Die Betriebe stehen zur Ausbildung.“In der Lindauer Handwerkskammer sieht man das differenzierter: Wer derzeit um seine Existenz kämpft, habe unter Umständen keine Zeit, um Lehrlinge zu betreuen. Dass aber „Ausbildung ein wichtiges Thema für die Zukunft ist“, wie es das Handwerk formuliert, unterstreicht auch Markus Anselment für die rund 200 ausbildenden IHK-Betriebe im Kreis Lindau.
Für Maria Amtmann, die Leiterin des Arbeitsagenturbezirks Kempten-Memmingen, ist klar: „Es besteht nach wie vor eine hohe Bereitschaft zum Ausbilden in den Unternehmen“– trotz der Folgen der CoronaPandemie. Zwischen Allgäu und Bodensee sind nach Angaben der Agentur bis Ende Mai 5540 offene Ausbildungsstellen gemeldet worden. Auf der anderen Seite hätten in den vergangenen Monaten 3450 Jugendliche und junge Erwachsene Interesse an einer Lehrstelle gezeigt. Viele davon haben bereits einen unterschriebenen Ausbildungsvertrag in der Tasche. Rund 1400 junge Leute zwischen Kempten, Memmingen und Lindau gelten in den Augen von Arbeitsagentur und Berufsberatung derzeit noch als unversorgt.
„Diese können aber in der Region aus gut 2700 unbesetzten Lehrstellen wählen“, schreibt die Agentur in einer Pressemitteilung. Rein rechnerisch haben die angehenden Schulabsolventen gute Chancen und auch Auswahl. Freie Ausbildungsplätze bieten danach vor allem kaufmännische Berufe, etwa als Kauffrau oder Kaufmann im Einzelhandel, als Verkäuferin oder als Fachkraft für Lagerlogistik. Und natürlich suchen auch Hotels und Restaurants Nachwuchs, etwa für den Kochberuf oder Hotelfachleute. Doch selbst in Autowerkstätten sind in der Region Ende Mai noch 66 Lehrstellen als Kfz-Mechatroniker unbesetzt.
„Die Corona-Krise scheint auf dem Ausbildungsmarkt – im Moment zumindest – nur sehr begrenzte
Auswirkungen zu haben“, sind die Verantwortlichen im Agenturbezirk deshalb überzeugt: „Aus Sicht der Jugendlichen ist die Lage am Ausbildungsmarkt damit gut.“
In der Kreishandwerkerschaft Lindau sieht man das Thema nicht ganz so euphorisch. So sagt Jan Coenen im Gespräch mit der LZ: „Tatsächlich sieht es im Handwerk sehr divers aus.“Ja, es gebe Bereiche wie etwa den Bausektor, „da sind die Auftragsbücher noch gut gefüllt, da werden sogar noch weitere Auszubildende gesucht“. Coenen weiß aber auch von Branchen, „die corona-bedingt derzeit kämpfen“. Wenn beispielsweise ein kleiner Friseursalon mit den vielfältigen Hygieneauflagen alle Hände voll zu tun habe, dann gebe es dort nicht unbedingt Zeit oder Platz, um auch noch einen Azubi zu betreuen. Und auch Handwerker, denen Aufträge beispielsweise aus der Industrie weggebrochen sind, haben nach Coenens Beobachtungen derzeit mit anderen Fragen als Ausbildung zu tun.
Dabei sei den Verantwortlichen bewusst, dass mehr denn je Ausbildung fürs Handwerk ein Überlebensfaktor ist: „Wir müssen schauen, dass wir unser Personal für die nächsten Jahre heranziehen“, gibt der Fachmann
einer Sanitär- und Heizungsfirma zu bedenken. „Das ist unsere Zukunft.“Wenn ein Betrieb jetzt aufgrund der Corona-Folgen ein bis drei Jahre Pause in puncto Ausbildung einlege, „das würde sich rächen“, ist Coenen überzeugt. Und sieht in der momentan Corona-bestimmten Zeit eine Chance: Jeder, der noch eine gute Auslastung habe, müsse einfach ausbilden.
Während das Handwerk noch einigermaßen gut durch die Corona-Krise zu kommen scheint, sieht es im Zuständigkeitsbereich der IHK teilweise ganz anders aus. Und so ist für den stellvertretenden Hauptgeschäftsführer der IHK Schwaben, Markus Anselment, klar: Die durch die CoronaKrise ausgelösten wirtschaftlichen Schwierigkeiten „wirken sich schon auch auf den regionalen Ausbildungsmarkt aus“. Anselment befürchtet, dass sich die Situation „verschärft“. So verweist er darauf, dass es „Stand heute fast 20 Prozent weniger Ausbildungsverträge als im Mai vergangenen Jahres gibt“. Ein Grund ist für den IHK-Mann ganz klar die Corona-Krise: „Seit dem Ausbruch im März gibt es in der Wirtschaft eine starke Verunsicherung.“
Dass deshalb im Kreis Lindau speziell der Handel, aber auch Hotels und Gastronomie in puncto Ausbildung zurückhaltender sind als früher, kann Anselment nachvollziehen.
Wobei er sagt: „Ich glaube, wenn sich die wirtschaftliche Situation jetzt wieder verbessert, dass dann die Betriebe im Herbst auch kurzfristig noch Ausbildungsverträge abschließen.“Zumindest für den Hoga-Bereich dürfte das zutreffen, weil es dort schon jetzt zu wenig Fachkräfte gebe. Beim Handel sieht Anselment die Situation skeptischer: „Solange die nicht wissen, ob und wie sie die corona-bedingte finanzielle Notlage verkraften“, würden sich die Geschäfte schon überlegen, ob sie sich in diesem Jahr Auszubildende leisten können.
Dabei ist auch der IHK-Geschäftsführer überzeugt: „Ausbildung ist und bleibt wichtig.“Denn: „Es wird auch eine Zeit nach Corona geben – und in der werden die Unternehmen auch künftig Fachkräfte brauchen“, gibt Anselment zu bedenken. Dass die Koalition in Berlin jetzt speziell in kleinen und mittleren Betrieben die Ausbildung fördern will, hält der IHK-Vertreter deshalb für einen „wichtigen Ansatz“: Wer seine bisherige Zahl an Azubis beibehält, soll nach Anselments Informationen 2000 Euro Prämie erhalten, wer zusätzliche Ausbildungsplätze schaffe, sogar 3000 Euro.
Und deshalb zeigt sich der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer mit Blick auf den Ausbildungsmarkt im Kreis Lindau „vom Grundsatz her optimistisch“.
„Es wird auch eine Zeit nach Corona geben – und in der werden die Unternehmen auch künftig Fachkräfte brauchen.“
Markus Anselment, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Schwaben