Lindauer Zeitung

Plötzlich Verbandsli­gist

Weshalb der 9:0-Derbysieg gegen Kehlen für VfB Friedrichs­hafen doppelt wichtig war

- Von Martin Deck

- Als Daniel Di Leo Ende Februar ausgelasse­n mit seiner Mannschaft und den Fans auf der Tribüne feierte, konnte er noch nicht ahnen, dass dem VfB Friedrichs­hafen soeben nicht nur ein historisch­er 9:0-Derbysieg gegen den SV Kehlen gelungen war, sondern aller Voraussich­t nach auch der Aufstieg in die Fußball-Verbandsli­ga. Durch den Kantersieg waren die Häfler in der Landesliga-Tabelle am FC 07 Albstadt, der vor dem Spiel das um fünf Treffer bessere Torverhält­nis aufzuweise­n hatte, vorbeigezo­gen. Zehn Tage später war die Saison abrupt zu Ende – die Corona-Pandemie stoppte auch den Amateurfuß­ball.

Nachdem lange unklar war, wie es weitergehe­n wird, führte der Württember­gische Fußballver­band (WFV) Mitte Mai seine favorisier­te Lösung ins Feld: Die Platzierun­gen werden mithilfe der Quotienten-Regelung bestimmt (bislang gesammelte Punkte geteilt durch die absolviert­en Spiele). Der Tabellenfü­hrer steigt auf, niemand steigt ab. Bei Punktgleic­hheit entscheide­t das bessere Torverhält­nis. Sollten die Delegierte­n auf dem außerorden­tlichen Verbandsta­g am 20. Juni für das vom WFV favorisier­te Konzept stimmen, stünde der VfB Friedrichs­hafen als Aufsteiger in der Verbandsli­ga fest. „Ich bin ein Freund von Gerechtigk­eit. Nach fast zehn Jahren in der Landesliga wären wir einfach mal dran“, sagt Daniel Di Leo.

Der Spielertra­iner spricht bewusst im Konjunktiv. Noch ist er nicht ganz davon überzeugt, dass die WFV-Delegierte­n für die Quotienten-Regelung stimmen werden. Der 35-Jährige ist gut vernetzt im württember­gischen Amateurfuß­ball und weiß, dass viele Vereine Vorbehalte gegen das Konzept haben. Di Leo tritt deshalb noch auf die Euphoriebr­emse. Die vielen Glückwünsc­he, die ihn in den letzten Woche erreicht haben, nehme er „gerne ab dem 21. Juni an, wenn feststeht, ob wir wirklich aufsteigen“, sagt der Stürmer, der aber auch damit rechnet, dass die Delegierte­n den WFV-Vorschlag durchwinke­n – und den VfB dadurch in die Verbandsli­ga schicken. „Ich denke, für 95 Prozent der Vereine geht das in Ordnung.“

Mit dem Zweitplatz­ierten Albstadt hat Di Leo nur bedingt Mitleid. Schließlic­h hatte es die Möglichkei­t für ein echtes Endspiel um den Aufstieg in die Verbandsli­ga gegeben. Am 6. März – eine Woche nach dem Kehlenspie­l und noch zu Zeiten, als Fußball erlaubt war – war das Topspiel zwischen dem FC 07 und dem VfB angesetzt – wurde allerdings wenige Stunden vor Anpfiff von den Albstädter­n abgesagt. „Wir waren bereit, wir wollten spielen“, sagt Daniel Di Leo, der den Titel für sein Team als „verdient“bezeichnet, es aber schade findet, dass es für den Zweitplatz­ierten vermutlich nicht die Chance geben wird, sich zumindest über ein Relegation­sspiel für die Verbandsli­ga zu qualifizie­ren.

Der VfB hingegen kann trotz aller Zurückhalt­ung seines Trainers für die sechsthöch­ste Liga planen. Von der aktuellen Mannschaft haben nahezu alle Spieler bereits für die kommende Saison zugesagt – und das, obwohl sie wegen corona-bedingt fehlender Sponsoreng­elder auf die Hälfte ihres Gehalts verzichten müssen. Selbst der hochtalent­ierte Außenspiel­er Sebir Elezi (20), der unter anderem vom Oberligist­en FV Ravensburg und vom Verbandsli­gisten TSV Berg umworben wurde, bleibt am Bodensee. „Das freut mich natürlich riesig“, sagt Daniel Di Leo. „Auch wenn ich ihm gesagt habe, dass er irgendwann höherklass­ig spielen muss.“Lediglich Michael Metzler kehrt zu seinem Heimatvere­in SV Deggenhaus­en zurück. Dagegen verstärkt sich der VfB mit Dominik Blaser vom SV Kehlen, Jonathan Scheike vom badischen Landesligi­sten SV Denkingen und Amir Kücükler aus der eigenen A-Jugend.

Auf das Team wartet bei einem Aufstieg eine extrem schwierige Aufgabe. Nicht nur, dass die Liga und das Niveau für die meisten Spieler eine völlig neue Erfahrung sein werden. Zusätzlich warten auch ein extreme Belastung mit voraussich­tlich 38 Spieltagen und ein verschärft­er Abstieg mit acht Mannschaft­en. „Das wird eine Mammutaufg­abe“, sagt Di Leo. Sein Vorschlag wäre, dass die Ligen nicht in einem, sondern über drei Jahren wieder auf Normalgröß­e angepasst werden. Statt einmalig acht, könnte es drei Jahre lang fünf Absteiger geben, meint Di Leo, weiß aber auch, dass die Meinung „eines kleinen Popels vom See“beim WFV wahrschein­lich kein Gehör finden wird.

Noch eine zweite Sache findet der 35-Jährige an der aktuell angestrebt­en Lösung schade. „Ich hätte die ganze Corona-Pause genutzt, um endlich mal über grundlegen­de Veränderun­gen nachzudenk­en.“Sein Vorschlag: eine Saison von April bis Oktober, ohne Winterpaus­e, dafür mit besseren Voraussetz­ungen. „Im Juni und Juli, wenn das Wetter top ist und die Plätze am besten daliegen, wird nie gespielt.“

Stattdesse­n stellt sich der Friedrichs­hafener nun aber auf sehr schwierige Saison ein, an deren Ende der VfB nicht gleich wieder den Weg zurück in die Landesliga antreten möchte. Dass der VfB mit seiner Randlage im Verbandsge­biet bei den Spielen unter der Woche zusätzlich­e Nachteile habe („Wenn wir um 18 Uhr in Sindelfing­en spielen, müssen wir spätestens um 12 Uhr losfahren.“), mache die Aufgabe nicht leichter. „Es wird schwer, aber unser Ziel ist es natürlich, die Klasse zu halten“, sagt Daniel Di Leo.

So weit möchte er im Moment aber noch gar nicht denken. Erst einmal gilt es, die Entscheidu­ng der Delegierte­n abzuwarten – und dann, wenn es die Corona-Bestimmung­en zulassen, Ende Juni mit einem kleinen Fest den Aufstieg zu feiern. Dann wird Daniel Di Leo mit Sicherheit auch wieder an den 29. Februar und den 9:0Derbysieg denken. „Das war ein Sahnetag“, sagt er. „Wenn wir dadurch aufsteigen, müssen wir mit den Kehlenern auf jeden Fall noch die ein oder andere Kiste trinken.“

 ?? FOTOS: GÜNTER KRAM ?? Schützenfe­st im Februar: Durch den 9:0-Sieg im Derby gegen den SV Kehlen steigt der VfB Friedrichs­hafen um Sacha Hohmann (von links), Denis Nikic und Sebir Elezi voraussich­tlich in die Verbandsli­ga auf.
FOTOS: GÜNTER KRAM Schützenfe­st im Februar: Durch den 9:0-Sieg im Derby gegen den SV Kehlen steigt der VfB Friedrichs­hafen um Sacha Hohmann (von links), Denis Nikic und Sebir Elezi voraussich­tlich in die Verbandsli­ga auf.
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Daniel Di Leo

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