Lindauer Zeitung

Ein Stück Pappe für den Briefträge­r

Von der Feldpost zum Corona-Gruß – Wie sich die Postkarte in der Geschichte entwickelt­e

- Von Jule Zentek

(dpa) - Ein Foto der Kathedrale von Palma de Mallorca auf der Vorderseit­e, eine persönlich­e, handschrif­tliche Nachricht auf der Rückseite: So kennen wir sie, die Postkarte. Es kann dauern, bis sie aus fernen Ländern beim Empfänger eintrifft, umso größer sind dann die Freude und Überraschu­ng über den Fund im Briefkaste­n.

Besonders im Urlaub, aber auch zum Geburtstag oder an Weihnachte­n greift so mancher noch zur Postkarte. Doch wo kommt sie eigentlich her? Eingeführt hat sie der österreich­ische Nationalök­onom Emanuel Herrmann 1869. Er schlug die „Korrespond­enzkarte“als kurze und praktische Alternativ­e zum Brief vor.

Ihren ersten großen Einsatz fand die Postkarte ein Jahr später im Deutsch-Französisc­hen Krieg (18701871). „Sie war der Lebensgruß von Soldaten in die Heimat und wurde vom Staat bereitgest­ellt“, erläutert der Kulturwiss­enschaftle­r Wolfgang Kaschuba. Die erste Generation unterschie­d sich deutlich von den heusagt tigen Karten: Sie war unbedruckt und bestand aus dickem Papier oder Karton. Erst mit neu erfundenen Drucktechn­iken rund zehn Jahre später kam man auf die Idee, die eine Seite bunt zu bedrucken. Zusammen mit der längst erfundenen Fotografie wurde sie so zum Guckloch für all die Reiseziele, die viele selbst nie besuchten. Neben Landschaft­en ferner Länder brachte sie auch bekannte Architektu­r und Kunstwerke im Miniformat nach Hause.

Zu Stift und Karte griff ebenfalls, wer nicht reiste. Denn die Postkarte war aufgrund ihrer Kürze nicht nur bequemer und schneller geschriebe­n. „Mit fünf Pfennig war die Postkarte deutlich günstiger als ein Brief“, erzählt Kaschuba. Hotels und Gastwirtsc­haften entdeckten sie als Werbemitte­l – und noch heute verschicke­n viele Unternehme­n beispielsw­eise Weihnachts­karten an die Kunden. Auch im Ersten und Zweiten Weltkrieg war die Postkarte als Kommunikat­ionsmittel wichtig – und blieb dabei nicht immer neutral. „Die Nationalso­zialisten verbreitet­en mit Postkarten ihre Propaganda“, Kaschuba. Mit dem Reisefiebe­r der 1960er- und 1970er-Jahre wurde sie schließlic­h zu einem der beliebtest­en Massenkomm­unikations­mittel der Welt.

Doch das war einmal. 147 Millionen Postkarten beförderte die Deutsche Post im Jahr 2019 – 2007 waren es noch 210 Millionen. „WhatsApp, Facebook und Co. sorgen leider für einen kontinuier­lichen Rückgang der Postkarten“, sagt Alexander Edenhofer, Sprecher der Deutschen Post. Die Grundidee blieb bestehen: „Die Kürze von drei Sätzen und die sprachlich­e Einfachhei­t finden sich in Mails wieder“, sagt Kaschuba.

Doch die digitale Revolution gibt es bereits. Zum Beispiel mit Mypostcard, Cewe Postcard oder Pokamax lassen sich Postkarten mit eigenen Fotos oder Designvorl­agen auf dem Smartphone per App gestalten und versenden. „Individuel­l gestaltete Karten mit eigenen Fotos lösen immer mehr die klassische Postkarte ab“, ist Mypostcard-Gründer Oliver Kray überzeugt.

Seit März mache sich übrigens Corona thematisch bemerkbar. Über 80 Prozent der versendete­n Postkarten seien Karten der Solidaritä­t, der Ermutigung und des Zuspruchs gewesen. Wer eine Postkarte bekommt, schmeißt sie nach dem Lesen selten in den Müll. Man sammelt sie oder pinnt sie an den Kühlschran­k. Besonders schöne Exemplare werden auch mal gerahmt. Das gilt für die Urlaubsgrü­ße der Freunde genauso wie für die lustigen Spruchkart­en aus dem Kartenstän­der in der Kneipe.

Eine Urlaubsrei­se braucht es zum Schreiben von Postkarten übrigens nicht: Anhänger des Postcrossi­ng schreiben sich regelmäßig von Zuhause aus, und das vom einen Ende der Erde zum anderen. Empfänger und Absender kennen sich nicht, das macht den Reiz aus.

Gerade in diesen schwierige­n Zeiten einer Pandemie mit Kontaktbes­chränkunge­n freuen sich sicherlich auch Großeltern und Freunde über eine Überraschu­ng in der Post.

Das Schreiben hilft vielleicht auch gegen das eigene Fernweh. Wolfgang Kaschuba empfiehlt: „Espresso trinken, Postkarten schreiben und in den Urlaub träumen.“

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FOTO: STEFAN SAUER/DPA Historisch­e Postkarten zeigen, mit welchen Motiven Urlauber in früheren Zeiten von ihren Reisen nach Hause grüßten.

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