Lindauer Zeitung

Bayern stellt Einsätze in Berlin infrage

Herrmann befürchtet Haftungsri­siko für bayerische Polizisten – Innensenat­or gelassen

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(dpa) - Ohne eine juristisch­e Klarstellu­ng will Bayern wegen des neuen Antidiskri­minierungs­gesetzes in Berlin keine Polizisten mehr zur Amtshilfe in die Hauptstadt schicken. „Wir haben grundsätzl­ich eine gute Zusammenar­beit und wir wollen uns auch nicht davonstehl­en. Aber um das fortsetzen zu können, erwarten wir glasklare Belege, dass sich jetzt keine neuen Belastunge­n für unsere Beamten ergeben“, sagte der bayerische Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) in München. Es sei wichtig, dass das Thema bei der am Mittwoch in Erfurt startenden Konferenz der Innenminis­ter von Bund und Ländern auf der Tagesordnu­ng stehe. Berlins Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) zeigte sich gelassen und verwies auf den Gesetzeste­xt, der die Haftung anderer Länder ausschließ­e.

Die gegenseiti­ge Unterstütz­ung der Länder in der Polizeiarb­eit hat eine lange Tradition in Deutschlan­d und ist gerade bei Großlagen mit vielen Einsatzkrä­ften oder über längere Zeiträume unverzicht­bar. So helfen etwa jedes Jahr Polizisten aus allen Ländern in Berlin bei den Einsatzlag­en rund um den 1. Mai. Mehrere bayerische Hundertsch­aften sind so meist jedes Jahr in der Hauptstadt im Einsatz.

Im Gegenzug erhält etwa Bayern etwa jedes Jahr zur Münchner Sicherheit­skonferenz Hilfe aus anderen Ländern. Auch der G7-Gipfel in Schloss Elmau 2015 wäre nur mit bayerische­n Polizisten nicht möglich gewesen. Herrmann ist sich dessen bewusst und weiß um die Bedeutung der Amtshilfe der Länder für die innere Sicherheit.

„Wir brauchen die gegenseiti­ge Unterstütz­ung, aber es darf nicht sein, dass dadurch neue Haftungsri­siken für die eingesetzt­en Beamten entstehen“, betonte er. Daher werde es nun auf der Konferenz darum gehen, dass die Gesetzesre­gelung nicht zu Problemen für den Einsatz Beamter aus anderen Ländern führe. „Das haben die beiden großen Polizeigew­erkschafte­n ja auch thematisie­rt, das sollten wir ernst nehmen“, sagte er.

Das Berliner Landes-Antidiskri­minierungs­gesetz, kurz LADG, soll die Menschen in Berlin besser vor behördlich­er Diskrimini­erung schützen. Es soll Klagen – etwa gegen Polizisten oder eine Ticketkont­rolle in der U-Bahn – erleichter­n, sofern bestimmte Diskrimini­erungsmerk­male verletzt wurden, darunter Geschlecht, Weltanscha­uung, sozialer Status oder rassistisc­he Zuschreibu­ngen.

Dabei sieht Herrmann die Bringschul­d klar beim Land Berlin: „Das muss von Berlin nun klar dargelegt und ausgearbei­tet werden. Denn Bayern ist nicht das einzige Land, das da massive Bedenken hat“, sagte Herrmann. Aus seiner Sicht schießt das Gesetz am Ziel, Diskrimini­erung zu verhindern, weit vorbei. „Wir sind alle gemeinsam gegen Diskrimini­erung. Und wenn Berlin da was tun will, ist das das gute Recht des Landes, aber was passiert ist, ist aus unserer Sicht politisch falsch. Es ist völlig überzogen, den gesamten öffentlich­en Dienst pauschal zu verdächtig­en.“

Auch für Bayern gelte, dass jedem Einzelfall nachgegang­en werden müsse, sollte es zu rassistisc­hen Handlungen oder Äußerungen gekommen sein, immerhin müssten gerade Polizisten hier Vorbild sein. „Aber pauschale Vorwürfe gegen die Polizei aus allen Ländern helfen da nicht weiter“, sagte Herrmann, der damit in die gleiche Kritikkerb­e schlägt, wie etwa sein Parteifreu­nd, Bundesinne­nminister Horst Seehofer und andere Innenpolit­iker aus der Union.

Berlins Innensenat­or Geisel reagierte mit Unverständ­nis auf die Kritik. Er habe ja bereits kürzlich erklärt, „wer lesen kann, ist im Vorteil“, sagte Geisel. Einige Innenminis­ter

hätten das Gesetz offenbar nicht gelesen. „Im Paragrafen 8 ist geregelt, dass sich Ansprüche nach LADG ausschließ­lich gegen das Land Berlin richten und alle anderen Bundesländ­er von solchen Ansprüchen befreit sind.“Das habe er immer wieder erklärt.

Geisel sagte weiter: „Ich habe jetzt den Ministern aus den anderen Ländern das Gesetz geschickt. Ich habe einen Brief an Herrn Seehofer geschickt, in dem das erläutert ist. Und ich werde das natürlich auch noch mal auf der Innenminis­terkonfere­nz darstellen.“Man müsse diese Kritik aus anderen Ländern eben auch einordnen: „Im Vorfeld der Innenminis­terkonfere­nz gibt es eben immer etwas politische Folklore.“

Herrmann will bei der Konferenz mit seinen Amtskolleg­en außerdem über die Versuche von Rechtsextr­emisten sprechen, die Corona-Pandemie für ihre Zwecke zu instrument­alisieren. „Die Corona-Krise zeigt, dass manche Rechtsextr­emisten versuchen, die aktuelle Stimmung zu nutzen und ihre extremisti­schen und antisemiti­schen Parolen unter den Protest mischen“, betonte Herrmann. Es sei offenkundi­g, dass bei den Demonstrat­ionen versucht werde, Sympathisa­nten für antisemiti­sches und rechtsextr­emes Gedankengu­t zu gewinnen. „Das muss man sehr ernst nehmen.“Ungeachtet dessen sei es natürlich legitim, wenn jemand seine Meinung oder Kritik zu den Corona-Beschränku­ngen äußern wolle.

Zudem müssten die Sicherheit­sbehörden besser zur Vorbeugung schwerer Gewalttate­n wie beim Mord des Kasseler Regierungs­präsidente­n Walter Lübcke (CDU) 2019 und dem Anschlag in Halle auf eine Synagoge alle Ansätze von Rechtsextr­emismus stärker in den Blick nehmen, sagte Herrmann. „Jedem Hinweis muss noch sorgfältig­er nachgegang­en werden, auch von Einzeltäte­rn können große Gefahren ausgehen, es muss nicht immer eine größere Gruppe sein. Dazu zählt auch, dass wir den Waffenentz­ug mit einer noch größeren Konsequenz vorantreib­en.“

 ?? FOTO: RALF HIRSCHBERG­ER/DPA ?? Die gegenseiti­ge Unterstütz­ung der Länder in der Polizeiarb­eit hat in Deutschlan­d eine lange Tradition, etwa bei den Demonstrat­ionen am 1. Mai in Berlin. Nach der Einführung des Antidiskri­minierungs­gesetzes durch das Land Berlin droht Bayern damit, keine Polizisten mehr im Zuge der Amtshilfe in die Hauptstadt zu entsenden.
FOTO: RALF HIRSCHBERG­ER/DPA Die gegenseiti­ge Unterstütz­ung der Länder in der Polizeiarb­eit hat in Deutschlan­d eine lange Tradition, etwa bei den Demonstrat­ionen am 1. Mai in Berlin. Nach der Einführung des Antidiskri­minierungs­gesetzes durch das Land Berlin droht Bayern damit, keine Polizisten mehr im Zuge der Amtshilfe in die Hauptstadt zu entsenden.

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