Lindauer Zeitung

Kaffee oder Tee? Hauptsache: Garten

In Corona-Zeiten löst ein TV-Studio unter freiem Himmel schon so manches Abstandspr­oblem – Doch Sendungen und Sehgewohnh­eiten ändern sich

- Von Jürgen Ruf

(dpa) - Im Garten des Sendezentr­ums haben Thorsten Fleischman­n und seine Kollegen vergleichs­weise leichtes Spiel. Im Freien können sie die Fernsehsen­dung „Kaffee oder Tee“auch mit Abstands- und Hygienevor­schriften gut in Szene setzen. In den Gebäuden nebenan, in den Studios, ist das schwierige­r. Das Coronaviru­s wirbelt den Fernsehall­tag durcheinan­der, wie ein Besuch beim Südwestrun­dfunk (SWR) zeigt.

„Der Garten ist Gold wert“, sagt Thorsten Fleischman­n. Die Grünanlage am Waldrand in Baden-Baden, direkt neben den Fernsehstu­dios des SWR, geben der Ratgeberse­ndung „Kaffee oder Tee“den passenden Rahmen für Blumen- und Pflanzenti­pps sowie Expertenge­spräche. Die täglich zwei Stunden dauernde Sendung beginnt nachmittag­s meist hier, ehe sie dann ins Studio wechselt.

Thorsten Fleischman­n ist als Abteilungs­leiter der Chef von „Kaffee oder Tee“im SWR Fernsehen mit den Sendegebie­ten Baden-Württember­g, Rheinland-Pfalz und Saarland sowie des deutschlan­dweiten „ARD-Buffet“im Ersten mit rund einer Million Zuschauern

pro Ausgabe. Beide Sendungen kommen jeden Werktag live aus Baden-Baden. Der 51-Jährige hat Anfang März beim SWR in Baden-Baden begonnen, zwei Wochen später kam das Coronaviru­s. Seither ist der Sender in einer Ausnahmesi­tuation; jahrelang eingespiel­te Abläufe kollidiere­n mit dem Schutz vor Corona. „Unsere Sendungen leben von menschlich­er Nähe und vom Miteinande­r“, sagt Thorsten Fleischman­n. Gäste werden eingeladen, es gibt Talkrunden, im Studio wird gemeinsam gekocht und gegessen. Gearbeitet wird auch hinter den Kulissen Schulter an Schulter: „Wegen Corona ist dies nun nicht mehr wie bisher möglich.“

In Live-Sendungen wie „ARD-Buffet“und „Kaffee oder Tee“werde dies besonders deutlich. Um Distanz zu schaffen, wurde die Zahl der Mitwirkend­en vor und hinter der Kamera reduziert, in die Regieräume wurden Plexiglasw­ände eingebaut, im Studio herrscht Maskenpfli­cht. Statt vier oder fünf, wie vor Corona, sind heute nur noch zwei bis drei Gäste live dabei. Alle anderen werden zugeschalt­et. „Das hört sich simpel an, stellt uns aber vor Herausford­erungen“, sagt Thorsten Fleischman­n. Zum Beispiel beim Schminken vor der Sendung: „Die Maskenbild­nerin steht am Schminktis­ch zwei Meter hinter dem Moderator oder dem Gast und sagt ihm, in welches Schminktöp­fchen er den Pinsel halten soll.“Wer vor die SWR-Kameras geht, schminkt sich in diesen Tagen selbst – nach Anweisung der Fachfrau.

Auch Köche, die sonst im Studio am Herd stehen, bleiben in der eigenen Küche und servieren ihre Rezepte per Videoschal­te. Anfangs hatten sie Mühe, für das Kochen in beiden Sendungen genügend Zutaten zu bekommen, sagt eine Redakteuri­n mit einem Schmunzeln: „Wir wurden im Lebensmitt­elladen verdächtig­t, Hamsterkäu­fe zu machen.“

Die technische Infrastruk­tur im SWR wurde in Windeseile umgebaut, erzählt Thorsten Fleischman­n mit Blick vor allem auf die Arbeit der ITAbteilun­g. Die meisten Redakteure arbeiten, um das Infektions­risiko zu senken, von daheim aus. Regelmäßig kommt gemeinsam mit dem RobertKoch-Institut ein Krisenstab zusammen, der die aktuelle Pandemie-Entwicklun­g im Auge behält. Und die Ausstattun­gsabteilun­g des Senders näht Masken für Mitarbeite­r.

„Die Sendungen und Sehgewohnh­eiten haben sich mit der Krise verändert“, sagt Thorsten Fleischman­n. Weil Moderatore­n nun häufiger alleine im Studio seien, gehe etwas „Gemeinscha­ftsund Wohlfühlat­mosphäre“verloren. Bands im Studio zum Beispiel sind vorerst tabu. Sie spielen im „Homeoffice“und werden live in die Sendung geschaltet.

Doch die Krise bringe auch Positives: „Erfreulich ist, dass die Zuschauer uns treu bleiben und Verständni­s haben, wenn mal nicht alles so läuft wie sonst.“Zudem seien bestehende Strukturen auf den Prüfstand gekommen: „Dass sich Zuschauer über Video in die Sendung schalten und so aktiv werden können, ist etwas Neues. Wir sollten das auch nach Corona beibehalte­n.“Angepasst wurden auch die Inhalte. Service habe einen hohen Stellenwer­t. „Als alle daheim geblieben sind, war Kochen in der Krise ein großes Thema.“Einfache Gerichte und Vorratshal­tung waren gefragt – daran orientiert­en sich die TV-Köche. Wegen der Pandemie sei der Informatio­nsbedarf hoch, sagt Thorsten Fleischman­n. Darauf reagieren die Magazine mit erklärende­n Inhalten und Hintergrun­dberichten. Zugleich aber dürften, zur Abwechslun­g und Unterhaltu­ng, Nicht-Corona-Themen nicht zu kurz kommen.

Was bleibe, sei die Ungewisshe­it: „Keiner weiß, wann und ob wir wieder zum Fernsehen, wie wir es bislang kannten, zurückkehr­en werden.“

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FOTO: DPA Wohl dem, der ein Freiluftst­udio hat. Ein Scheinwerf­er am Set des Fernsehmag­azins „Kaffee oder Tee“.

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