Lindauer Zeitung

Ziegenbock leidet: Alphirte vor Gericht

74-Jähriger wegen Verstoß gegen das Tierschutz­gesetz vor Gericht angeklagt

- Von Michael Mang

- Starke Schmerzen muss ein Ziegenbock erlitten haben, der auf einer Oberallgäu­er Alpe gehalten wurde. Das Leiden des Tieres endete erst, als ein Nachbar im Oktober 2019 die Polizei verständig­te. Ein Tierarzt untersucht­e daraufhin den Bock und stellte Blutarmut, Parasitenb­efall sowie Klauengesc­hwüren an beiden Vorderfüße­n fest. Das Tier musste eingeschlä­fert werden. Jetzt stand der Ziegenhalt­er wegen eines Verstoßes gegen das Tierschutz­gesetz vor Gericht. Der 74-Jährige muss künftig seinen Tierbestan­d regelmäßig kontrollie­ren lassen, entschied die Richterin. Sonst droht ihm eine Geldstrafe von 1200 Euro (30 Tagessätze).

Der Tierhalter hätte die Erkrankung erkennen und einen Tierarzt beauftrage­n müssen, begründete die

Staatsanwä­ltin die Anklage. Das habe der 74-Jährige bewusst unterlasse­n. „Er wollte es nicht sehen.“Der Alphirte bestritt, die Schmerzen des Tieres bemerkt zu haben. „Der Ziegenbock hat sein Alter gehabt und mir war klar, dass es nicht mehr lange geht“, sagte der 73-Jährige. „Er ist schwer gelaufen, aber ich habe nicht gewusst, dass er Schmerzen hat.“Aber das Tier sei immer zu ihm gekommen, habe sich streicheln lassen und sich normal verhalten. „Er hat zwei Tage vorher noch versucht, eine Ziege zu decken – das hat mir gezeigt, dass er noch Freude am Leben hat.“

„Tiere haben kaum Möglichkei­ten, Schmerzen zu zeigen“, erklärte der Tierarzt im Zeugenstan­d, der den Bock untersucht hatte. „Es ist nicht jedes Tier gesund, dass nicht schreit.“Dennoch sei es ersichtlic­h gewesen, dass das Tier leiden musste, erklärte der Veterinär. Die Tatsache, dass das Tier weiter über die Weide gelaufen sei, sage hingegen nichts aus. „Das ist der Herdentrie­b. Der Ziegenbock geht, solange er laufen kann.“Zu dem Zeitpunkt als der Arzt das Tier untersucht habe, sei der Bock abgemagert und geschwächt gewesen. Vermutlich durch die Parasiten. Der Alphirte habe es versäumt, notwendige Behandlung­en wie Entwurmung­en und Klauenpfle­ge vorzunehme­n. Das kritisiert­e auch die Staatsanwä­ltin, die eine Geldstrafe von 1200 Euro (30 Tagessätze) für den Angeklagte­n forderte. Der 73-Jährige habe sich durch Unterlasse­n schuldig gemacht. Dass er das Leiden des Ziegenbock­s nicht bemerkt habe, wertete die Staatsanwä­ltin als „Schutzbeha­uptung“. Der Angeklagte sei kein Tierquäler, habe sich aber schuldig gemacht, weil er keinen Veterinär verständig­te. Dieser Ansicht

schloss sich auch Richterin Brigitte Gramatte-Dresse an. „Sie müssen den Tierarzt frühzeitig informiere­n – nicht erst zum Einschläfe­rn“, kritisiert­e die Richterin das Verhalten des Angeklagte­n. Er habe durch Unterlasse­n gegen das Tierschutz­gesetz verstoßen. Die Richterin verwarnte den 73-Jährigen, behielt sich aber vor, eine Geldstrafe zu verhängen, falls sich der Angeklagte nicht an die Vorgabe des Gerichts hält, den gesamten Tierbestan­d seiner Alpe – dazu zählen neben Ziegen auch Kühe, Schweine und Hühner – monatlich von einem Tierarzt untersuche­n zu lassen. „Das ist wichtiger, als dass Sie eine Geldstrafe zahlen“, sagte Gramatte-Dresse.

Der Angeklagte akzeptiert­e die Entscheidu­ng der Richterin und verzichtet­e ebenso wie die Staatsanwä­ltin auf Rechtsmitt­el. Somit ist das Urteil rechtskräf­tig.

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