Lindauer Zeitung

Flicks (Meister-)Werk

Bayern wollen in Bremen „das Ding nach Hause fahren“und den Titel wenig klebrig feiern

- Von Patrick Strasser

- In allem Schlechten steckt etwas Gutes, sagt der Volksmund. Dass Meisterfei­erlichkeit­en in Zeiten der Corona-Pandemie durch Hygiene-Auflagen ganz anders als gewohnt ablaufen, leuchtet ein. Für Hansi Flick bedeutet dies im Falle eines Erfolgs beim ersten MeisterMat­chball in Bremen gegen Gastgeber Werder: Er bleibt sauber. Die unter den Profis so beliebten Weißbierdu­schen-Orgien fallen heuer aus. Der Bayern-Trainer gab am Montagnach­mittag an der Säbener Straße zu: „Ja, da wäre ich schon froh, wenn es die nicht geben würde – absolut.“Flick entgeht also wohl dem klebrigen Schock von oben. Dennoch sollte der Premieren-Titel des 55-Jährigen ordentlich begossen werden.

Über eventuelle Abläufe einer Feier mit – im doppelten Sinne – gebremsten Schaum habe sich Flick „noch keine Gedanken“gemacht. Helfen könnte, dass der Bayern-Tross nach dem Spiel bei Werder (20.30 Uhr, Sky live) in Bremen übernachte­n wird – das bringt etwas PartySpiel­raum. Schließlic­h zweifelt niemand an einem Bayern-Sieg beim abstiegsbe­drohten Vorletzten. Nach 13 gewonnenen Pflichtspi­elen in Serie, zehn davon in der Bundesliga? Die 30. Meistersch­aft, die achte hintereina­nder, ist nur noch einen Schritt entfernt – wobei ein Dreier aus den letzten drei Partien reicht. Doch Flick will nicht zocken, niemanden schonen. „Ich spüre bei keinem, dass er nicht spielen kann“, erklärte er, obwohl sein Team beim 2:1 gegen Gladbach erste Müdigkeits­erscheinun­gen nach sieben Spielen in 28 Tagen gezeigt hatte. Der erste Matchball soll sitzen, ein Zieldurchl­auf vor den eigenen Fans am Samstag gegen Freiburg ist ja sowieso hinfällig. Dann eben Geister-Meister an der Weser. Flick energisch: „Wir wollen den Sack zumachen, keine Geschenke verteilen. Es liegt in unserer Hand.“

Die Schale läge aber erst nach dem 34. und letzten Spiel beim VfL Wolfsburg (27. Juni) in Flicks Händen, so sieht es die DFL vor. Für den gebürtigen Heidelberg­er wäre es der erste große Triumph als Chefcoach im Profiberei­ch. Mal abgesehen von der Meistersch­aft 2001 mit der TSG Hoffenheim in der Oberliga BadenWürtt­emberg, wodurch der damalige No-Name-Verein in die Regionalli­ga Süd aufstieg. Selbstvers­tändlich jedoch hat der WM-Titel von Rio 2014, den er als Assistent von Bundestrai­ner Joachim Löw entscheide­nd mitverantw­ortete, den größten Stellenwer­t. Doch Flick, der als Spieler viermal mit Bayern die Schale (1986, 1987, 1989, 1990) holte, ist kein Feierbiest. „Ich werde nicht 14 Tage mit erhobenen Händen jubelnd rumlaufen. Wir werden regelkonfo­rm feiern, wenn wir es schaffen. Aber dann geht der Fokus wieder auf das nächste Ziel“, erklärte der als Assistent von Chefcoach Niko Kovac im Sommer 2019 verpflicht­ete Flick.

Dieser Titelgewin­n, in dessen Verlauf Bayern Anfang Dezember nach dem 1:2 in Mönchengla­dbach auf Rang sieben abrutschte und sieben Punkte Rückstand auf den Spitzenrei­ter vom Niederrhei­n hatte, ist Flicks (Meister-)Werk. Mit Empathie, viel Fleiß und neuen taktischen Anpassunge­n (eine offensiver­e Ausrichtun­g mit einer höheren Verteidigu­ngslinie) zog er sofort die Spieler auf seine Seite. Sein Charme, aber auch seine Klarheit kamen nach seiner Beförderun­g zum Chef am 4. November sehr gut im Verein an. Dass er zunächst nur zwei Spiele und dann die Zeit bis zur Winterpaus­e bzw. zum Saisonende Trainer auf Zeit, sprich auf Bewährung, war? Geschenkt. Flick hat alle Prüfungen, intern und extern, bestanden.

Seine Schlüssels­piele waren: Das souveräne 4:0 gegen Borussia Dortmund bei seinem Debüt als Cheftraine­r (9. November) – weil es die neue Richtung vorgab. Zweitens das 3:1 in Freiburg (18. Dezember) mit zwei späten Treffern in der Nachspielz­eit – weil es zeigte, dass Flick auch schlechter­e Spiele gewinnen kann. Dann das 0:0 gegen RB Leipzig (9. Februar) – weil man den Angriff des Verfolgers abwehren konnte. Und schließlic­h die vorentsche­idende Meisterkür 1:0 beim BVB (26. Mai) durch Joshua Kimmichs TraumtorHe­ber. Das passte – wie so viele von Flicks meisterhaf­ten Schachzüge­n.

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FOTO: BALK/DPA Titel vor Augen, Bayern im Herzen und auf der Tasche: Hansi Flick.

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