Flicks (Meister-)Werk
Bayern wollen in Bremen „das Ding nach Hause fahren“und den Titel wenig klebrig feiern
- In allem Schlechten steckt etwas Gutes, sagt der Volksmund. Dass Meisterfeierlichkeiten in Zeiten der Corona-Pandemie durch Hygiene-Auflagen ganz anders als gewohnt ablaufen, leuchtet ein. Für Hansi Flick bedeutet dies im Falle eines Erfolgs beim ersten MeisterMatchball in Bremen gegen Gastgeber Werder: Er bleibt sauber. Die unter den Profis so beliebten Weißbierduschen-Orgien fallen heuer aus. Der Bayern-Trainer gab am Montagnachmittag an der Säbener Straße zu: „Ja, da wäre ich schon froh, wenn es die nicht geben würde – absolut.“Flick entgeht also wohl dem klebrigen Schock von oben. Dennoch sollte der Premieren-Titel des 55-Jährigen ordentlich begossen werden.
Über eventuelle Abläufe einer Feier mit – im doppelten Sinne – gebremsten Schaum habe sich Flick „noch keine Gedanken“gemacht. Helfen könnte, dass der Bayern-Tross nach dem Spiel bei Werder (20.30 Uhr, Sky live) in Bremen übernachten wird – das bringt etwas PartySpielraum. Schließlich zweifelt niemand an einem Bayern-Sieg beim abstiegsbedrohten Vorletzten. Nach 13 gewonnenen Pflichtspielen in Serie, zehn davon in der Bundesliga? Die 30. Meisterschaft, die achte hintereinander, ist nur noch einen Schritt entfernt – wobei ein Dreier aus den letzten drei Partien reicht. Doch Flick will nicht zocken, niemanden schonen. „Ich spüre bei keinem, dass er nicht spielen kann“, erklärte er, obwohl sein Team beim 2:1 gegen Gladbach erste Müdigkeitserscheinungen nach sieben Spielen in 28 Tagen gezeigt hatte. Der erste Matchball soll sitzen, ein Zieldurchlauf vor den eigenen Fans am Samstag gegen Freiburg ist ja sowieso hinfällig. Dann eben Geister-Meister an der Weser. Flick energisch: „Wir wollen den Sack zumachen, keine Geschenke verteilen. Es liegt in unserer Hand.“
Die Schale läge aber erst nach dem 34. und letzten Spiel beim VfL Wolfsburg (27. Juni) in Flicks Händen, so sieht es die DFL vor. Für den gebürtigen Heidelberger wäre es der erste große Triumph als Chefcoach im Profibereich. Mal abgesehen von der Meisterschaft 2001 mit der TSG Hoffenheim in der Oberliga BadenWürttemberg, wodurch der damalige No-Name-Verein in die Regionalliga Süd aufstieg. Selbstverständlich jedoch hat der WM-Titel von Rio 2014, den er als Assistent von Bundestrainer Joachim Löw entscheidend mitverantwortete, den größten Stellenwert. Doch Flick, der als Spieler viermal mit Bayern die Schale (1986, 1987, 1989, 1990) holte, ist kein Feierbiest. „Ich werde nicht 14 Tage mit erhobenen Händen jubelnd rumlaufen. Wir werden regelkonform feiern, wenn wir es schaffen. Aber dann geht der Fokus wieder auf das nächste Ziel“, erklärte der als Assistent von Chefcoach Niko Kovac im Sommer 2019 verpflichtete Flick.
Dieser Titelgewinn, in dessen Verlauf Bayern Anfang Dezember nach dem 1:2 in Mönchengladbach auf Rang sieben abrutschte und sieben Punkte Rückstand auf den Spitzenreiter vom Niederrhein hatte, ist Flicks (Meister-)Werk. Mit Empathie, viel Fleiß und neuen taktischen Anpassungen (eine offensivere Ausrichtung mit einer höheren Verteidigungslinie) zog er sofort die Spieler auf seine Seite. Sein Charme, aber auch seine Klarheit kamen nach seiner Beförderung zum Chef am 4. November sehr gut im Verein an. Dass er zunächst nur zwei Spiele und dann die Zeit bis zur Winterpause bzw. zum Saisonende Trainer auf Zeit, sprich auf Bewährung, war? Geschenkt. Flick hat alle Prüfungen, intern und extern, bestanden.
Seine Schlüsselspiele waren: Das souveräne 4:0 gegen Borussia Dortmund bei seinem Debüt als Cheftrainer (9. November) – weil es die neue Richtung vorgab. Zweitens das 3:1 in Freiburg (18. Dezember) mit zwei späten Treffern in der Nachspielzeit – weil es zeigte, dass Flick auch schlechtere Spiele gewinnen kann. Dann das 0:0 gegen RB Leipzig (9. Februar) – weil man den Angriff des Verfolgers abwehren konnte. Und schließlich die vorentscheidende Meisterkür 1:0 beim BVB (26. Mai) durch Joshua Kimmichs TraumtorHeber. Das passte – wie so viele von Flicks meisterhaften Schachzügen.