Wasser ablassen
Ich bin ja nicht schadenfroh, aber als Ente sage ich: selber Schuld. Warum will meine Kollegin auch unbedingt ihren Garten in ein Freibad verwandeln? Ihr Leben war doch auch so ganz in Ordnung, bevor es diesen Pool gab. Da galt ihr erster Blick der Zeitung und nicht der Riesenwanne im Garten. Da war das sanfte Plätschern an der Fensterscheibe noch kein Anzeichen einer nahenden Flutkatastrophe. Und Sonnenschein war einfach Genuss pur – und nicht die Sorge um sinkende Wasserqualität. Umkippen, das Wort gehörte nicht zu ihrem Wortschatz.
Aber jetzt sitzt es in ihrem Kopf fest. Dabei hätte der Pool zur Entspannung sein sollen. Selbst ich habe mich bei meinem Besuch auf ein paar entspannte Runden in fremden Gewässern gefreut. Aber an Ruhe ist gar nicht zu denken. Anstatt abzuschalten, schaltet sie die Filterpumpe ein und aus und kontrolliert mit Teststreifen die Wasserqualität. Ist der Idealwert noch nicht erreicht, hilft sie mit dem einen oder anderen Pülverchen nach. In ihrer Küche sieht es inzwischen wie in einem Labor aus. Wahrscheinlich trägt meine Kollegin bald einen weißen Mantel.
Ich ändere meine Strategie und besuche sie nur noch bei Regen. Doch anstatt auf dem Sofa zu lümmeln, schöpft sie panisch Wasser, weil sie Angst hat, dass der Pool kippt. Anfangs mit Eimern! Inzwischen hat sie kapiert, dass das auch die Filterpumpe kann. Mir reicht es: Ich picke jetzt gleich mit meinem Schnabel ein großes Loch in die Folie. Dann hat sie wieder Ruhe ...