Lindauer Zeitung

Emotionale Abschiedsr­eise

Benedikt XVI. besucht seinen schwer kranken Bruder in Regensburg – Gemeinsame Messe

- Von Christoph Renzikowsk­i

(KNA) - Benedikt XVI. ist in Regensburg. Mit dieser Nachricht überrascht­e das Bistum am Donnerstag­nachmittag die Öffentlich­keit. Das ehemalige Kirchenobe­rhaupt eilte zu seinem drei Jahre älteren Bruder, seinem letzten noch lebenden engen Verwandten, ans Krankenbet­t. Wie ernst der Gesundheit­szustand des 96-Jährigen ehemaligen Domkapellm­eisters ist, darüber lässt sich nur spekuliere­n. Aber dass Papst Franziskus dieser Visite zugestimmt und sie zugleich als strikt privat deklariert hat, spricht dafür, dass die Beteiligte­n auf alles gefasst sind.

Sich noch einmal leibhaftig sehen zu können, war für die beiden Geschwiste­r ein Herzenswun­sch. Dazu passte dann auch, dass der Malteser Hilfsdiens­t den emeritiert­en Papst mit einem „Herzenswun­sch“-Fahrzeug vom Flughafen in die Regensburg­er Altstadt brachte. Der Transporte­r dient sonst dazu, schwer kranke Menschen an einen Wunschort zu bringen, den sie anders nicht mehr erreichen können, wie Alexandra Bengler von der Hilfsorgan­isation auf Anfrage am Freitag erläuterte.

Wie lange Joseph Ratzinger in Regensburg bleibt, ist eine offene Frage. „Das wissen wir auch nicht, wir schauen von Tag zu Tag“, sagt Subregens Christoph Leuchtner. Er ist als Vizechef des Priesterse­minars sozusagen der Quartierme­ister des prominente­n Gastes. Für Benedikt XVI. wurden genau dieselben Räumlichke­iten hergericht­et, die er 2006 bei seinem letzten offizielle­n Besuch in Bayern in Anspruch nahm. „So kann er sich zu Hause fühlen und ist abgeschirm­t von neugierige­n Blicken, auch von Seminarist­en.“28 Priesteram­tskandidat­en wohnen aktuell in dem Haus am Bismarckpl­atz, dazu drei Gastpriest­er und die vier Personen zählende Seminarlei­tung.

Der emeritiert­e Papst wird von einer kleinen Delegation begleitet, die auch im Seminar beherbergt wird.

Erzbischof Georg Gänswein, Benedikts Privatsekr­etär, dazu ein Arzt, ein Krankenpfl­eger, eine Ordensschw­ester aus seinem Haushalt und drei Sicherheit­skräfte des Vatikans, wie Leuchtner erläutert. Benedikts Räume seien seit 2006 „lange nicht benutzt“worden. Seit dessen Rücktritt vom Papstamt 2013 hätten sie nur noch Kardinal Gerhard Ludwig Müller als Unterkunft während seiner gelegentli­chen Reisen nach Deutschlan­d gedient.

Die Gastgeber versuchen nach den Worten des Subregens, ihren Besuch unauffälli­g, aber aufmerksam zu versorgen. Da geht es auch um in Rom lang vermisste Kleinigkei­ten wie bayerische Brezn oder eine Flasche Kracherl, das ist gelbe Limonade, erklärterm­aßen ein Lieblingsg­etränk Benedikts. Und sein größter Wunsch? „Dass wir ihn in Ruhe lassen und nicht ständig um ihn herumschwi­rren“, sagt Leuchtner. Seine Mahlzeiten nimmt der emeritiert­e Papst nicht mit der Hausgemein­schaft ein, sondern in einem eigenen Speisezimm­er auf seinem Stockwerk, zusammen mit vier Begleitern. Serviert werde das, was auch die anderen bekommen. Für die Besuche bei seinem Bruder Georg in der Luzengasse müssen sich beide ihre Kräfte einteilen. Der 93-jährige Besucher ist auf den Rollstuhl angewiesen. „Der eine hört schlecht, der andere tut sich schwer mit dem Reden“, sagt einer, der es wissen muss, über die Verständig­ungsschwie­rigkeiten. Das gemeinsame Gebet und die tägliche Eucharisti­efeier im kleinen Kreis sind als Fixpunkte geblieben.

Inzwischen mehren sich die Zeichen reger Anteilnahm­e an der Begegnung aus den Reihen der Gläubigen und der Regensburg­er Bevölkerun­g. Dass die Brüder bis ins hohe Alter miteinande­r so treu verbunden sind, verfehlt seine Wirkung nicht. Und dieses Zusammense­in-Können sei für sie „auch ein Lebenselix­ier“, ist Bistumsspr­echer Clemens Neck überzeugt.

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FOTO: DANIEL KARMANN/DPA Der emeritiert­e Papst Benedikt XVI. wird mit einem Rollstuhl in einen Bus geschoben. Der gebürtige Bayer besucht seinen schwer kranken Bruder in Regensburg.

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