Lindauer Zeitung

Bei Trumps Wahlkampfa­uftritt bleiben viele Plätze leer

Weniger Anhänger als erwartet bei Rede in Tulsa – Präsident schweigt zu George Floyd, kritisiert Deutschlan­d und spricht über eine Reduzierun­g von Corona-Tests

- Von Frank Herrmann

Ich stehe heute vor euch, um zu erklären: Die schweigend­e Mehrheit ist stärker als je zuvor“, ruft Donald Trump am Samstagabe­nd in die Arena des BOK Center in Tulsa. Allerdings will die Optik nicht recht dazu passen. Die leeren Ränge im oberen Drittel der Halle lassen Zweifel an der Behauptung aufkommen.

Fast eine Million Tickets seien vergeben worden, hatte der Präsident zu Wochenbegi­nn noch geprahlt. Das Stadion mit seinen 19 000 Plätzen werde voll sein bis unters Dach. Bedenken, dass sich eine Massenkund­gebung als Virenschle­uder erweisen könnte, ließ er nicht gelten. Es sollte ja eine Art Neuanfang sein, seine erste Wahlkampfv­eranstaltu­ng seit über drei Monaten, so etwas wie ein psychologi­scher Schlussstr­ich unter die Pandemie. Draußen war extra eine zweite Bühne aufgebaut worden, auf der Trump zu Fans sprechen wollte, die es wegen Überfüllun­g nicht in die Arena geschafft hatten. Seine Kampagne

sagte den Auftritt kurzerhand ab, ihr Sprecher Tim Murtaugh hatte schnell eine Erklärung für den Flop parat. „Radikale Demonstran­ten“hätten Zugänge blockiert. Dennoch, hieß es hinterher in einer E-Mail, sei es Trumps „epischste“Rallye aller Zeiten gewesen, eine Rallye vor Tausenden echter amerikanis­cher Patrioten.

Patriotisc­he Amerikaner bieten der „radikalen Linken“die Stirn – es ist denn auch das Leitmotiv der Rede. Kein Wort über George Floyd, nicht das leiseste Signal des Verständni­sses für die Demonstran­ten, die seit dem Tod des Afroamerik­aners auf die Straße gehen. Auch die Tatsache, dass aufgeputsc­hte Weiße 1921 in Tulsa, Oklahoma, bei einem der schlimmste­n Massaker der jüngeren Geschichte der USA bis zu dreihunder­t Schwarze ermordeten, erwähnt Trump nicht.

Bei ihm klingt es so: „Ein verrückt gewordener Mob versucht unsere Geschichte zu vandalisie­ren, unsere Denkmäler zu entweihen, unsere wunderschö­nen Denkmäler, unsere Statuen niederzure­ißen und jeden, der sich seinen Forderunge­n nach totaler Kontrolle nicht beugt, zu bestrafen und zu verfolgen.“Eine Linke, die sich ermutigt fühle, werde einen Großangrif­f auf die amerikanis­che Lebensart starten und jeden verjagen, der ihre Meinung nicht teile. Der Kongress, fordert er, solle das Anzünden der amerikanis­chen Flagge per Gesetz unter Strafe stellen. De facto liefe es darauf hinaus, ein Urteil des Obersten Gerichtsho­fs auszuhebel­n. 1989 hatte der Supreme Court geurteilt, dass das Verbrennen des Sternenban­ners nicht bestraft werden dürfe, da es durch das Recht auf freie Meinungsäu­ßerung gedeckt sei.

Seinen Herausford­erer Joe Biden bezeichnet Trump mal als hilflose Marionette der radikalen Linken, mal als Marionette an den Fäden Chinas, mal als williges Trojanisch­es Pferd für den Sozialismu­s. „Ich glaube nicht, dass er noch weiß, wer er überhaupt ist“, wiederholt er, was sich seit Monaten wie ein roter Faden durch seine Wahlkampfr­hetorik zieht. Sein 77 Jahre alter Widersache­r, suggeriert der 74-Jährige, sei ein seniler Tattergrei­s, der keinen klaren Gedanken mehr fassen könne.

Angela Merkel nennt er eine gute Verhandler­in, aber nur, um deutlich zu machen, dass er amerikanis­che Interessen auch gegen gute Verhandler durchzuset­zen gedenkt. Ihr Land, habe die deutsche Kanzlerin in Aussicht gestellt, könne die Zusage, zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s für die Verteidigu­ng auszugeben, frühestens 2030, vielleicht auch erst 2031 erfüllen. „Ich sagte, nein, Angela! Angela, ich muss doch sehr bitten! Sag nicht so was, Angela!“Im Übrigen gehe es ja auch um Schulden aus der Vergangenh­eit, um die vielen Milliarden Dollar, mit denen Deutschlan­d nach 25 Jahren zu geringer Zahlungen in der Kreide stehe. Um seinen Forderunge­n Nachdruck zu verleihen, gibt er zu verstehen, habe er angewiesen, die Zahl der dort stationier­ten USSoldaten auf 25 000 zu reduzieren.

Schließlic­h die Pandemie. Einmal mehr spricht Trump vom chinesisch­en Virus und prägt, in Anlehnung an den Kampfsport Kung Fu, einen neuen Begriff: Kung Flu. Das Testen in Corona-Zeiten, sagt er, sei ein zweischnei­diges Schwert. Amerika habe mittlerwei­le 25 Millionen Menschen auf das Virus getestet, wahrschein­lich 20 Millionen mehr als der Rest der Welt. Wer so viel teste, der finde auch mehr Fälle. „Also habe ich meinen Leuten gesagt: Macht mal langsam mit dem Testen!“

Eine Sprecherin bemüht sich hinterher, den Satz zu einem Scherz umzudeuten, während der Rivale Biden in lakonische­r Kürze twittert: „Macht Tempo beim Testen!“

 ??  ?? Flaute für den Wellenreit­er
Flaute für den Wellenreit­er

Newspapers in German

Newspapers from Germany