Bei Trumps Wahlkampfauftritt bleiben viele Plätze leer
Weniger Anhänger als erwartet bei Rede in Tulsa – Präsident schweigt zu George Floyd, kritisiert Deutschland und spricht über eine Reduzierung von Corona-Tests
Ich stehe heute vor euch, um zu erklären: Die schweigende Mehrheit ist stärker als je zuvor“, ruft Donald Trump am Samstagabend in die Arena des BOK Center in Tulsa. Allerdings will die Optik nicht recht dazu passen. Die leeren Ränge im oberen Drittel der Halle lassen Zweifel an der Behauptung aufkommen.
Fast eine Million Tickets seien vergeben worden, hatte der Präsident zu Wochenbeginn noch geprahlt. Das Stadion mit seinen 19 000 Plätzen werde voll sein bis unters Dach. Bedenken, dass sich eine Massenkundgebung als Virenschleuder erweisen könnte, ließ er nicht gelten. Es sollte ja eine Art Neuanfang sein, seine erste Wahlkampfveranstaltung seit über drei Monaten, so etwas wie ein psychologischer Schlussstrich unter die Pandemie. Draußen war extra eine zweite Bühne aufgebaut worden, auf der Trump zu Fans sprechen wollte, die es wegen Überfüllung nicht in die Arena geschafft hatten. Seine Kampagne
sagte den Auftritt kurzerhand ab, ihr Sprecher Tim Murtaugh hatte schnell eine Erklärung für den Flop parat. „Radikale Demonstranten“hätten Zugänge blockiert. Dennoch, hieß es hinterher in einer E-Mail, sei es Trumps „epischste“Rallye aller Zeiten gewesen, eine Rallye vor Tausenden echter amerikanischer Patrioten.
Patriotische Amerikaner bieten der „radikalen Linken“die Stirn – es ist denn auch das Leitmotiv der Rede. Kein Wort über George Floyd, nicht das leiseste Signal des Verständnisses für die Demonstranten, die seit dem Tod des Afroamerikaners auf die Straße gehen. Auch die Tatsache, dass aufgeputschte Weiße 1921 in Tulsa, Oklahoma, bei einem der schlimmsten Massaker der jüngeren Geschichte der USA bis zu dreihundert Schwarze ermordeten, erwähnt Trump nicht.
Bei ihm klingt es so: „Ein verrückt gewordener Mob versucht unsere Geschichte zu vandalisieren, unsere Denkmäler zu entweihen, unsere wunderschönen Denkmäler, unsere Statuen niederzureißen und jeden, der sich seinen Forderungen nach totaler Kontrolle nicht beugt, zu bestrafen und zu verfolgen.“Eine Linke, die sich ermutigt fühle, werde einen Großangriff auf die amerikanische Lebensart starten und jeden verjagen, der ihre Meinung nicht teile. Der Kongress, fordert er, solle das Anzünden der amerikanischen Flagge per Gesetz unter Strafe stellen. De facto liefe es darauf hinaus, ein Urteil des Obersten Gerichtshofs auszuhebeln. 1989 hatte der Supreme Court geurteilt, dass das Verbrennen des Sternenbanners nicht bestraft werden dürfe, da es durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sei.
Seinen Herausforderer Joe Biden bezeichnet Trump mal als hilflose Marionette der radikalen Linken, mal als Marionette an den Fäden Chinas, mal als williges Trojanisches Pferd für den Sozialismus. „Ich glaube nicht, dass er noch weiß, wer er überhaupt ist“, wiederholt er, was sich seit Monaten wie ein roter Faden durch seine Wahlkampfrhetorik zieht. Sein 77 Jahre alter Widersacher, suggeriert der 74-Jährige, sei ein seniler Tattergreis, der keinen klaren Gedanken mehr fassen könne.
Angela Merkel nennt er eine gute Verhandlerin, aber nur, um deutlich zu machen, dass er amerikanische Interessen auch gegen gute Verhandler durchzusetzen gedenkt. Ihr Land, habe die deutsche Kanzlerin in Aussicht gestellt, könne die Zusage, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben, frühestens 2030, vielleicht auch erst 2031 erfüllen. „Ich sagte, nein, Angela! Angela, ich muss doch sehr bitten! Sag nicht so was, Angela!“Im Übrigen gehe es ja auch um Schulden aus der Vergangenheit, um die vielen Milliarden Dollar, mit denen Deutschland nach 25 Jahren zu geringer Zahlungen in der Kreide stehe. Um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, gibt er zu verstehen, habe er angewiesen, die Zahl der dort stationierten USSoldaten auf 25 000 zu reduzieren.
Schließlich die Pandemie. Einmal mehr spricht Trump vom chinesischen Virus und prägt, in Anlehnung an den Kampfsport Kung Fu, einen neuen Begriff: Kung Flu. Das Testen in Corona-Zeiten, sagt er, sei ein zweischneidiges Schwert. Amerika habe mittlerweile 25 Millionen Menschen auf das Virus getestet, wahrscheinlich 20 Millionen mehr als der Rest der Welt. Wer so viel teste, der finde auch mehr Fälle. „Also habe ich meinen Leuten gesagt: Macht mal langsam mit dem Testen!“
Eine Sprecherin bemüht sich hinterher, den Satz zu einem Scherz umzudeuten, während der Rivale Biden in lakonischer Kürze twittert: „Macht Tempo beim Testen!“