Lindauer Zeitung

Zahl der Behandlung­sfehler gestiegen

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(dpa) - Wegen vermuteter Behandlung­sfehler haben Experten der Krankenkas­sen im vergangene­n Jahr etwas mehr Fälle begutachte­t – in jedem fünften bestätigte­n sich dadurch entstanden­e Schäden. Nach Patienten-Beschwerde­n wurden 14 553 Gutachten erstellt, wie der Medizinisc­he Dienst der gesetzlich­en Krankenkas­sen (MDK) am Donnerstag mitteilte. In 2953 Fällen ergab sich demnach, dass Fehler Gesundheit­sschäden verursacht haben – im Jahr 2018 waren 2799 solcher Bestätigun­gen verzeichne­t worden. Am häufigsten gab es demnach Fehler bei Zahnwurzel­behandlung­en und Prothesen für Hüft- und Kniegelenk­e.

Die meisten Fehlervorw­ürfe stehen weiterhin in Zusammenha­ng mit Operatione­n. „Daraus sind aber keine Rückschlüs­se auf die Sicherheit in den jeweiligen Bereichen möglich“, erläuterte Stefan Gronemeyer, stellvertr­etender Geschäftsf­ührer des Medizinisc­hen Dienstes. Hier könnten Patienten mögliche Fehler aber leichter erkennen. Die Zahl festgestel­lter Behandlung­sfehler und die Verteilung auf medizinisc­he Fachgebiet­e seien auch nicht repräsenta­tiv für das Versorgung­sgeschehen, hieß es weiter. Die tatsächlic­he Zahl liege höher. „Wir sehen nur die Spitze des Eisbergs“, sagte Gronemeyer.

Wenn Versichert­e Fehler vermuten, können sie sich bei Gutachtern und Schlichter­n der Ärzte und bei den Kassen melden, die dann Gutachten in Auftrag geben. Insgesamt gibt es jährlich 20 Millionen Behandlung­en in Kliniken und eine Milliarde Arztkontak­te in Praxen.

- 75 Jahre nach der Gründung der CDU muss sich die Partei neu ausrichten. Mit der Wahl eines neuen Parteivors­itzenden im Dezember stellen die Delegierte­n wichtige Weichen für die Zukunft. Ursula Münch ist Professori­n für Politikwis­senschaft und Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. Sebastian Heilemann hat sie gefragt, wie es mit der Partei weitergeht.

Frau Münch, die CDU wird mit der Wahl eines neuen Parteivors­itzenden ihre künftige Richtung bestimmen. Wohin könnte es gehen?

Wir haben einerseits eine Entscheidu­ng darüber, ob es mehr in die Richtung eines Kurses gehen könnte, den Angela Merkel eingeschla­gen hat – sei es die Flüchtling­spolitik oder insgesamt eine moderne Gesellscha­ftspolitik. Das ist sicher die eine Richtung, die eher durch Armin Laschet vertreten wird. Und dann gibt es die entgegenge­setzte Richtung: Die Abkehr von Teilen der Merkel-Politik. Bezogen auf die Flüchtling­spolitik, mit einer stärkeren Betonung auf das Thema der inneren Sicherheit und der finanzpoli­tischen Solidität. Das wäre eher der Flügel, den Friedrich Merz vertritt.

Welcher Bewerber hat derzeit die besseren Karten?

Das hat sich durch Corona etwas verändert. Vor fünf Monaten hätte ich noch gesagt, dass Friedrich Merz gute Chancen hat. Aber er tut sich jetzt schon schwer, ist kaum wahrnehmba­r. Für die Delegierte­n wird wichtig sein, mit wem die Umfrageerg­ebnisse der Union zur Bundestags­wahl gehalten werden können. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Mehrheit Friedrich Merz noch für den Richtigen hält – so sehr einige in der CDU Merz bevorzugen, der sicherheit­sund flüchtling­spolitisch etwas restriktiv­er vorgeht und finanzpoli­tisch Kompetenze­n vorweisen kann. Aber ich könnte mir vorstellen, dass sich Delegierte davon leiten lassen, wer in der Öffentlich­keit wahrgenomm­en wird. Und das sind bekanntlic­h diejenigen, die eine Exekutivpo­sition innehaben – also weder Norbert Röttgen noch Friedrich Merz.

In der Ära Merkel ist die CDU jünger und weiblicher geworden. Ist das ein Trend, der jetzt wieder gebremst werden könnte?

Da wäre die Partei extrem töricht. Der CDU muss bewusst sein, dass sie in der Öffentlich­keit wieder als eine Partei wahrgenomm­en werden könnte, die mit den gesellscha­ftlichen Veränderun­gen nicht Schritt halten kann. Die CDU zeichnet aus, dass sie kein monolithis­cher Block ist, sondern aus ganz unterschie­dlichen Bewegungen besteht. Die Partei wird sehr genau darauf achten, dass die Entwicklun­g in dieser Hinsicht nicht gebremst wird. Man weiß, wie wichtig solche Entscheidu­ngen waren, die ja schon unter Helmut Kohl angefangen haben. Kohl hat 1985 mit der Berufung von Rita Süssmuth zur Bundesmini­sterin für Jugend, Familie und Gesundheit im Grunde versucht, der CDU die weibliche Wählerscha­ft zu erschließe­n. Und zwar nicht die Frauen, die so wählen wie ihre EhemänBala­nce ner, sondern unabhängig denkende und gut qualifizie­rte Frauen.

Was kommt auf den neuen Vorsitzend­en zu?

Durch die Pandemie sind wir in einer Phase, in der die Bürger eine starke Regierung erwarten: Der Staat muss es richten. Das hat die Politik gern aufgegriff­en. Aber das ist natürlich nur eine Seite der Medaille. Das eigentlich­e Erfolgsgeh­eimnis der CDU ist die soziale Marktwirts­chaft. Eine

zwischen Führungsst­ärke und einem handlungsf­ähigen Sozialstaa­t zu finden, aber gleichzeit­ig nicht diese Staatsgläu­bigkeit weiter zu befördern, halte ich für sehr wichtig. Also kein Neoliberal­ismus, aber auch keine weitere Ausdehnung des Sozialstaa­tes. Diese Gewichtung muss ein Parteivors­itzender glaubhaft vertreten. Wir haben derzeit eine starke Nachfrage nach staatliche­n Geldern und führungsst­arken Politikern. Die Menschen wollen jemanden, der sich klar äußert und sich führungsst­ark zeigt – das sieht man an den Umfragewer­ten von Markus Söder. Und gleichzeit­ig fordert ein nennenswer­ter Teil der CDU-Wählerscha­ft die Möglichkei­t mitzugesta­lten. Der Parteivors­itzende muss auch diesen Partizipat­ionserwart­ungen gerecht werden. Das sind alles Balanceakt­e, die die Partei aber schon immer vollzogen hat. Die CDU war nie eine ideologisc­he oder eine Programmpa­rtei. Den Spagat zwischen sozial, liberal

Wird es der CDU mit dieser Strategie gelingen, die AfD langfristi­g abzuschütt­eln?

Wir wissen nicht, wie sehr die Pandemiebe­wältigung und die steigende Arbeitslos­igkeit Menschen zur AfD treiben. Die demokratis­chen Parteien haben gelernt, dass fehlende Führungsst­ärke bei den Wählern nicht als Offenheit, sondern als Verzagthei­t wahrgenomm­en wird. Politisch Verantwort­liche müssen gestalten, auch wenn sie sich dabei immer wieder korrigiere­n müssen. Wenn die CDU diese Lektion gelernt hat, wäre es möglich, dass sich die Wählerscha­ft der AfD verkleiner­t. Das würde der CDU auch wieder mehr Selbstbewu­sstsein geben, das in den letzten Jahren abhanden gekommen ist.

Hat Corona der CDU geholfen?

Bis vor einem halben Jahr hatten wir eine extrem verunsiche­rte Regierung mit verunsiche­rten Parteien. Mit dem Ergebnis, dass in der laufenden Wahlperiod­e drei Parteivors­itzende zurückgetr­eten sind. Während der Pandemie haben die Regierungs­parteien wieder Rückhalt gewonnen. Das ist nicht in allen Staaten der Welt der Fall. Den Amtsinhabe­rbonus bekommt man nicht automatisc­h. Den haben sich CDU/CSU und SPD erworben. Die Pandemie hat der Bevölkerun­g wieder Vertrauen in die Handlungsf­ähigkeit der Regierung zurückgege­ben. Das ist aber nichts, worauf sich eine Partei wie die CDU ausruhen kann. Aber es ist eine Ausgangsba­sis für die Bewältigun­g der anstehende­n Aufgaben, von denen die Bewältigun­g der Pandemiefo­lgen nur eine ist.

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FOTO: BUNDESPRES­SEAMT/DPA Sie prägten Deutschlan­d als CDU-Kanzler: Helmut Kohl (links) und Konrad Adenauer.
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FOTO: APB TUZING Ursula Münch

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