Kaffeetafel in Schloss Bellevue
In die Arbeit von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kehrt Normalität ein – zumindest ein wenig
(dpa) - Der Rasen im Park von Schloss Bellevue wie immer akurat geschnitten, ein großes Sonnensegel gespannt, darunter ein langer Tisch gedeckt – so empfangen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender am Donnerstag sechs Gäste. Zur „Kaffeetafel“, wie die Veranstaltungsreihe heißt, bei der das Präsidentenpaar am liebsten Menschen mit ganz unterschiedlichen Sichtweisen miteinander ins Gespräch bringt. Und bei der es diesmal um „Schattenseiten und Lichtblicke“bei den Beschränkungen in der Corona-Pandemie geht. Steinmeier gibt die Stichwörter: „Was ist Ihr Blick auf die Situation? Wo hat sich die Gesellschaft verändert? Wo war die Politik fehlgeleitet? Wo kann man mehr tun?“Und er bekommt von seinen Gästen einiges zu hören. Zum Beispiel von einer Mutter, die selbstständig ist, mit ihrem Mann im Homeoffice arbeitet und nicht versteht, warum zwar Bars und Restaurants wieder geöffnet sind, „aber meine Kinder haben nur drei Stunden Unterricht in der Woche“. Oder vom Inhaber eines Metallbaubetriebs, der ihm vom wachsenden Unverständnis darüber berichtet, dass Kurzarbeiter 60 Prozent ihres Lohnes bekämen. „Aber Beamte können nach Hause gehen bei 100prozentiger Fortbezahlung.“Und von einer Berliner Lehrerin, die zum Einhalten der Hygieneregeln an Schulen feststellt: „Hände waschen ist prima. Aber es wäre schon schön, wenn die Toiletten dann entsprechend wären.“
Für den Bundespräsidenten und seine Frau bedeutet diese Kaffeetafel ein Stück Rückkehr zur Normalität. In der Corona-Hochphase wurde auch das Leben im Schloss Bellevue heruntergefahren. Veranstaltungen wurden ebenso gestrichen wie Reisen ins Ausland. Stattdessen hielt Steinmeier mit anderen Staatsoberhäuptern per Telefon Kontakt, an die Bürger wandte er sich mit Videobotschaften.
Dies ändert sich gerade. So vollzog Steinmeier am vergangenen Montag den Wechsel an der Spitze des Bundesverfassungsgerichts mit dem Überreichen der Entlassungsurkunde an Andreas Voßkuhle und der Ernennungsurkunde an Stephan Harbarth. Tags darauf warb er mit den Spitzen der Wirtschaftsverbände, Arbeitgeber und Gewerkschaften für die Ausbildung junger Menschen auch in Corona-Zeiten. Wieder einen Tag später sprach er mit Schülern und Auszubildenden. Und in der kommenden Woche will Steinmeier erstmals wieder einen Gast aus dem Ausland empfangen – die Präsidentin Estlands, Kersti Kaljulaid.
Allerdings: Wirkliche Normalität schaut anders aus. Mit der Pandemie leben – das lernt gerade auch der Bundespräsident. Abstand halten ist auch im Schloss Bellevue oberstes Gebot. So gibt es am Ende der Kaffeetafel ebenso wenig das sonst übliche Gruppenfoto wie zuvor beim Termin mit Voßkuhle und Harbarth. „Auch der übliche Empfang ist ein Opfer der Seuche geworden“, musste Steinmeier dem alten und dem neuen Präsidenten des höchsten deutschen Gerichts zudem mitteilen. Die Pandemie sei noch nicht vorbei, warnt er bei der Kaffeetafel.