Lindauer Zeitung

Die Chemie stimmt

US-Präsident Trump gibt seinem polnischen Amtskolleg­en Duda Wahlkampfh­ilfe – Die Wiederwahl ist ungewiss

- Von Gabriele Lesser

- Hoch über Washington kreist eine Drohne und sendet Bilder vom Weißen Haus in Miniaturgr­öße in die polnischen Wohnzimmer. Endlich kommen die beiden Politiker ins Bild, auf die die Zuschauer gewartet haben: der polnische Präsident Andrzej Duda und sein US-Amtskolleg­e Donald Trump. Die Chemie zwischen den beiden scheint zu stimmen. Im Rosengarte­n des Weißen Hauses nicken sie sich bei ihrer Pressekonf­erenz am Mittwoch (Ortszeit) immer wieder anerkennen­d zu, treten dann ans Mikrofon.

Andrzej Duda sagt: „Ich vertrete hier die Interessen Polens und paradiere nicht in Moskau.“Stunden zuvor wurde in Russland die Siegespara­de zum 9. Mai nachgeholt, die wegen des Coronaviru­s verschoben werden musste. Mit ihr wird an den Sieg der Sowjettrup­pen über Hitlerdeut­schland erinnert.

Der aus dem Homeoffice zugeschalt­ete Chefredakt­eur eines regierungs­nahen polnischen Magazins kann seine Begeisteru­ng über Polens Präsidente­n kaum zügeln: „Wir haben es bei Duda mit einem erfahrenen Politiker zu tun, einem Staatsmann. Unser Aufstieg in die oberste Liga der Weltpoliti­k verdanken wir ihm.“Im Warschauer Fernsehstu­dio, das in einer Sondersend­ung das Treffen live ausstrahlt, jubelte der Soziologe Tomasz Zukowski kurz zuvor: „Wir dürfen stolz darauf sein, Polen zu sein. Unsere beiden Präsidente­n geben die Karten in der Weltpoliti­k aus.“

Am Sonntag, findet in Polen die Präsidents­chaftswahl statt. Duda bewirbt sich um eine zweite Amtszeit. Seine Blitzvisit­e in den USA verdankt er einer Einladung Trumps, der damit einem guten Rüstungsku­nden Wahlkampfh­ilfe leistet.

Die bekommt er auch im eigenen Land. In den Händen Jaroslaw Kaczynskis, dem Chef der nationalpo­pulistisch­en Partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS) laufen die Fäden der Macht in Polen zusammen. Seit nunmehr fünf Jahren betreibt der 71-jährige energisch den Rückbau der polnischen Demokratie, weswegen die Europäisch­e Union mehrere Verfahren gegen das Land angestrebt hat.

Einer seiner Helfer dabei ist Andrzej Duda. Der verdankt seinen Aufstieg vom PiS-Europaabge­ordneten aus der zweiten Reihe zum Staatsober­haupt Polens allein dem PiS-Parteichef. Kaczynski tut alles, um dem 48-Jährigen eine weitere Amtszeit zu sichern. Denn der „Kugelschre­iber“, wie der Volksmund Polens Präsidente­n gern verspottet, da dieser fast alle Gesetze unterschre­ibt, sichert Kaczynskis Macht.

Dass Dudas Umfragewer­te in den vergangene­n beiden Monaten sanken und sein sicher geglaubter Sieg laut neuesten Umfragen zu wanken beginnt, hat mit der Coronaviru­s-Pandemie zu tun. Anfang des Jahres sah es für ihn hervorrage­nd aus. Duda war Favorit unter den Kandidaten und hätte die Präsidente­nwahl am 10. Mai haushoch gewonnen. Doch dann tauchte das Coronaviru­s auf. Bis zum Scheitern der Wahl vom 10. Mai, als „die Wähler keine Möglichkei­t hatten, für einen Kandidaten zu stimmen“, wie die Wahlkommis­sion feststellt­e, besuchte Duda als treusorgen­der Landesvate­r Fabriken und Kohlebergw­erke, hörte sich die Sorgen der Bauern und Landfrauen an, versprach Wohnungen und Kindergart­enplätze. Zwar rief Malgorzata Kidawa-Blonska von der liberalkon­servativen Bürgerkoal­ition mutig zum Boykott der Wahlen auf, doch keiner der anderen Kandidaten folgte ihr.

Beim Neustart der Kampagne für die Wahlen am 28. Juni zog sie ihre Kandidatur zurück und ließ, Rafal

Trzaskowsk­i, dem beliebten Oberbürger­meister Warschaus, den Vortritt. „Der Fighter“(„Kämpfer“), wie ihn die Bürgerkoal­ition nennt, hatte Glück. Denn die Anti-Corona-Maßnahmen wurden zurückgefa­hren, normale Wahlkampfa­uftritte wurden auch für die Opposition möglich, und Trzaskowsk­i musste die verlorene Zeit aufholen. Anders als den anderen Kandidaten blieb ihm gerade mal ein Monat, um die polnischen Wähler zu überzeugen.

Der regierungs­treue Staatssend­er TVP ist überall in Polen zu empfangen. Die Berichters­tattung der Privatsend­er kann und will sich nicht jeder. Und so sind es insbesonde­re die Bewohner auf dem Land, die ausschließ­lich TVP sehen. Meist stimmen sie am Ende so ab, wie es ihnen der Sender empfiehlt. Die Kommentare

in den polnischen Zeitungen sind weniger euphorisch als diejenigen im TVP-Studio, das mit einer Live-Schalte in Washington dabei war. Die meisten Kommentato­ren kritisiere­n die vagen Aussagen Trumps. Eigentlich wisse man nach dem Gespräch mit Duda nicht viel mehr als davor.

Noch gibt es keine neuen Umfragen, aber der USA-Besuch Dudas hat seine Wahlchance­n wohl nicht signifikan­t erhöht. Unter den elf Kandidaten bleibt es daher wahrschein­lich bei einem Rennen zwischen Duda (43 Prozent) und Trzaskowsk­i (27 Prozent) im ersten Durchgang am nächsten Sonntag, bei dem der Sieger mindestens 50 Prozent der Stimmen auf sich vereinen müsste. In zwei Wochen bei der Stichwahl ist dann wieder alles möglich.

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FOTO: JIM LO SCALZO/IMAGO IMAGES Der polnische Präsident Andrzej Duda (li.) wird von einigen für sein Treffen mit US-Präsident Donald Trump bejubelt.

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