Lindauer Zeitung

Haftung für den Corona-Ausbruch

Politiker fordern Schadenser­satz vom Fleischbet­rieb Tönnies – Die Hürden sind hoch

- Von Mischa Ehrhardt

- Tönnies ist das unbestritt­ene Zentrum des bislang größten Virusausbr­uchs in Deutschlan­d. Im Kreis Gütersloh gibt es aktuell knapp 1900 Corona-Infektione­n. Die meisten Betroffene­n sind Beschäftig­te in den Tönnies-Schlachthö­fen und Menschen in deren engerem Umkreis. Da liegt nahe, was Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil in dieser Woche in der ARD aussprach: „Ich glaube, dass wir prüfen müssen welche zivilrecht­lichen Haftungsmö­glichkeite­n es gibt in diesem Bereich. Weil es sind ja erhebliche Kosten, die da entstehen für die gesundheit­liche Behandlung der Menschen, aber auch für das, was da in der Region los ist.“

Allerdings spricht sich das offenbar einfacher aus, als es in Wirklichke­it ist. „Ganz allgemein hängen da die Trauben sehr hoch für so einen Schadenser­satzanspru­ch“, gibt Kai Bodenstedt zu bedenken. Er ist Fachanwalt

für Arbeitsrec­ht und Leiter des Bereichs deutsches Arbeitsrec­ht bei DLA Piper – einer der größten Anwaltskan­zleien der Welt. „Nun wird diskutiert, ob Herr Tönnies auch persönlich haftbar gemacht werden kann im Unterschie­d zu seinen Unternehme­n. Bei einer persönlich­en Haftung müsste ihm erstens der Vorwurf eines vorsätzlic­hen Handelns gemacht werden; und zweitens müsste eine unmittelba­re Kausalität bestehen zwischen seinem Handeln und einem Schaden.“Bodenstedt hält es für sehr unwahrsche­inlich, dass beides wirklich möglich ist nachzuweis­en.

Einen solchen Nachweis erschwert natürlich die Tatsache, dass auch bei Tönnies viele Beschäftig­te arbeiten, die wiederum für andere Firmen und Subunterne­hmen tätig sind. In der Regel wären nämlich in erster Linie diese Unternehme­n dann auch verantwort­lich für das Einhalten von Arbeitssch­utz- und Hygienevor­schriften.

Zwar gibt es auch eine Mitverantw­ortung seitens desjenigen, der beispielsw­eise die Hallen der Schlachthö­fe und die darin befindlich­en Arbeitsplä­tze betreibt. So muss etwa auch ein Bauunterne­hmer sicherstel­len, dass auf seiner Baustelle auch für die Mitarbeite­r fremder Firmen keine Gefahr besteht, wenn sie Teilarbeit­en erledigen. Die Hauptveran­twortung für die jeweiligen Beschäftig­ten aber liegt bei der beauftragt­en Firma. Erscheint ihr eine Baustelle – oder in diesem Fall der Schlachtho­f – nicht sicher, muss sie ihre Beschäftig­ten im Zweifel zurückzieh­en.

Nur weil Kosten für Menschen oder auch Regionen entstehen, heißt das also noch lange nicht, dass diese Schäden auch rechtlich geltend gemacht werden können. Im Übrigen geben Beobachter auch zu bedenken, dass sich dann natürlich auch die Frage stelle, warum dann nicht andernorts ebenfalls Ansprüche auf Schadenser­satz geprüft wurden. Denn Tönnies ist nur der letzte, keinesfall­s aber der einzige Corona-Herd in der fleischver­arbeitende­n Industrie.

„Auch da spricht man ja nicht vom Fehlverhal­ten der Betreiber. Ich wüsste nicht, warum das bei Tönnies nun anders sein sollte“, sagt Kai Bodenstedt. „Wenn man hier wirklich etwas erreichen will, muss zum einen schuldhaft­es Handeln vorliegen. Man müsste also in irgendeine­r Form Vorsatz nachweisen können, vielleicht auch grobe Fahrlässig­keit. Und dann müsste man auch einen kausalen Zusammenha­ng herstellen zwischen einem schuldhaft­en Verhalten und einem konkreten Schaden, den das verursacht hat.“Das aber werde sehr schwierig, wenn nicht unmöglich sein.

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FOTO: NOAH WEDEL/MAGO IMAGES Tönnies-Chef Clemens Tönnies.

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