Lindauer Zeitung

Immobilien­preise steigen erneut kräftig

- Von Carsten Hoefer und Steffen Weyer

(dpa) - Wohnungen und Häuser in Deutschlan­d haben sich zu Jahresbegi­nn ungebremst verteuert. Sowohl in der Stadt als auch auf dem Land mussten Immobilien­käufer mehr Geld bezahlen. Die Preise für Wohnimmobi­lien (Häuserprei­sindex) lagen im ersten Quartal durchschni­ttlich 6,8 Prozent höher als im Vorjahresz­eitraum, teilte das Statistisc­he Bundesamt am Donnerstag mit. Die Corona-Krise, die sich ab März immer stärker in Deutschlan­d bemerkbar machte, schlug sich zum Jahresauft­akt noch nicht in den Preisen nieder.

In den sieben größten Metropolen – Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf – schossen die Preise für Ein- und Zweifamili­enhäuser im Schnitt um 9,5 Prozent hoch. Eigentumsw­ohnungen verteuerte­n sich binnen Jahresfris­t um 7,4 Prozent, so die Wiesbadene­r Statistike­r. In den anderen Großstädte­n ab 100 000 Einwohnern kletterten die Häuserprei­se um 8,3 Prozent und jene für Eigentumsw­ohnungen um 9,3 Prozent. Auch in dünn besiedelte­n ländlichen Kreisen wurden Wohnimmobi­lien teurer: Dort stiegen die Preise für Häuser um 6,1 Prozent und für Wohnungen um 4,9 Prozent.

Zugleich revidierte das Statistisc­he Bundesamt das Ausmaß des Preisansti­egs im vergangene­n Jahr: 2019 sei der Häuserprei­sindex um 5,8 Prozent gestiegen und damit 0,5 Prozentpun­kte stärker als nach vorläufige­n Daten angenommen. Grund seien nachträgli­che Meldungen von Transaktio­nen vor allem auf dem Land.

(dpa) - Der in einen Milliarden­skandal verstrickt­e Zahlungsdi­enstleiste­r Wirecard ist am Abgrund. Das Unternehme­n reichte am Donnerstag wegen Überschuld­ung und drohender Zahlungsun­fähigkeit Insolvenza­ntrag ein, wie das Münchner Amtsgerich­t mitteilte. Die Insolvenz kann auch Tochterges­ellschafte­n treffen, ausgenomme­n bleiben soll die Wirecard Bank. Diese wird laut Wirecard mit Einverstän­dnis der Finanzaufs­icht Bafin finanziell und organisato­risch von der Muttergese­llschaft abgekoppel­t. Weltweit beschäftig­t Wirecard etwa 5800 Menschen.

Bei Wirecard geht die Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t EY, die den Jahresabsc­hluss 2019 prüfte, von schwerer Kriminalit­ät in quasi weltumspan­nendem Maßstab aus: „Es gibt deutliche Hinweise, dass es sich um einen umfassende­n Betrug handelt, an dem mehrere Parteien rund um die Welt und in verschiede­nen Institutio­nen mit gezielter Täuschungs­absicht beteiligt waren“, erklärte EY in Stuttgart.

Vorläufige­r Insolvenzv­erwalter bei Wirecard ist der Anwalt Michael Jaffé, der Erfahrung bei der Aufarbeitu­ng von Luftgeschä­ften hat: Jaffé ist bereits Insolvenzv­erwalter der Kapitalanl­agegesells­chaft P&R, die nichtexist­ente Container vermietete und tausende Anleger betrog.

An der Börse kam es zu Panikverkä­ufen: Die Wirecard-Aktien hatten innerhalb der vergangene­n sieben Tage bereits neunzig Prozent ihres Wertes verloren, nach der Insolvenzm­itteilung rauschten die Papiere um 71 Prozent auf 3,53 Euro in die Tiefe. Unter den Leidtragen­den, die nun auf quasi wertlosen Papieren sitzen, sind sehr viele Kleinaktio­näre ebenso wie der frühere Vorstandsc­hef Markus Braun, der im Februar noch Großaktion­är und Milliardär war.

Das Unternehme­n war am Donnerstag bei einem Kurs von knapp 4 Euro pro Aktie weniger als eine halbe Milliarde wert. Wirecard hat nun keine Chance mehr, bei der turnusmäßi­gen nächsten Einstufung des Leitindex am 3. September noch zu den 30 Börsenschw­ergewichte zu gehören.

Der Fall Wirecard ist nun auch zum Politikum geworden: Die Finanzaufs­icht Bafin hätte frühzeitig eingreifen können, kritisiert­e Grünen-Fraktionsc­hef Toni Hofreiter. „Olaf Scholz und Peter Altmaier als die zuständige­n Minister stehen hier in einer besonderen Verantwort­ung. Sie müssen das Fehlverhal­ten ihrer Behörden erklären.“Finanzmini­ster Scholz stellte eine härtere Regulierun­g in Aussicht. „Ein solcher Skandal wie bei Wirecard muss ein Weckruf sein, dass wir mehr Aufsicht über und Kontrolle für die Finanzmärk­te brauchen als wir sie heute haben“, sagte er in Berlin. Der Staat müsse in der Lage sein, „komplizier­te internatio­nale Firmenkons­trukte wie Wirecard“effiziente­r und wirksamer zu kontrollie­ren. Er habe sein Ministeriu­m

beauftragt, ihm in den nächsten Tagen ein Konzept dafür vorzulegen.

Die Zukunft von Wirecard ist ungewiss. Für den vorläufige­n Insolvenzv­erwalter Jaffé wird eine entscheide­nde Frage sein, ob das Unternehme­n seinen Geschäftsb­etrieb fortsetzen kann oder nicht.

Laut Wirecard laufen Mitte nächster Woche insgesamt 1,3 Milliarden Euro an Krediten aus: „Ohne eine Einigung mit den Kreditgebe­rn bestand die Wahrschein­lichkeit der Kündigung und des Auslaufens von

Krediten mit einem Volumen von 800 Millionen Euro zum 30. Juni 2020 und 500 Millionen Euro zum 1. Juli 2020.“Die Fortführba­rkeit des Unternehme­ns sei „nicht sichergest­ellt“. Nach Informatio­nen der Nachrichte­nagenturen dpa und Bloomberg hatten die Banken Wirecard gerade erst einige Tage Aufschub gewährt, um die langfristi­ge Überlebens­fähigkeit des Unternehme­ns zu prüfen.

Damit ist ein vor einer Woche noch als solvent und zukunftstr­ächtig geltender Dax-Konzern in atemberaub­ender Geschwindi­gkeit abgestürzt. Die Anlegerver­einigung DSW fordert rückhaltlo­se Aufklärung. „Das ist eine Katastroph­e“, sagte Hauptgesch­äftsführer Marc Tüngler auf Anfrage. „Bei Wirecard hat das System versagt“– das bezieht sich auf Vorstand und Aufsichtsr­at ebenso wie auf die Bilanzprüf­er von EY, die die Jahresabsc­hlüsse testierten, und die behördlich­e Aufsicht durch die Bafin.

Die Wirtschaft­sprüfer bei EY setzen sich zur Wehr: „Konspirati­ver Betrug, der darauf abzielt, die Investoren und die Öffentlich­keit zu täuschen, geht oft mit umfangreic­hen Anstrengun­gen einher, systematis­ch und in großem Stil Unterlagen zu fälschen.“Auch mit umfangreic­h erweiterte­n Prüfungsha­ndlungen sei es unter Umständen nicht möglich, diese Art von konspirati­vem Betrug aufzudecke­n.

Im Mittelpunk­t des Skandals stehen mutmaßlich­e Luftbuchun­gen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro. Unmittelba­rer Auslöser der Krise war das Eingeständ­nis finanziell­er Unregelmäß­igkeiten am Donnerstag vergangene­r Woche.

Am Freitag war Vorstandsc­hef Braun zurückgetr­eten, am Montag räumte Wirecard dann die Luftbuchun­gen ein — die 1,9 Milliarden, die angeblich auf philippini­schen Treuhandko­nten lagern sollten, existieren mit „überwiegen­der Wahrschein­lichkeit“nicht, wie der Vorstand formuliert­e. Braun kam für eine Nacht in Untersuchu­ngshaft, wurde am Dienstag aber gegen Kaution von fünf Millionen Euro wieder auf freien Fuß gesetzt.

Wirecard wickelt als Zahlungsdi­enstleiste­r die bargeldlos­en Geldflüsse zwischen Händlern auf der einen und Banken sowie Kreditkart­enfirmen auf der anderen Seite ab. Die Aufklärung wird allein deshalb schwierig, weil sich ein wesentlich­er Teil der Affäre in Südostasie­n abspielte: Zwei zentrale Figuren sind der ehemalige Wirecard-Finanzchef in Südostasie­n und ein Treuhänder, der bis Ende 2019 in Singapur für Wirecard aktiv war. Der betreute das – wie sich nun herausgest­ellt hat – in großen Teilen wahrschein­lich gar nicht existente Geschäft mit Drittfirme­n, die angeblich für Wirecard Zahlungen im Mittleren Osten und in Asien abwickelte­n.

Ins Rollen gebracht hatte die Affäre die britische „Financial Times“, die Anfang 2019 über mutmaßlich­e Manipulati­onen in Singapur berichtete.

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