Stadt, Brand, Fluss
Passau erlebte viele Katastrophen – die Folgen sieht man heute
Ein Wort nur – Flut – dann sprudelt es. Aus der Kellnerin, dem Verkäufer, den Studenten: Sie lassen noch mal Autos durch die überschwemmte Höllgasse dümpeln, tragen wieder Müllsack-Hosen oder schippen der verzweifelten Inhaberin des Schuhgeschäfts nebenan mit vereinten Kräften den Keller leer. Sogar geheiratet wird mitten im Schla(m)massel – ermöglicht von der Feuerwehr, die ein Brautpaar durch die Fluten zum Standesamt fährt. Wohl jeder Passauer erzählt solche Geschichten – meist mit berührendem Hilfsbereitschafts-Happy-End beim Jahrhunderthochwasser von 2013. Sieben Jahre ist das jetzt her, als das Wasser auf 12,89 Meter stieg und bis heute an vielen Fassaden mit Gedenksteinen sowie am Rathaus im Ewigen Wasserstand auf Platz 2 markiert ist, knapp hinter der gut 13 Meter hohen Flut von 1501. Man schaut hoch zu diesen Flutmarken, realisiert aber das ganze Ausmaß erst, wenn Bilder daneben hängen. Im Treppenhaus des Hotels Am Paulusbogen etwa.
In der Innenstadt, auf der Ludwigstraße, da haben sich Donau und Inn geküsst, mitten in der Fußgängerzone. Der eine Fluss flutete die Stadt von links, der andere von rechts. Land unter auf der Landzunge, die Passaus Altstadt trägt wie ein Schiff seine Aufbauten. Umso erstaunlicher, dass kaum noch Flutschäden zu sehen sind an den Häusern. Mancher Fassade fehlt etwas Putz, roter Backstein liegt da frei als Wunde. Überstrahlt werden diese Blessuren im geschwungenen Verlauf der engen Gassen aber längst wieder von verschnörkelten Palais und Stadthäusern mit Pastell-Fassaden. Abends ist das zerbeulte Kopfsteinpflaster in einen Funzel-Laternen-Schimmer getaucht, und wer in der Altstadt mal die Verkehrsschilder ausblendet, schlendert durch das Passau der Jahre so ab 1690. Damals eine mondäne Weltstadt, gerade im seinerzeit neuesten Stil errichtet von italienischen Baumeistern als üppiges Barock-Gesamtkunstwerk – ermöglicht durch die zweite große Katastrophe: Feuer!
Im April 1662 war Passau nahezu komplett abgebrannt. 200 Menschen starben, 900 Gebäude wurden zerstört.
ANZEIGEN Fürstbischof Wenzeslaus Graf Thun, zugleich weltlicher und kirchlicher Herrscher, befahl den Wiederaufbau – nicht nur barock, sondern auch mit Brandschutz, der bis heute sichtbar ist: Hinter den einheitlich hochgezogenen Fassaden liegen versteckt mehrere Grabendächer, mit denen auf dem Haus Regen als Löschwasser gesammelt werden kann. Ebenfalls erhalten sind vielerorts die – aus Angst vor Feuer – nicht hölzernen, sondern metallenen Fensterläden. Erdgeschosse und Keller muten meist gotisch an. Der Grund: Die unteren Teile der Häuser blieben vom Brand verschont, dienten als Fundamente für die Barockstadt.
Etwas größer war die Herausforderung beim mächtigen, weißen Stephansdom – hier sollte der nicht abgebrannte spätgotische Ostteil mit dem barocken Neubau verheiratet werden. Meisterhaft gelöst vom italienischen Baumeister Carlo Lurago, bis heute geadelt mit dem Etikett: „Barocker Dom mit gotischer Seele“. Sein Geläut hallt aus den mit grünen Mützen gekrönten Türmen durch die Gassen. Jeder Prediger hat seine Kombi der acht Glocken, und geschulte Passauer Ohren erkennen am Klangmix, wer die Kanzel besteigt. Beim Mittagskonzert im Dom kommt die weltweit größte, katholische Kirchenorgel zum Einsatz. Ein einmaliges Klangerlebnis.
Passaus verzuckerte, gut 350 Jahre alte Kulisse ist alt. Aber das Leben in der 50 000-Einwohner-Stadt ist jung – mit 10 000 Studenten. Wer ihnen folgt, findet die schönsten Plätze zum Chillen: Rauf auf die Veste Oberhaus etwa – eine weitläufige Burganlage, in die Fürstbischöfe schon mal vor wütendem Passauer Mob flohen. Heute Museum und erstbester Panorama-Postkartenblick von oben auf die Stadt mit angrenzender Liegewiese. Die ideale Uferpromenade zum Entspannen liegt nicht etwa an der Donau. Nein, das dortige Ufer ist (leider) betonierter, meist proppevoller Parkplatz für Ausflugsdampfer und –busse sowie Reisegruppen, die als Entenschar hinterm hochgereckten ReiseleiterSchirm her watscheln. Darum lieber nicht ihm folgen, sondern den Studenten zum anderen Fluss, dem Inn und seinem fotogenen Wahrzeichen. Dieser Schaiblingsturm mit rotem Spitz-Käppi ist heute beliebter Sonnen-Bank-Genussplatz.
Nach Feierabend prägen die Studenten ihr Passau. erstens fast jeden Abend nach Vorlesungsschluss in den vielen Kneipen der Stadt. Und zweitens nach dem Examen, wenn manche Akademiker sich mit gar nicht verkopften, sondern handfesten Geschäftsideen selbständig machen. So entstand zum Beispiel die Idee zum personalisierten und inzwischen weltweit vertriebenen „MyMüsli“in Passau.
Weitere Informationen: www.passau.de/Tourismus