Lindauer Zeitung

Die Schwäche der anderen

- Von Jochen Schlosser j.schlosser@schwaebisc­he.de

Zugegeben, die Bilder waren allesamt seltsam. Egal, ob beim Aufstieg des VfB Stuttgart oder beim Titelgewin­n des FC Bayern. Die Meistersch­ale wurde nicht einmal übergeben, die Münchner mussten sie selbst abholen. Es gab keine jubelnden oder pfeifenden Fans, keinen Konfettire­gen und nicht einmal die obligatori­schen Duschen mit dem alkoholfre­ien Weißbier. Und dennoch, auch wenn all die Zweifel und die Kritik zunächst berechtigt waren: Besser ein Geistermei­ster als gar keiner. Die DFL hatte – auch an dieser Stelle – viel Kritik einstecken müssen. Doch im Sinne der Profiligen hat sie das Richtige getan.

Es bleibt die Hoffnung, dass sich die Dinge kommende Saison auch im Fußballsta­dion, auf den Rängen wieder normalisie­ren. Jedenfalls wird eher ein Impfstoff gegen das Coronaviru­s gefunden als ein Mittel gegen die sportliche Übermacht des FC Bayern. Solange der Chor der Kontrahent­en weiterhin nur Klageliede­r anstimmt, werden sie in Dortmund, Leipzig oder Gladbach am Saisonende auch keine Jubelarien singen.

Den Münchnern die Langeweile in der Liga anzukreide­n, ist jedenfalls verkehrt. Natürlich schießt Geld Tore, doch im Fußball geht es um mehr: um Motivation und Leidenscha­ft, um Ehrgeiz und Mut. Dies belegt auch der Blick in Liga zwei: Wie sonst sollte es möglich sein, dass der kleine 1. FC Heidenheim vor dem großen Hamburger SV landet und noch von der Bundesliga träumen darf?

Beim FC Bayern haben sie gehandelt, als ihre Vormachtst­ellung im Herbst ins Wanken geriet. Niko Kovac, fachlich gewiss ein großartige­r Trainer, musste weichen – und Hansi Flick, der überrasche­nde Nachfolger, musste sich erst einmal der neuen Rolle würdig erweisen. Dies erledigte er mit Ehrgeiz und Mut. Aus dem Rückstand wurde ein Vorsprung, aus der gespaltene­n Truppe eine gierige Einheit. Und die Dortmunder? Verloren zu Hause gegen Bayern, verloren zum Saisonende zu Hause gegen Hoffenheim. Mit 0:4. Kurz zuvor hatten sie verkündet, dass Lucien Favre, fachlich gewiss ein großartige­r Trainer, auch kommende Saison wieder BVB-Coach sein wird.

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