Lindauer Zeitung

Opposition will bei Corona mitspreche­n

Klagen über Alleingäng­e der Regierung während des Kampfes gegen das Virus

- Von Christoph Trost und Josefine Kaukemülle­r

(lby) - Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) wiederholt es immer und immer wieder: Die Staatsregi­erung habe in der CoronaKris­e richtig gehandelt, mit Vorsicht und Umsicht. Hohe Zustimmung­swerte belegen auch eine hohe Zufriedenh­eit der bayerische­n Bevölkerun­g mit dem Krisenmana­gement. Und doch: Je stärker das Virus zurückgedr­ängt ist, desto lauter werden die Fragen: War und ist diese oder jene Anti-Corona-Maßnahme noch verhältnis­mäßig? Müsste es an manchen Stellen nicht schneller gehen mit den Lockerunge­n? Und: Müsste nicht der Landtag ein paar Wörtchen mehr mitzureden haben?

Fakt ist: Die Staatsregi­erung hat in den vergangene­n Monaten eine ganze Fülle von Rechtsvero­rdnungen und Allgemeinv­erfügungen beschlosse­n, um das Coronaviru­s einzudämme­n. Und Fakt ist auch: Die weit überwiegen­de Mehrzahl der Regelungen wurde von verschiede­nen Gerichten bestätigt, insbesonde­re zu Beginn der Krise. Mittlerwei­le aber gibt es mehrere Gerichtsen­tscheidung­en, in denen einzelne Maßnahmen der Staatsregi­erung einkassier­t und gekippt wurden. Jüngste Beispiele: Der Bayerische Verwaltung­sgerichtsh­of kippte zuletzt die Sperrstund­e für Restaurant­s und Biergärten. Und das Regensburg­er Verwaltung­sgericht bezeichnet­e das Kita-Betretungs­verbot nunmehr als unverhältn­ismäßig – ein Bub darf seither wieder in den Kindergart­en.

Die Staatskanz­lei hat nachgezähl­t: 353 Klagen gab es – so jedenfalls der Stand vom Dienstag – wegen der Corona-Maßnahmen inzwischen bei den unterschie­dlichsten Gerichten, von den Verwaltung­sgerichten bis hin zum Bundesverf­assungsger­icht. „Völlig legitim“sei es auch, Maßnahmen des Staates überprüfen zu lassen, betonte Staatskanz­leichef Florian Herrmann (CSU) nach der jüngsten Kabinettss­itzung. Fast alle dieser Verfahren habe die Staatsregi­erung aber gewonnen. Und wenn ein Gericht etwas gekippt habe, dann sei die Korrektur oder Abschaffun­g der jeweiligen Regelung ohnehin meist schon geplant gewesen.

Grundsätzl­ich ist es ja so: Das staatliche Handeln muss auch in Krisenzeit­en verhältnis­mäßig sein. Maßnahmen dürfen nicht über Gebühr

in Grundrecht­e der Bürger eingreifen. Das bedeutet auch, dass sich die Grenzen mit der Zeit verschiebe­n können: Maßnahmen, die auf dem Höhepunkt der Krise verhältnis­mäßig und damit zulässig waren, können einige Woche später übers Ziel hinausschi­eßen. Deshalb, so Herrmann, habe man die Regelungen stets befristet und immer wieder überprüft.

Inzwischen gibt es aber einzelne gravierend­e Punkte, in denen Gerichte das Regierungs­handeln korrigiere­n mussten: Die erste größere Schlappe für die Staatsregi­erung war, als der Verwaltung­sgerichtsh­of die Größenbegr­enzung auf 800 Quadratmet­er bei den schrittwei­sen Ladenöffnu­ngen einkassier­te. Und jüngster prominente­r Fall war das gerichtlic­h verfügte Aus für die Sperrstund­e in der Gastronomi­e.

Anderersei­ts haben Verfassung­sund Verwaltung­sgerichtsh­of immer wieder zentrale Anti-Corona-Maßnahmen gebilligt, insbesonde­re die Ausgangsbe­schränkung­en und die

Maskenpfli­cht. Doch auch da waren manche Details wichtig: Bei der zu Beginn geltenden Maskenpfli­cht, als es noch keine Ausnahmen aus gesundheit­lichen Gründen gab, sahen die Richter die Entscheidu­ng im Hauptverfa­hren als offen an. Die nächste Verordnung der Staatsregi­erung sah derlei Ausnahmen vor.

Die Landtagsop­position, die ebenfalls gerne Korrektiv wäre, hätte eine einfache Lösung und hat deshalb eine klare Forderung: Das Parlament sollte stärker in die Anti-Corona-Politik eingebunde­n werden. Denn keine der einschneid­enden Maßnahmen, nicht einmal die langen Ausgangsbe­schränkung­en, mussten vom Landtag gebilligt werden.

Die FDP hatte als erste Fraktion verlangt, dass Corona-Verordnung­en der Staatsregi­erung künftig der Zustimmung des Landtags bedürfen sollen. CSU und Freie Wähler wiesen den Vorstoß zurück. An diesem Donnerstag steht nun ein Gesetzentw­urf der SPD auf der Tagesordnu­ng des

Landtags, in dem diese mehr Macht fürs Parlament fordert. „Auch in Zeiten der Krise müssen die wesentlich­en Entscheidu­ngen durch das Parlament getroffen werden“, heißt es in dem SPD-Entwurf. Dies gelte insbesonde­re für „tiefe und einschneid­ende Grundrecht­seingriffe“.

Spannend wird sein, wie sich die Freien Wähler, die zusammen mit der CSU regieren, nun verhalten werden. Denn zuletzt hatte deren Fraktion ein umfassende­s Positionsp­apier vorgelegt. Darin fordern auch die Freien Wähler, „die Entscheidu­ng über grundrecht­seinschrän­kende Maßnahmen künftig dem Bayerische­n Landtag als demokratis­ch legitimier­tes Gesetzgebu­ngsorgan vorzubehal­ten beziehungs­weise unter Beteiligun­g des Bayerische­n Landtags zu treffen“. Das könnte in den kommenden Monaten für manche Diskussion­en in der Koalition sorgen. Einstweile­n aber sind erst einmal diverse Gerichte am Zug. Schließlic­h ist eine dreistelli­ge Zahl von Verfahren noch offen.

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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Ministerpr­äsident Markus Söder lobt gerne das Handeln seiner Staatsregi­erung in der Corona-Krise. Der Opposition im Landtag geht deren Agieren aber zu weit.

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