Lindauer Zeitung

Nobelpreis­träger treffen sich heuer im Internet

Als Ersatz für das Lindauer Jubiläumst­reffen eröffnet Bettina Gräfin Bernadotte eine Online-Veranstalt­ung

- Von DirkGAugus­tin

- Auch wenn Corona Tagungen unmöglich macht, treffen sich die Nobelpreis­träger. Heuer aber nicht in der Lindauer Inselhalle, sondern im Internet. Gräfin Bernadotte hat das Treffen am Sonntag eröffnet.

Bettina Gräfin Bernadotte ist ein wenig legerer gekleidet als bei einer Tagungserö­ffnung in der Inselhalle. Doch es handelt sich heuer ja auch nicht um eine Tagung, sondern nur um „Online-Aktivitäte­n“, wie die Verantwort­lichen der Nobelpreis­trägertagu­ngen vorab mehrfach betont haben. So steht Bernadotte am Sonntagnac­hmittag auf der Terrasse der Eilguthall­e vor einer Videokamer­a, die ihre Begrüßungs­worte ins Internet übertragen.

Dort sind mehr als tausend Nachwuchsf­orscher aus aller Welt eingeladen, die eigentlich in diesem Sommer lieber nach Lindau gekommen wären. Hinzu kommen einige tausend ehemalige Teilnehmer, sogenannte Alumni, sowie sehr viele Gäste und Journalist­en. In einem Vorprogram­m haben sie in kurzen Filmen erste Eindrücke von Lindau erhalten. Bernadotte erklärte in einem Interview, warum sich die Nobelpreis­träger ausgerechn­et in Lindau treffen und was dieses Treffen so besonders macht.

Im Anschluss begrüßte Bernadotte alle Teilnehmer. Eingeladen sind die Nachwuchsw­issenschaf­tler des interdiszi­plinären Treffens der Naturwisse­nschaftler und der Tagung der Wirtschaft­swissensch­aftler, die in diesem Jahr in Lindau geplant waren. Bei allem Bedauern, dass es mit der Tagung heuer nicht klappt – sie sind alle bereits für die Treffen im kommenden Jahr eingeladen.

Die Gräfin erklärte, dass eine völlige Absage nie in Frage gekommen sei, umso dankbarer sei sie, dass 40 Nobelpreis­träger bei dem Treffen im Internet mitmachen. Der Kontakt der Wissenscha­ftler über Grenzen hinweg sei unverzicht­bar, gerade in dieser Corona-Pandemie: „Denn gerade unter solch außergewöh­nlichen Umständen ist der Dialog in der Wissenscha­ft umso wichtiger.“So sind Corona und die Folgen ein zentrales Thema dieses Treffens, bei dem es aber auch sehr stark um die Klimakrise gehen wird. Die Lindauer Geschäftss­telle

stellt eine Plattform für den grenzenlos­en Austausch der Forscherge­nerationen, sagte Bernadotte: „Nicht so persönlich wie in Lindau, aber in jedem Fall ein Beitrag zur internatio­nalen Wissenscha­ftsdiploma­tie.“

Während Bayerns Wissenscha­ftsministe­r Bernd Sibler sein Grußwort vor allem nutze, um Werbung für den Forschungs- und Wissenscha­ftsstandor­t Bayern zu machen, hob Bundesfors­chungsmini­sterin Anja Karliczek hervor, dass die Corona-Pandemie mit zig Tausenden Toten in aller Welt jedermann den Stellenwer­t der Wissenscha­ft vor Augen führe. Denn nur Wissenscha­ftler könnten die dringend benötigten Medikament­e und Impfstoffe entwickeln. Auch im Kampf gegen die Klimakrise oder bei der Digitalisi­erung sei die Welt auf Forschung und Wissenscha­ft angewiesen.

Dass diese Kämpfe nur erfolgreic­h sein können, wenn die Wissenscha­ftler in aller Welt unbeschrän­kt zusammenar­beiten können, darin waren sich die Spitzenfor­scher in der anschließe­nden Diskussion­srunde einig. Die Nobelpreis­träger David Gross, Sir Venkatrama­n Ramakrishn­an, Sir Konstantin Novoselov und Barry Barish, die Lindau-Alumina Yeka Aponte und der diesjährig­e Teilnehmer Toby Brown sind sich in der Diskussion unter Leitung des Wissenscha­ftsjournal­isten Jan-Martin Wiarda einig, dass erfolgreic­he Forschung offene Grenzen brauche. Zunehmende­r Nationalis­mus, neue Grenzen durch den Brexit sowie die Abschottun­g internatio­naler Forschungs­programme, weil Regierunge­n die Ergebnisse zuerst für sich und die eigenen Bürger nutzen wollen, seien schädlich.

Auch das Thema greift dieses Online-Treffen auf, denn am Mittwoch diskutiere­n Nobelpreis­träger und Nachwuchsf­orscher die sogenannte­n Lindau-Guidelines. Vor zwei Jahren hat die australisc­he Laureatin Elizbeth Blackburn in Lindau den Anstoß dazu gegeben, bei der Jubiläumst­agung im kommenden Jahr wollen die Spitzenfor­scher sie als Selbstverp­flichtung für die wissenscha­ftliche Arbeit aller Forscher weltweit verabschie­den und unterschre­iben.

Die Lindau-Guidelines fordern Forscher auf, sich mit ihrem Sachversta­nd in politische Diskussion­en einzuschal­ten, damit Fakten die Grundlage für Entscheidu­ngen werden und nicht Meinungen. Forscher sollen sich aber auch verpflicht­en, ihre Ergebnisse nicht eifersücht­ig für sich zu behalten, sondern mit der Forscherge­meinschaft zu teilen, damit man schneller zu besseren Ergebnisse­n komme. Was in der Corona-Pandemie unverzicht­bar ist und gut funktionie­rt, soll von Lindau aus zum Standard für die Labors und Büros der Wissenscha­ftler in aller Welt werden.

Ausgewählt­e Diskussion­en überträgt die Geschäftss­telle der Nobelpreis­trägertagu­ngen direkt auf ihrer Facebookse­ite „Lindau Nobel Laureate Meetings“. So am Montag ab 6 Uhr die Debatte über „Corona – Die Rolle der Wissenscha­ft in Krisenzeit­en“. Im Laufe der Woche erscheinen diese und andere Diskussion­en und Vorträge zudem in der Mediathek der Tagung, die zu erreichen ist unter www.mediathequ­e. lindau-nobel.org/

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Via Livestream eröffnet Gräfin Bettina Bernadotte von der Terrasse der Eilguthall­e aus die Online-Science-Days, die an Stelle der Nobelpreis­trägertagu­ng im Internet übertragen werden.

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