Licht am Horizont
Pandemiefolgen machen Allgäuer Betrieben zu schaffen – Warum Touristiker mit dem Virus neue Chancen verbinden
- Die Corona-Pandemie macht der Allgäuer Wirtschaft schwer zu schaffen – dennoch gibt es klare Signale, dass die meisten Unternehmen diese schwierige Phase meistern werden. Das ist zumindest die Einschätzung der Industrieund Handelskammer (IHK) im Allgäu. „Der breite Branchenmix und der gesunde Mittelstand sorgen bei uns auch in turbulenter Zeit für Stabilität“, sagte Markus Brehm (Vorsitzender der Regionalversammlung Kempten-Oberallgäu) gestern bei einer IHK-Pressekonferenz in Kempten.
Schönfärberei wollte Brehm gleichwohl nicht betreiben: Die Arbeitslosenquote im Allgäu sei zwischen März und Mai von 2,6 auf 3,5 Prozent geklettert, 70 Prozent der Betriebe hätten Kurzarbeit angemeldet. Um die Rückschläge durch die Pandemie zu verdauen, brauchten die Unternehmen voraussichtlich zwei Jahre.
„Corona hat nach wie vor gravierende Auswirkungen auf unsere Wirtschaft“, ergänzte Regionalgeschäftsführer Markus Anselment. Dies betreffe nicht nur Tourismus, Einzelhandel und Logistik, sondern auch das produzierende Gewerbe. „Die Lieferketten waren zwei, drei Monate komplett unterbrochen, die Exportmärkte haben mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen.“
Anselment sah dennoch Licht am Horizont: Es gebe bislang keine Hinweise für einen Anstieg von Insolvenzen – weder in den Bereichen Kempten-Oberallgäu und Kaufbeuren-Ostallgäu noch im Raum Memmingen. Für eine belastbare Bestandsaufnahme sei es aber deutlich zu früh.
Dass Corona die Stimmung unter den etwa 50000 IHK-Mitgliedsbetrieben im Allgäu schwer getrübt hat, macht die im Mai durchgeführte Konjunkturumfrage der Kammer deutlich. Laut Anselment rechnen 70 Prozent der 445 befragten Betriebe mit einem Umsatz-Rückgang. Details stellte Peter Leo Dobler (Regionalverantwortlicher KaufbeurenOstallgäu) vor.
Demnach beurteilen rund 40 Prozent der Betriebe ihre Lage als schlecht (Vorjahr: neun Prozent), knapp ein Drittel bewertet die eigene Situation als positiv. 35 Prozent der Unternehmen im Raum KaufbeurenOstallgäu blicken mit Sorge in die Zukunft, im Raum Kempten-Oberallgäu sind es sogar 50 Prozent.
Ähnliche Zahlen gibt es im Raum Memmingen.
Großes Lob gab es von den IHKVerantwortlichen für das Sofortprogramm von Bund und Freistaat: So hätten staatliche Kredite den Betrieben mehr Liquidität verschafft. Noch wichtiger sei aber das Instrument der Kurzarbeit gewesen, das von 7000 Allgäuer Unternehmen mit zusammen fast 100 000 Arbeitsplätzen genutzt wurde.
Hier appellierte Dobler an die Politik, die Laufzeit von 18 auf 24 Monate auszudehnen. IHK-Vizepräsident Gerhard Schlichtherle erinnerte an weitere IHK-Forderungen wie die Senkung der Umsatzsteuer, die Reduzierung der Energiekosten sowie konsequente Investitionen in die Digitalisierung, speziell im Bereich der Schulen.
„Gerade jetzt darf der Staat seine Investitionen nicht zurückfahren“, mahnte Schlichtherle. Dies gelte auch für Projekte wie den vierspurigen B-12-Ausbau.
Auf einen Nachholeffekt bei der Einstellung neuer Azubis hoffte Markus Brehm. Aktuell hinke die Zahl der Ausbildungsverträge gegenüber dem Vorjahreszeitraum um etwa 20 Prozent hinterher. Wenn ein Unternehmen ums Überleben kämpfe, gerate die Ausbildungsplanung naturgemäß in den Hintergrund.
Das Sonderprogramm der Regierung, das für einen neuen Ausbildungsvertrag 2020/21 einen Bonus von bis zu 3000 Euro vorsieht, könne hier Anreize setzen. „Die Ausbildung und der Kampf gegen den Fachkräftemangel bleiben für uns elementares Thema“, betonte Brehm.
Er schlug vor, zur Ankurbelung der Wirtschaft befristet zusätzliche verkaufsoffene Sonntage zu erlauben. Sollten Infektionszahlen wieder steigen, gelte es generell lokal statt landesweit zu reagieren.
Dass das Coronavirus punktuell auch eine Chance bedeute, erläuterte Robert Frank (Oberstdorf), Hotelier und Vizepräsident der IHK Schwaben. „Weil der Auslandsurlaub nicht klappt, kommen jetzt viele Gäste zu uns, die noch nie im Allgäu waren“, so Frank.
Die aktuellen Buchungszahlen ließen auf eine gute Sommersaison schließen, obwohl die Betriebe durch die erst jüngst erlaubte Öffnung der Wellnessbereiche gegenüber Tirol oder Baden-Württemberg benachteiligt seien.
Die Corona-Zwangspause habe bei vielen Betrieben tiefe Spuren hinterlassen, sagt Robert Frank und fügt hinzu: „Und auch in nächster Zeit fehlen durch fehlende Familienfeiern und Großveranstaltungen wichtige Einnahmen.“