Lindauer Zeitung

Für Viertkläss­ler aus zehn Schulen fällt Radprüfung aus

Dabei hat das Kultusmini­sterium die Fahrradprü­fung für Viertkläss­ler wieder erlaubt

- Von Yvonne Roither

- Die Eltern der Viertkläss­ler aus Oberreitna­u haben sich für ihre Kinder abgestramp­elt, doch jetzt scheint alles umsonst gewesen zu sein. Obwohl das Kultusmini­sterium die Fahrradprü­fung für Viertkläss­ler wieder erlaubt, soll sie ausfallen. Der Grund: Die Lindauer Polizei hat zu wenig Zeit und Kapazitäte­n, um alle Kinder entspreche­nd zu unterricht­en. Somit gehen zehn Schulklass­en aus Lindau und Umgebung ohne Wimpel aus der Grundschul­e.

Die erste schlechte Nachricht kam bereits per Elternbrie­f vor den Pfingstfer­ien: Die Radprüfung fiel Corona zum Opfer. „Mein Sohn war ganz fertig“, sagt Christina Stegmaier. Das Verbot sei auch bei vielen Eltern auf Unverständ­nis gestoßen. Da die Kinder im Freien radeln und der Mindestabs­tand auf dem Rad problemlos einzuhalte­n sei, schätzten sie die Ansteckung­sgefahr als gering ein.

Die Eltern sorgen sich indes um die Sicherheit ihrer Kinder im Straßenver­kehr. Die Prüfung gehöre nicht umsonst zum Pflichtleh­rprogramm der Viertkläss­ler. Schließlic­h sind viele von ihnen künftig mit dem Rad zu den weiterführ­enden Schulen unterwegs.

Einige Eltern schrieben daher ans Kultusmini­sterium – und bekamen zunächst allesamt dieselbe Musterantw­ort. Das Ministeriu­m bat um Verständni­s, dass die Fahrradprü­fung „aus Gründen des Infektions­schutzes“in den verbleiben­den Wochen des Schuljahre­s nicht mehr zu machen sei. Praktische Übungen seien weder auf dem Schulgelän­de noch bei einer Jugendverk­ehrsschule erlaubt.

Das Ministeriu­m versprach, dass in Unterricht­seinheiten der tote Winkel besprochen werde, und verwies aufs digitale Lernen. Verkehrser­ziehung könnte „in geeigneter Weise auch für das Lernen zu Hause 3.0 aufbereite­t und praxisnah in Verantwort­ung der Familien eingeübt werden“, hieß es in dem Antwortsch­reiben.

„Nur über den toten Winkel zu reden, bringt es nicht“, sagt Stegmaier. Und sie gibt zu bedenken, dass eine Prüfung von offizielle­r Seite eine ganz andere Wirkung auf die Kinder habe, als nur mit den Eltern zu üben.

Christina Stegmaier ärgert sich, dass es die Mädchen und Buben, die jetzt wochenlang disziplini­ert daheim waren, nun schon wieder trifft. „Die Kinder lässt man einfach unter den Tisch fallen. Von sozialer Gerechtigk­eit kann ich hier nichts sehen.“

Doch die Eltern gaben nicht auf. Sie baten auf Facebook um Unterstütz­ung, und viele waren bereits ihnen zu helfen. Sie bekamen in Aussicht gestellt, den Verkehrsüb­ungsplatz für die Fahrschule­n nutzen zu können. Sogar Schilder wollte jemand besorgen, falls die Viertkläss­ler einen „leeren Platz“zum Üben fänden.

Mit den schrittwei­sen Lockerunge­n wuchs die Hoffnung, dass davon auch die Radprüflin­ge profitiere­n könnten. Auf die Anfrage der LZ, warum Menschen in Sportstudi­os an denselben Geräten trainieren, Kinder aber nicht im Freien auf ihrem eigenen Rad fahren dürfen, gab Julia Kuntz, Sprecherin des bayerische­n

Kultusmini­steriums bekannt: „Wir wollen, dass die Jugendverk­ehrsschule und die Fahrradprü­fungen schnellstm­öglich wieder stattfinde­n. Die erforderli­chen Hygieneauf­lagen stehen unmittelba­r vor der Fertigstel­lung.“

Am 22. Juni wurden die Schulen dann darüber informiert, „dass angesichts der positiven Entwicklun­g des Infektions­geschehens und des neuen Hygienepla­ns die praktische Radfahraus­bildung inkl. der Radfahrprü­fung

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

in Jahrgangss­tufe vier grundsätzl­ich wieder möglich sind.“

Für zehn Schulen aus dem unteren Landkreis kommt diese Entscheidu­ng vermutlich zu spät. Denn die Lindauer Polizei habe keine Kapazitäte­n, um die ansonsten zweieinhal­b Tage Unterricht und die „Realfahrt“regulär für alle Viertkläss­ler anzubieten. „Es kann nicht sein, dass ich in 20 Tagen das mache, was ich sonst in 40 Tagen mache“, sagt Michael Martini, Verkehrser­zieher der Polizei. Erschweren­d komme hinzu, dass die Klassen geteilt sind und somit viele Kleingrupp­en unterricht­et werden müssten.

Sechs Schulen hätten bereits mit der Verkehrssc­hule begonnen, vier andere noch nicht. Um allen gerecht zu werden, habe sich Martini dazu entschiede­n, jeder Gruppe an einem Vormittag auf dem Verkehrsüb­ungsplatz eine „Grundausbi­ldung“zu ermögliche­n. „Wer hier den einen Tag aufpasst, hat zwar keine Urkunde und Wimpel, hat aber trotzdem was fürs Leben mitgekrieg­t“, ist sich Martini sicher.

Das Angebot der Eltern, mit den Kindern nach dieser Grundausbi­ldung selbst zu üben und dann zur Prüfung anzutreten, lehnt Martini ab. Er könne nur das prüfen, was er selbst den Kindern beigebrach­t habe. Die Prüfung könne auch nicht verschoben werden, weil dann die nächsten Viertkläss­ler nachrückte­n. Man müsse, so Martini, jetzt einsehen, „dass es für die Kinder dumm gelaufen ist“.

Christina Stegmaier und die anderen engagierte­n Eltern trifft das hart. „Wir sind am Boden zerstört“, sagt Stegmaier. Dass ihre Kinder jetzt, wo die Fahrradprü­fung prinzipiel­l wieder erlaubt sei, doch noch leer ausgehen, sei für die Eltern ein noch „härterer Schlag“als das anfänglich­e generelle Verbot.

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ARCHIVFOTO: DPA/RALF HIRSCHBERG­ER Viele Schüler in Lindau und Umgebung dürfen heuer die Fahrradprü­fung nicht ablegen.

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