Macrons grüne Neuerfindung
Nach dem Debakel seiner Partei bei den Kommunalwahlen umwirbt der französische Präsident die Wählerschaft der überraschend erfolgreichen Ökopartei
- Breit lächelnd ging Emmanuel Macron über den sorgfältig gestutzten Rasen hinter dem ElyséePalast auf sein Publikum zu. Der französische Präsident wirkte nach dem Debakel seiner Partei in der zweiten Runde der Kommunalwahlen entspannt und gut gelaunt. Er hatte den Tag nach der Stichwahl um die Rathäuser ausgesucht, um die letzte Phase seiner Amtszeit einzuleiten. Es soll eine „grüne“Phase sein, wie Macron in seiner Rede vor den 150 Vertretern der Bürgerkonvention für das Klima deutlich machte. Die zufällig ausgewählten Bürger hatten ihm vor einer Woche eine ganze Liste radikaler Vorschläge für den Klimaschutz vorgelegt. Fast alle davon will der Staatschef nun umsetzen. Das ökologische Engagement des 42-Jährigen ist kein Zufall: Die Kommunalwahlen hatten einen überwältigenden Erfolg der Grünen ergeben, die in allen Großstädten bis auf Paris nun im Rathaus regieren.
Nicht nur Lyon und Straßburg, sondern auch die jahrzehntelange konservative Bastion Bordeaux fiel an Europe Écologie Les Verts (EELV). Der Erfolg der Öko-Partei war allerdings nur durch die Unterstützung der Sozialisten möglich. Sozialistenchef Olivier Faure, dessen
Kandidatin Anne Hidalgo in Paris haushoch gewann, sprach bereits von einem neuen „sozial-ökologischen Block“. „Rund um die Ökologie entsteht eine neue Dynamik“, sagte der Meinungsforscher Bernard Sananès der Zeitung „Le Parisien“. „Man muss mit der ökologischen Linken im Rennen um den Elysée rechnen.“Bisher wird bei der Präsidentschaftswahl 2022 eine Neuauflage des Duells von Macron gegen die Rechtspopulistin Marine Le Pen erwartet.
Macrons Partei La République en Marche (LREM) hatte sich im Wahlkampf
klar gegen eine grün-rote Allianz positioniert und in Städten wie Bordeaux und Straßburg ein Bündnis mit den konservativen Republikanern geschmiedet – allerdings ohne Erfolg. Nun will Macron selbst mit einem stärker ökologischen Profil die grünen Wähler zurückholen. Er nutzte dafür den Bürgerrat, den er nach den Protesten der „Gelbwesten“ins Leben gerufen hatte, um mehr Bürgerbeteiligung zu ermöglichen. Von den 149 Empfehlungen, die das Bürgerforum ihm vorlegte, will Macron bis auf drei alle übernehmen. Den heikelsten Vorschlag, ein
Tempolimit von 110 Stundenkilometern auf den Autobahnen, will der Präsident aber erst einmal vertagen. Die Klimaschutzmaßnahmen dürften niemanden benachteiligen, vor allem nicht die auf dem Land lebenden Franzosen, sagte er zur Begründung. Gleichzeitig kündigte er aber einen Fonds über 15 Milliarden Euro an, der in den Plan zum Wiederaufbau der Wirtschaft nach der CoronaPandemie integriert werden soll. „Es ist Zeit zu handeln“, sagte der Staatschef. Über einige der Maßnahmen könnten die Franzosen 2021 in einem Referendum abstimmen.
Umweltpolitiker nahmen die Ankündigungen vorsichtig auf. „Der Präsident hat schon viele schöne Worte ausgesprochen, ohne dass Taten folgten“, sagte die frühere Umweltministerin Corinne Lepage im Fernsehsender BFMTV.
Macron hatte auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie im April angekündigt, sich neu erfinden zu wollen. Neben einer Neuausrichtung seiner Umweltpolitik gehört dazu auch eine Regierungsumbildung. Dass er dabei auch seinen Regierungschef Edouard Philippe auswechselt, ist eher unwahrscheinlich. Der beliebte 49Jährige, der nicht Macrons LREM angehört, hatte am Sonntag die Bürgermeisterwahl in der Hafenstadt Le Havre unerwartet klar gewonnen.