Lindauer Zeitung

Kampf um Stimmen in einem gespaltene­n Land

Wer in der Stichwahl polnischer Präsident werden will, braucht die Wähler der ausgeschie­denen Kandidaten

- Von Doris Heimann

(dpa) - Die erste Runde der polnischen Präsidente­nwahl hat zwar noch keine Entscheidu­ng über ein neues Staatsober­haupt gebracht, aber die tiefe politische Spaltung in Deutschlan­ds Nachbarlan­d erneut offenbart. Am Sonntagabe­nd machte Staatsober­haupt Andrzej Duda von der nationalko­nservative­n Regierungs­partei PiS dazu eine interessan­te Bemerkung: Die Wahlbeteil­igung bei allen Abstimmung­en habe sich erhöht, seit er Präsident sei. Tatsächlic­h beteiligte­n sich an der Wahl am Sonntag trotz der Corona-Pandemie laut Prognosen gut 64 Prozent der rund 30 Millionen Wahlberech­tigten – einer der höchsten Werte seit dem Ende des Kommunismu­s. Eine neue Faszinatio­n für Politik dürfte aber nicht der entscheide­nde Grund sein.

Die Prognosen nach dieser ersten Präsidente­nwahl in einem EU-Land seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie deuten auf ein erstaunlic­h vorhersehb­ares Ergebnis hin: 42,9 Prozent der Stimmen entfielen auf Duda, 30,3 Prozent auf seinen Konkurrent­en vom liberalkon­servativen Opposition­sbündnis Bürgerkoal­ition (KO), den Warschauer Oberbürger­meister Rafael Trzaskowsk­i. Beide werden in einer Stichwahl am 12. Juli aufeinande­rtreffen.

Die Wahl hat einmal mehr verdeutlic­ht, dass in Polen zwei Gesellscha­ften neben- und gegeneinan­der leben. Die Menschen im Süden und Osten sowie in den Dörfern und Kleinstädt­en gaben ihre Stimme Duda. Die Politik der PiS kommt bei ihnen an: Die Einführung von Sozialleis­tungen wie Kindergeld und 13. Rentenzahl­ung, das Bewahren eines erzkonserv­ativen Familienbi­ldes, die schon pathologis­che Angst vor sexuellen Minderheit­en – und nicht zuletzt die autoritär-nationalis­tischen Tendenzen der Partei.

Warschaus Stadtobers­ter Trzaskowsk­i fand seine Unterstütz­er hauptsächl­ich in den Großstädte­n, im Westen und im Norden des Landes. Die Menschen dort sind aufgeschlo­ssen für Fortschrit­t und Wandel, sie wollen, dass Polen in der EU mitzieht, statt sich querzustel­len. Vehement kämpfen sie für ein Ende des Machtmonop­ols der PiS.

Von einem „polnisch-polnischen Krieg“spricht angesichts dieser Spaltung der Politologe Antoni Dudek. „Die Polarisier­ung zwischen PiS und KO ist ein Mobilisier­ungsfaktor für die Wähler.“Kandidaten, die versöhnlic­he Botschafte­n verbreiten, seien gar nicht gewünscht.

Einer, der das versucht hat, ist Szymon Holownia. Der katholisch­e Publizist trat als unabhängig­er Kandidat mit einem christdemo­kratischen Programm an. Laut Prognosen landete er mit 14 Prozent auf dem dritten Platz. Holownias Anhänger tendieren gegen die PiS, in der Stichwahl könnten sie Trzaskowsk­i den entscheide­nden Vorsprung vor Duda bringen.

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FOTOS: DPA/IMAGO IMAGES Andrzej Duda (l.) und Rafal Trzaskowsk­i.
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