Ein mobiler Mann des späten Mittelalters
Chris Inken Soppas Romanbiografie über den Konstanzer Kaufmann Lütfried Muntprat erzählt von einem abenteuerlichen Leben
Das Buch „Der große Muntprat“ist ein saftiger, spannender und lehrreicher Roman. Lütfrid Muntprats Leben ist abenteuerlich und erfahrungsreich. Da gibt es zum einen die Herkunft in der Bodenseeregion. Aber schon als Fünfzehnjähriger ist er Lehrling in der Muntpratschen Handelsniederlassung in Barcelona. Im Laufe seines Lebens als Kaufmann kommt er zwischen Perpignan und Venedig, Korsika und Brügge herum. Er ist mit anderen Sprachen, Religionen und Sitten konfrontiert. Er steht im Mittelpunkt einer weit verzweigten Familie, die ihn in Traditionen zwängt und in der er manche Konflikte lösen muss.
Breiten Raum nehmen das Gefühlsund Familienleben ein, die Sexualität in verschiedenen Formen, die Sorge für eheliche und uneheliche Kinder. Dann spielt auch die Politik eine große Rolle: Muntprat gerät als der reichste Konstanzer in die politischen Konflikte zwischen den an Traditionen orientierten Zünften und modern agierenden Patriziern wie Seinesgleichen, wird zeitweise angefeindet oder darf die politischen Geschäfte als Bürgermeister leiten. Geschäftlich und verwandtschaftlich verbunden ist er den Familien Humpis und Mötteli in Oberschwaben.
Über Lütfrid Muntprat gibt es überlieferte Unterlagen wie Rechnungen, Geschäftsberichte, Akten der politischen Aktivitäten, Kaufverträge und ein Testament. Und es gibt eine umfangreiche Forschungsliteratur. Chris Inken Soppa liefert alles, was man aus den Quellen wissen kann, im Anhang nach: eine chronologische Biografie, ein Quellenverzeichnis und ein paar Abbildungen. Und sie fügt ein „Glossar“bei, ein
Verzeichnis der historisch belegten Orte, Personen und Begriffe. Aber ihre eigentliche Leistung ist das Fleisch über dem Gerippe der Fakten, ihre farbige Lebenserzählung.
Autorin Chris Inken Soppa erzählt chronologisch, in szenischen Kapiteln, in denen stets die Städte, Räume und Landschaften charakterisiert werden. Sie benutzt eine moderne Erzählsprache, schmuggelt aber laufend sprachliche Wendungen aus dem späten Mittelalter ein, um unsere Distanz zu den Konflikten, religiösen Gefühlswelten und dem Lebensalltag des 15. Jahrhunderts deutlich werden zu lassen.
Lütfrid Muntprat führte schon als Lehrling einen Beutel mit sich, in dem er einen tausend Jahre alten „Aureus“von Henggi Humpis aus Ravensburg und zahlreiche andere Mitbringsel auf seinen Lebensweg mitnahm. Als er starb, wurde sein Firmenlogo, ein Baum über dem doppelten „mm“zum Logo der Ravensburger Handelsgesellschaft. Ein empfehlenswerter Lesestoff über einen mobilen Mann des späten Mittelalters für Zeiten der Mobilitätseinschränkungen und darüber hinaus.
Chris Inken Soppa: Der große Muntprat, historische Romanbiografie, 544 Seiten, Südverlag Konstanz, 24 Euro.