Rasche Einigung auf kleineren Bundestag wird unwahrscheinlicher
Zwar hat sich die Union auf einen Vorschlag geeinigt, doch der Koalitionspartner SPD will sich Zeit nehmen
- Eine Einigung des Bundestags auf eine Wahlrechtsreform noch vor der nächste Woche beginnenden parlamentarischen Sommerpause wird immer unwahrscheinlicher: Am Mittwoch blockierten CDU/ CSU und SPD im Innenausschuss die Weiterleitung des bisher einzigen Gesetzentwurfs an den Bundestag. Damit kann der Vorschlag von Grünen, FDP und Linkspartei am kommenden Freitag auch nicht zur Abstimmung gestellt werden. Kommt es zu keiner Einigung, könnte der Bundestag nach der Wahl im Herbst 2021 auf mehr als 800 Abgeordnete anwachsen. In einer Zeit, in der wegen der Corona-Folgen viele Menschen Existenzsorgen haben dürften, könnte das auf wenig Verständnis stoßen.
Aktuell gibt es 709 Parlamentarier – auch das ist schon Rekord. Grund sind Ausgleichsmandate, mit denen das Gesetz Missverhältnisse ausschalten will. Da inzwischen sieben Parteien im Parlament sitzen, nimmt ihre Zahl immer weiter zu. Zwar betonen alle Fraktionen ihren Willen für eine Verkleinerung. Doch seit 2013 gibt es keine Einigung – selbst Vorstöße der Parlamentspräsidenten Norbert Lammert und Wolfgang Schäuble scheiterten.
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, kritisierte, dass die Koalition seit 2013 selbst keine eigenen Initiativen ins Parlament eingebracht hat. „Es wird offenkundig, dass die Koalition
blank und handlungsunfähig ist. Für dieses Aussitzen und Hinhalten haben wir absolut kein Verständnis“, sagte Haßelmann. Der FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle wies auch die aktuellen Vorschläge von der
Unionsseite als „zu spät, zu wenig“und „zu unambitioniert“zurück. „Was die Große Koalition sich beim Wahlrecht leistet, ist eine Farce“, sagte er. Tatsächlich bräuchte die Koalition die Opposition für eine Veränderung
des Wahlrechts eigentlich nicht. Sie könnte einen eigenen Vorschlag durchbringen – wenn sie einen hätte. Zwar hatten sich CDU und CSU am Dienstagabend nach stundenlanger Aussprache auf ein gemeinsames Modell geeinigt. Demnach soll die Zahl der Wahlkreise leicht von derzeit 299 auf 280 reduziert werden, zudem sollen nicht mehr alle Überhangmandate zugeteilt werden. Diese Regelung soll eigentlich ab 2025 gelten, die Union kann sich aber auch ein Vorziehen auf 2021 vorstellen, wenn die SPD mitmacht.
„Wir brauchen eine Einigung noch in dieser Woche“, sagte Unionsfraktionsvize Thorsten Frei am Mittwoch. Die Union habe sich bewegt, nun sei die SPD am Zug. Doch der Koalitionspartner bremst: „In dieser Woche halte ich eine Entscheidung für ausgeschlossen“, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider. Er sei aber zuversichtlich, dass man noch vor der Wahl 2021 zu einer Verständigung komme.
Das ist ein Problem, sollte es zu neuen Wahlkreiszuschnitten kommen. Denn bereits jetzt wurden schon die ersten Kandidaten von der Basis nominiert. Wenn sich die Wahlkreise noch einmal ändern sollten, müssten die Bewerber vielleicht erneut aufgestellt werden.