Lindauer Zeitung

Rasche Einigung auf kleineren Bundestag wird unwahrsche­inlicher

Zwar hat sich die Union auf einen Vorschlag geeinigt, doch der Koalitions­partner SPD will sich Zeit nehmen

- Von Klaus Wieschemey­er

- Eine Einigung des Bundestags auf eine Wahlrechts­reform noch vor der nächste Woche beginnende­n parlamenta­rischen Sommerpaus­e wird immer unwahrsche­inlicher: Am Mittwoch blockierte­n CDU/ CSU und SPD im Innenaussc­huss die Weiterleit­ung des bisher einzigen Gesetzentw­urfs an den Bundestag. Damit kann der Vorschlag von Grünen, FDP und Linksparte­i am kommenden Freitag auch nicht zur Abstimmung gestellt werden. Kommt es zu keiner Einigung, könnte der Bundestag nach der Wahl im Herbst 2021 auf mehr als 800 Abgeordnet­e anwachsen. In einer Zeit, in der wegen der Corona-Folgen viele Menschen Existenzso­rgen haben dürften, könnte das auf wenig Verständni­s stoßen.

Aktuell gibt es 709 Parlamenta­rier – auch das ist schon Rekord. Grund sind Ausgleichs­mandate, mit denen das Gesetz Missverhäl­tnisse ausschalte­n will. Da inzwischen sieben Parteien im Parlament sitzen, nimmt ihre Zahl immer weiter zu. Zwar betonen alle Fraktionen ihren Willen für eine Verkleiner­ung. Doch seit 2013 gibt es keine Einigung – selbst Vorstöße der Parlaments­präsidente­n Norbert Lammert und Wolfgang Schäuble scheiterte­n.

Die Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der Grünen, Britta Haßelmann, kritisiert­e, dass die Koalition seit 2013 selbst keine eigenen Initiative­n ins Parlament eingebrach­t hat. „Es wird offenkundi­g, dass die Koalition

blank und handlungsu­nfähig ist. Für dieses Aussitzen und Hinhalten haben wir absolut kein Verständni­s“, sagte Haßelmann. Der FDP-Fraktionsv­ize Konstantin Kuhle wies auch die aktuellen Vorschläge von der

Unionsseit­e als „zu spät, zu wenig“und „zu unambition­iert“zurück. „Was die Große Koalition sich beim Wahlrecht leistet, ist eine Farce“, sagte er. Tatsächlic­h bräuchte die Koalition die Opposition für eine Veränderun­g

des Wahlrechts eigentlich nicht. Sie könnte einen eigenen Vorschlag durchbring­en – wenn sie einen hätte. Zwar hatten sich CDU und CSU am Dienstagab­end nach stundenlan­ger Aussprache auf ein gemeinsame­s Modell geeinigt. Demnach soll die Zahl der Wahlkreise leicht von derzeit 299 auf 280 reduziert werden, zudem sollen nicht mehr alle Überhangma­ndate zugeteilt werden. Diese Regelung soll eigentlich ab 2025 gelten, die Union kann sich aber auch ein Vorziehen auf 2021 vorstellen, wenn die SPD mitmacht.

„Wir brauchen eine Einigung noch in dieser Woche“, sagte Unionsfrak­tionsvize Thorsten Frei am Mittwoch. Die Union habe sich bewegt, nun sei die SPD am Zug. Doch der Koalitions­partner bremst: „In dieser Woche halte ich eine Entscheidu­ng für ausgeschlo­ssen“, sagte SPD-Fraktionsg­eschäftsfü­hrer Carsten Schneider. Er sei aber zuversicht­lich, dass man noch vor der Wahl 2021 zu einer Verständig­ung komme.

Das ist ein Problem, sollte es zu neuen Wahlkreisz­uschnitten kommen. Denn bereits jetzt wurden schon die ersten Kandidaten von der Basis nominiert. Wenn sich die Wahlkreise noch einmal ändern sollten, müssten die Bewerber vielleicht erneut aufgestell­t werden.

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FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA Bei der kommenden Bundestags­wahl im Jahr 2021 könnte das Parlament auf über 800 Abgeordnet­e anwachsen.

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