Wirecard vor Zerschlagung
Razzien an mehreren Standorten des Unternehmens
- Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen. So sind bei dem insolventen Zahlungsabwickler Wirecard abermals die Ermittler in Mannschaftsstärke angerückt: Dutzende Polizisten, IT-Fachleute und Staatsanwälte durchsuchten am Mittwoch mehrere Gebäude in Deutschland und Österreich. In Österreich wohnt Ex-Vorstandschef Markus Braun ebenso wie der gleichfalls entlassene Vorstand Jan Marsalek, für den ein Haftbefehl besteht. Der allerdings ist offenbar außer Landes abgetaucht.
Die Staatsanwaltschaft in München sagte, dass es bei den Ermittlungen mittlerweile nicht mehr nur um Bilanzfälschung und Marktmanipulation gehe, sondern auch um Betrug. Bereits vor vier Wochen hatte die Staatsanwaltschaft eine Razzia im Fall Wirecard durchgeführt. Nicht nur inhaltlich sind die Ermittlungen ausgeweitet worden. Erweitert hat sich auch der im Visier stehende Personenkreis – und zwar um die beiden noch amtierenden Vorstandsmitglieder Alexander von Knoop und Susanne Steidl. Es gebe möglicherweise aber auch noch mehr Tatverdächtige. Was als Börsenbeben begann und der bislang größte Bilanzskandal im Index der 30 wichtigsten Börsenunternehmen Deutschlands ist, entwickelt sich nun also mehr und mehr zu einem Kriminalfall.
Nachdem in der Bilanz des Konzerns ein Loch von 1,9 Milliarden Euro aufgetaucht ist, musste das Unternehmen aus Aschheim in der Nähe von München in der vergangenen Woche Insolvenz anmelden. Nun kümmert sich der vorläufige Insolvenzverwalter Michael Jaffé um das Unternehmen und schaut im Sinne der Gläubiger, was noch zu retten ist. Investmentbanken seien bereits mandatiert, sich um den Verkauf einzelner Firmenteile zu kümmern. Es hätten sich auch schon „zahlreiche Interessenten weltweit für den Erwerb von Geschäftsbereichen gemeldet“, gab Jaffé bekannt. Die USTochter in Nordamerika hat sich bereits selbst zum Verkauf gestellt, sie sieht sich finanziell unabhängig von der Wirecard AG. Ziel des Insolvenzverfahrens
sei es aber, den Geschäftsbetrieb zu stabilisieren, erklärte Jaffé. Das gelte für die Abwicklung von Kreditkartenzahlungen – etwa für Visa und Mastercard – und für alle übrigen Geschäftsbereiche. „Dazu werden intensive Gespräche mit Kunden, Handelspartnern und den Kreditkartenorganisationen geführt.“
Wirecard wickelt elektronische Zahlungen zwischen Händlern und Kunden ab – und zwar sowohl in der realen Welt als auch online. Vor allem wegen der Technologien wie webbasierte elektronische Zahlungsabwicklungen galt Wirecard als eine der Hoffnungen am deutschen Aktienmarkt. „Gehen Sie mal zum Discounter oder Lebensmittelhändler – dort wurden die Wirecard-Systeme auch benutzt“, sagte Robert Halver, Aktienstratege der privaten Baader Bank, der „Schwäbischen Zeitung“. Mittlerweile wenden sich aber auch erste Kunden von dem Skandalunternehmen ab. So will die Allianz ihre gemeinsam mit Wirecard entwickelte Smartphone-App vom Markt nehmen.
Unterdessen verteidigte BafinChef Felix Hufeld seine Aufsichtsbehörde erneut gegen die Kritik, sie habe bei der Kontrolle versagt. Alles sei rechtmäßig abgelaufen, sagte Hufeld Teilnehmern zufolge im BundestagsFinanzausschuss. Die Behörde sei nur für die Wirecard-Bank, nicht das gesamte Unternehmen zuständig gewesen.