Kurz nach Benedikts Besuch
Trauer um Georg Ratzinger, den Bruder des emeritierten Papstes
(KNA/dpa) - Gerade noch hat ihn sein Bruder, der emeritierte Papst Benedikt XVI., besucht. Jetzt ist Georg Ratzinger gestorben. Ob seine Domspatzen für ihn zum Abschied singen können, ist noch unklar – ebenso, ob Benedikt anreisen wird.
Der langjährige Leiter der Regensburger Domspatzen und drei Jahre ältere Bruder des früheren Papstes ist am Mittwoch im Alter von 96 Jahren gestorben. Dass Ratzinger im Sterben lag, war bekannt geworden, als Benedikt vor zwei Wochen überraschend aus dem Vatikan zu einem Besuch anreiste. Genaue Informationen zu Trauerfeier und Beerdigung gibt es noch nicht.
„Orgel-Ratz“nannten sie ihn im Seminar. Denn im Gegensatz zu Bruder Joseph hatte es Georg Ratzinger die Musik noch mehr angetan als die Theologie. Von 1964 bis 1994 leitete er die Regensburger Domspatzen.
Die Wehwehchen des Alters seien natürlich spürbar, gab Georg Ratzinger stets zu, wurde er nach seinem Befinden gefragt. „Aber der Kopf funktioniert einwandfrei.“Man musste ihm nur ein Stichwort geben, schon fiel dem früheren Regensburger Domkapellmeister eine Anekdote ein. Aus seinem Leben oder aus dem seines Bruders, der 2005 zum Papst gewählt und damit zu Benedikt
XVI. wurde. Der für ihn aber weiter einfach „der Joseph“blieb, mit dem er ein Leben lang verbunden war – bis zuletzt. Benedikt XVI. war am 18. Juni überraschend zu seinem älteren Bruder mit kleinem Gefolge nach Regensburg gereist, um ihm noch einmal nahe zu sein, obwohl es um seine Gesundheit nicht zum Besten steht.
Der am 15. Januar 1924 in Pleiskirchen bei Altötting geborene Georg war das zweite Kind des Gendarmen Joseph und seiner Frau Maria. Seine Schwester Maria war drei Jahre zuvor zur Welt gekommen. Vor allem aber verband ihn viel mit seinem drei Jahre jüngeren Bruder Joseph. Beide schlugen die Priesterlaufbahn ein. Beide Brüder studierten in Freising Theologie und wurden gemeinsam 1951 zum Priester geweiht. Während Joseph sich der Wissenschaft zuwandte, entschied sich Georg für ein Studium der Kirchenmusik an der Musikhochschule München. Als Domkapellmeister bestritt er später mit den Regensburger Domspatzen zwischen 1964 und 1994 über 1000 Konzerte im In- und Ausland.
An Ratzingers Selbstdisziplin erinnern sich frühere Schützlinge noch heute. Legendär sind auch seine Wutausbrüche. Der 2017 veröffentlichte Abschlussbericht zur Aufklärung von Missbrauch und Gewalt bei der Erziehung der Domspatzen bescheinigte den Verantwortlichen, dass das ganze System einschließlich der Ära Ratzinger auf den Erfolg des Chores ausgelegt gewesen sei. Mit einem „Dreiklang aus Gewalt, Angst und Hilflosigkeit“sollte der Wille der Schüler gebrochen und ihnen ihre Persönlichkeit genommen werden. Ratzinger persönlich musste sich vor allem vorwerfen lassen, weggeschaut zu haben. Eigene Verfehlungen wie Ohrfeigen während der Chorproben hatte er schon 2010 eingeräumt und angegeben, dabei stets ein schlechtes Gewissen gehabt zu haben. Öffentlich trat Ratzinger zuletzt nur noch selten auf, und wenn, dann bei Terminen, die im Zusammenhang mit seinem Bruder standen.
Am Tod des Papstbruders nahmen Wegbegleiter in Regensburg und darüber hinaus Anteil. Der Münchner Kardinal und Erzbischof, Reinhard Marx, erklärte, dass er dem Verstorbenen und auch seinem Bruder sehr verbunden sei. Besonders nahe fühle er sich aber in diesen Stunden dem Papst emeritus, der seinen Bruder verloren habe. Georg Ratzinger habe „Konzertsäle in Gebetshäuser“verwandeln können, sagte der katholische Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer. Seine Musik sei Gebetsschule, Glaubensunterweisung und Predigt gewesen.