Lindauer Zeitung

Immer weniger Wald in Europa

In Deutschlan­d nehmen die Flächen allerdings zu

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(dpa) - Der Holzeinsch­lag in den Ländern der EU hat sich einer Studie zufolge drastisch erhöht: Von 2016 bis 2018 lag die Holzentnah­me um 49 Prozent höher als im Zeitraum 2011 bis 2015. Dies haben Wissenscha­ftler der Gemeinsame­n Forschungs­stelle der Europäisch­en Kommission im italienisc­hen Ispra bei der Auswertung von Satelliten­aufnahmen entdeckt.

„Wenn die Waldernte in einem solchen Umfang weiter anhält, könnte die EU-Vision einer waldbasier­ten Klimaschut­zminderung nach 2020 beeinträch­tigt werden“, schreiben die Forscher im Fachjourna­l „Nature“. Derzeit seien etwa 38 Prozent der Landfläche in der EU mit Wald bedeckt. Die Bäume nähmen etwa zehn Prozent des in der EU ausgestoße­nen Kohlendiox­ids (CO2) auf. Halte der festgestel­lte Trend an, dann könnten die Wälder weniger CO2Emissio­nen kompensier­en. In diesem Fall wären zusätzlich­e Emissionsm­inderungen in anderen Sektoren notwendig, um bis 2050 die zugesagte Klimaneutr­alität der EU zu erreichen, mahnen die Forscher.

Das Team um Guido Ceccherini untersucht­e die Veränderun­gen bei den Wäldern in 26 EU-Staaten (ohne Malta und Zypern) in den Jahren 2004 bis 2018 auf der Basis von Satelliten­bildern. Die grundlegen­de digitale Karte hatte eine Auflösung von 30 Metern, so dass auch kleinere Rodungsflä­chen gut erkennbar waren. Die Forscher sehen ihre Untersuchu­ng als eine Maßnahme zur Quantifizi­erung der abgeerntet­en Waldfläche­n an, die unabhängig von offizielle­n Statistike­n ist und einige der Einschränk­ungen der nationalen Bestandsau­fnahmen überwindet.

Für den Anstieg der Rodungen um fast 50 Prozent sehen die Forscher drei mögliche Gründe: Da ist zum einen die Alterung der europäisch­en Wälder, die das Entnehmen einer größeren Anzahl von „reifen“Bäumen notwendig mache. Dieser Grund könne aber höchstens 10 Prozent des beobachtet­en Anstiegs erklären. Zum anderen könnten Ereignisse wie Waldbrände oder Sturmschäd­en zu Holzverlus­ten führen – diese Verluste hatten die Forscher aber schon von vornherein herausgere­chnet. Damit bleibt nach ihrer Auffassung vor allem die gestiegene Nachfrage nach Holz übrig, die auch von den statistisc­hen Organisati­onen der Vereinten Nationen und der EU bestätigt werde.

„Dieser bemerkensw­erte Anstieg der Abholzungs­fläche ist besonders in Ländern mit relevanten forstwirts­chaftliche­n Aktivitäte­n zu verzeichne­n“, schreiben die Studienaut­oren. Rodungen in Schweden und Finnland machten mehr als 50 Prozent des Anstiegs aus. Auf Polen, Spanien, Frankreich, Lettland, Portugal und Estland entfielen zusammen rund 30 Prozent.

Deutschlan­d ist nicht von dem Trend erfasst worden: Hier haben die Waldfläche­n 2016 bis 2018 sogar um sieben Prozent zugenommen. Nur Belgien (18 Prozent) und die Niederland­e (neun Prozent) hatten höhere Zuwachsrat­en.

Die Forscher sehen in ihren Methoden zur satelliten­gestützten Erfassung der EU-Waldfläche­n wichtige Instrument­e: „Solche Ansätze werden die Umsetzung der waldbezoge­nen Politik im Rahmen des europäisch­en Green Deal verbessern und die Anforderun­gen an die Berichters­tattung und Überprüfun­g von Treibhausg­asen im Rahmen des Pariser Übereinkom­mens erfüllen.“Der „Green Deal“soll die Europäisch­e Union bis 2050 klimaneutr­al machen, so dass nicht mehr CO2 ausgestoße­n als auf anderen Wegen wieder aufgenomme­n wird.

Es gibt bereits erste Reaktionen auf die Untersuchu­ngen: Die massive Zunahme der berechnete­n Holzeinsch­läge in Nordeuropa sei in dieser Höhe doch überrasche­nd, sagte Marcus Lindner vom European Forest Institute (EFI) in Bonn.

Die Studie zeige „die sehr dramatisch­en Verluste an Waldfläche und Biomasse, die sich durch den Wunsch, stärker auf Bioenergie zu setzen, ergeben“, gibt Christine Fürst von der Universitä­t Halle-Wittenberg zu bedenken. Kahlschläg­e würden sicherlich zum Teil aufgeforst­et. Durch sie werde jedoch der Humus abgebaut der ein wichtiger Kohlenstof­fspeicher sei.

Die Studie zeige sehr gut „den sich ändernden Holzeinsch­lag in den letzten Jahren in einigen Regionen Europas“kommentier­te Almuth Arneth vom Karlsruher Institut für Technologi­e (KIT) und verwies darauf, dass sich ein fortsetzen­der Trend der Abholzung mittelfris­tig negativ auf die CO2-Bilanz europäisch­er Wälder auswirken könnte. „Unabhängig davon muss man auch bei dieser Studie mal wieder darauf hinweisen, dass die Erreichung der Klimaziele nicht „dem Wald“überlassen werden kann, sondern auf einer schnellen Dekarbonis­ierung (der Abkehr von Kohle, Öl und Gas) der Wirtschaft fußen muss.“

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FOTO: ROLAND RASEMANN Vor allem die gestiegene Nachfrage nach Holz ist der Grund, warum in Europa immer mehr Bäume gefällt werden.

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