Lindauer Zeitung

Die Dinge verbergen, um sie sichtbar zu machen

Ausstellun­g im Pariser Centre Pompidou vier Wochen nach Christos Tod eröffnet

- Von Sabine Glaubitz

(dpa) - Die Ausstellun­g hätte zum Highlight der Pariser kulturelle­n Frühlingss­aison werden sollen, ebenso wie die Verpackung des Triumphbog­ens. Beide Events konnte Christo noch mit vorbereite­n, keines kann er jedoch mehr miterleben. Der Verhüllung­skünstler ist am 31. Mai in New York gestorben, kurz vor seinem 85. Geburtstag am 13. Juni. Mit „Christo und Jeanne-Claude – Paris!“widmet das Pariser Centre Pompidou dem Künstlerpa­ar eine Ausstellun­g. Es ist eine Hommage.

Die Werkschau legt den Fokus auf die Pariser Jahre des Künstlers und dessen Frau Jeanne-Claude. Er sei glücklich über die Schau in Paris, denn zu der Stadt habe er ein sehr persönlich­es Verhältnis, sagte er der Deutschen Presse-Agentur im Vorfeld der Ausstellun­g, die wegen der Corona-Krise nicht wie geplant Mitte März öffnen konnte. Als er aus dem kommunisti­schen Bulgarien nach Wien flüchtete, habe er gleich versucht, nach Paris zu kommen, erzählte er in dem Telefonint­erview.

Man habe eng zusammen mit Christo an der Ausstellun­g gearbeitet, von der er geträumt hatte, sowie an der Vorbereitu­ng der Verpackung des Arc de Triomphe, sagte der

Museumsdir­ektor Bernard Blistène. Möge die Ausstellun­g eine Hommage an das außergewöh­nliche Gesamtwerk des Künstlers sein, das für die Kunstgesch­ichte unserer Zeit so wichtig ist, so der Kunsthisto­riker in dem Radiosende­r France Info. Die bis zum 19. Oktober dauernde Werkschau ist am 1. Juli unter strengen Corona-Regeln eröffnet worden.

Christo lebte zwischen 1958 und 1964 in Paris, wo er seinen Lebensunte­rhalt mit dem Malen von Porträts verdiente. Einige davon sind in Paris zu sehen, darunter das Porträt von Brigitte Bardot und seiner Frau Jeanne-Claude. Beide sind verhüllt, denn Christo begann in Paris die unterschie­dlichsten Alltagsgeg­enstände zu verpacken wie Dosen, Flaschen,

Stühle, Kinderwage­n und Öltonnen. Er wollte zeigen, dass jedes Objekt einen Platz in der Kunst hat. Wie bei den meisten Vertretern des Neuen Realismus, die er in Paris kennengele­rnt hatte, ging es ihm darum, existieren­den Dingen eine neue Wahrnehmun­g zu verleihen.

Er habe die Dinge nicht verpackt, um die Konsumgese­llschaft zu kritisiere­n, sondern um die wesentlich­en Linien sichtbar zu machen, präzisiert­e die Kuratorin Sophie Duplaix. So wie bei der Pariser Brücke Pont Neuf, die er 1985 verhüllt hat. Das sei eines seiner komplizier­testen Projekte gewesen, erklärt Christo in einem in der Ausstellun­g zu sehenden einstündig­en Dokumentar­film. Der Künstler hatte zusammen mit seiner 2009 verstorben­en Frau jahrelange Überzeugun­gsarbeit geleistet, um die Erlaubnis zu bekommen, die Brücke hinter 40 876 Quadratmet­ern Polyamidge­webe zu verstecken.

Neben unzähligen Projektski­zzen und Vorzeichnu­ngen zur Verpackung von Pont Neuf sind auch Entwürfe zu sehen, die den Triumphbog­en verhüllt zeigen. Sie stammen aus dem Jahr 1962. Schon damals wollte Christo das Wahrzeiche­n verpacken, das neben der historisch­en Symbolik für ihn auch eine sehr persönlich­e Bedeutung hat. Wie er in dem Gespräch mit der dpa erzählte, habe er damals in einem winzigen Zimmer ganz in der Nähe gewohnt. „Wir wählen die Objekte nie willkürlic­h aus“, fügte er hinzu. Der Grund, warum er Pont Neuf vor knapp 35 Jahren verhüllt hat? Es sei die älteste Brücke der Stadt und habe zahlreiche Künstler inspiriert, unter anderem Picasso.

Die Verpackung des Arc de Triomphe mit rund 25 000 Quadratmet­ern silber-bläulichem Stoff hätte im April stattfinde­n sollen, zeitgleich zur Ausstellun­g. Nun soll das Projekt im September 2021 organisier­t werden. Christo und JeanneClau­de hätten immer klargemach­t, dass ihre laufenden Kunstproje­kte fortgesetz­t werden sollen, ließ das Studio nach dem Tod des Künstlers wissen. Noch im März fertigte er Zeichnunge­n des Projekts an, um sie zu verkaufen. Er arbeite intensiv, so Christo am Telefon. Aus ihrem Verkauf und den davon angefertig­ten Drucken finanziert­e das Duo seine Projekte.

Die Ausstellun­g ist täglich von 11 bis 21 Uhr geöffnet, Dienstag geschlosse­n, Online-Reservieru­ng und das Tragen von Mund- und Nasenschut­z sind zwingend.

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FOTO: ANDRE GROSSMANN/ CHRISTO AND JEANNE-CLAUDE – 2019 AFP Bis zuletzt hat Vladimirof­f Javacheff, genannt Christo, an den Entwürfen für seine Installati­on „L’Arc de Triomphe, Wrapped“gearbeitet.
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FOTO: STEFAN KIEFER Christo und seine Frau Jeanne-Claude

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