In Lindau haben Arbeitslose derzeit schlechte Chancen
Weiterhin ist jede dritte Firma im Kreis in Kurzarbeit – So gut wie niemand stellt neue Mitarbeiter ein
- „Das ist schon bitter.“Das Lachen ist Susanne Müller-Koberstein längst vergangen. Denn beim Blick auf die aktuelle Monatsstatistik muss die Leiterin der Lindauer Arbeitsagentur tief durchatmen: Der Juni endet mit fast 1600 Arbeitslosen, die Zahl der freien Stellen sinkt drastisch. Und weiterhin befindet sich jede dritte Firma im Landkreis Lindau in Kurzarbeit.
Über viele Jahre hinweg ist der Juni im Jahresverlauf der Monat mit der niedrigsten Arbeitslosenquote gewesen. So hatte die Lindauer Agenturleiterin vor einem Jahr sogar mit einer Eins vor dem Komma geliebäugelt, schließlich eine Quote von 2,0 Prozent Arbeitslosigkeit erreicht. Das sieht heute anders aus. Zwar ist die Quote gegenüber Mai um einen Zehntelprozentpunkt zurückgegangen. Doch 3,5 Prozent sind für Lindauer Verhältnisse eine gewaltige Hausnummer: 1597 Menschen im Kreis Lindau leben derzeit von Arbeitslosengeld. Im Juni vergangenen Jahres waren nur 900 Frauen und Männer betroffen. Damit ist Lindau im Agenturbezirk Allgäu am schwersten getroffen: Während in Kaufbeuren der Bestand an Arbeitslosen
im Vergleich zum Juni 2019 nur um gut ein Drittel gestiegen ist, beträgt der Anstieg in Lindau fast 80 Prozent.
Das Problem: Wegen der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie ist es derzeit sehr schwer, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Jeder dritte Betrieb im Kreis Lindau befindet sich nach Aussage von Müller-Koberstein weiterhin in Kurzarbeit. Zwar würden hier und dort ein paar Stunden mehr gearbeitet. Doch für Vollbeschäftigung reicht es nicht. Damit fallen diese Firmen als mögliche neue Arbeitgeber ohnehin schon weg. Und viele andere, auch große Unternehmen, stellen derzeit keine neuen Mitarbeiter ein, bekommt die Agenturchefin fast täglich zu hören. Im Vergleich zum März hat sich die Zahl der offiziell gemeldeten offenen Stellen halbiert auf derzeit nur noch rund 650. Zum Vergleich: Vor einem Jahr hatten die Betriebe und Unternehmen einen Bedarf von rund 1700 Fach- und Hilfskräften gemeldet. Mitarbeiter gesucht würden jetzt überwiegend nur von Hotels und Gaststätten, vereinzelt vom Handel.
So erleben die Arbeitslosen im Landkreis jetzt eine neue Situation: Sie müssen Geduld haben, bis sie einen neuen Arbeitsplatz finden. Gab es bisher teilweise sogar mehr offene Stellen als Arbeitslose, so hat sich das Blatt jetzt deutlich gewendet, wenn es für knapp 1600 Erwerbslose nur noch 659 Arbeitsmöglichkeiten gibt.
Müller-Koberstein appelliert an die Betroffenen: „Nutzt die Zeit der Arbeitslosigkeit für Qualifizierung.“Die Weiterbildungsträger in Lindau bieten nach ihren Worten inzwischen wieder verschiedene Kurse und Maßnahmen an, nachdem sie eigene Hygienekonzepte für Präsenzschulungen entwickelt haben.
Wichtig ist der Lindauer Agenturleiterin aber auch der Punkt Ausbildung: „Es ist wichtig, dass die Firmen trotz aller coronabedingten Probleme weiterhin Ausbildungsplätze bereitstellen und besetzen“, betont Müller-Koberstein im Gespräch mit der „Lindauer Zeitung“. Denn es werde auf dem Arbeitsmarkt auch eine Zeit nach Corona geben – und dann würden, wie zuvor, viele Fachkräfte fehlen. Die von Berlin beschlossenen Ausbildungsprämien hält die Arbeitsmarktexpertin für eine gute Idee. Betriebe und Unternehmen, die diese in Anspruch nehmen wollen, können sich an den Arbeitgeberservice der Lindauer Arbeitsagentur wenden.
Im Vergleich mit den Geschäftsstellen des Arbeitsagenturbezirks Kempten-Memmingen liegt Lindau Ende Juni an vorletzter Stelle.
Die Zahlen im Einzelnen: Mai 2020 Mindelheim 2,9 % Marktoberdorf 3,0 % Memmingen 3,1 % Kempten 3,5 % Sonthofen 4,2 % Kaufbeuren 3,4 % Lindau 3,6 % Füssen 4,4 %
Allgäu gesamt 3,5 %
Juni 2020 2,8 % 3,0 % 3,2 % 3,4 % 3,4 % 3,5 % 3,5 % 3,8 %
3,3 %