Lindauer Zeitung

Kühe erschrecke­n als gefährlich­er Trend

Für Klicks im Internet legen sich offenbar Menschen mit Weidevieh an – Dieses Tun kann das Leben kosten

- Von Thilo Bergmann und Anne Jethon

- Die junge Frau stellt sich breitbeini­g auf, streckt ihre Arme in die Höhe und rennt wild mit den Händen wedelnd auf eine Kuh zu, bis diese panisch davonläuft.

Auf dem sozialen Netzwerk TikTok posten zahlreiche Nutzer solche Videos mit Rindern oder anderen Tieren derzeit als „Kulikitaka-Challenge“– benannt nach dem Merengue-Titel „Kulikitaka“des Sängers Tono Rosario, der im Hintergrun­d läuft. Landwirte warnen aber eindringli­ch davor, diese Videos nachzuahme­n. „Diese Aktionen sind kein Spaß, sondern lebensgefä­hrlich und tierschutz­widrig“, sagt der Vize-Generalsek­retär des Deutschen Bauernverb­andes, Udo Hemmerling.

Auch beim Landesbaue­rnverband in Baden-Württember­g kennt man die Challenge. Ida Hartmann, Referentin für Öffentlich­keitsarbei­t, sagt: „Das ist überhaupt nicht witzig und kann schwerwieg­ende Folgen haben. Das ist ein Trend, der absolut verwerflic­h ist.“

Kühe seien normalerwe­ise friedliche Tiere, die keinen angreifen würden, erklärt sie. Doch wenn sie erschreckt würden, könne es durchaus passieren, dass Kühe auch Menschen angreifen. „Wenn 700 bis 800 Kilogramm auf sie zustürmen, dann kann das böse ausgehen.“Ausgewachs­ene Bullen könnten sogar bis zu 1,2 Tonnen wiegen. Besonders wenn Mutterkühe mit ihren Kälbern auf der Weide stehen, kann es problemati­sch werden. „Dann kann eine Kuh schnell in den Angriffsmo­dus schalten“, sagt Hartmann. Erkennbar sei das daran, dass sie den Kopf senke und frontal auf einen zurase. Rinder können in solchen Situatione­n Menschen

und andere Tiere ebenso verletzen, wie sich selbst. „Hier werden unnötig Risiken für Mensch und Tier in Kauf genommen, nur um Klicks und Aufmerksam­keit zu erzielen“, schimpft ein Sprecher des Deutschen Bauernverb­andes.

Für Familie Schaaf vom Rahlenhof in Ravensburg ist das Erschrecke­n

auch für den Umgang mit den Tieren störend. Die Familie arbeitet mit ihren beiden Herden mit der sogenannte­n Stockmansh­ip-Methode. Dabei versuchen die Landwirte die „Sprache der Kühe“zu verstehen. Jede Kuh habe einen Aufmerksam­keitskreis, mit dem man sie sanft lenken könne. Bei der Methode betreten die Landwirte diesen Aufmerksam­keitkreis, wodurch die Kuh in die gewünschte Richtung ausweicht. „Sobald sie das tut, nimmt man den Druck raus, in dem man einen Schritt zurücktrit­t“, sagt Christof Schaaf. Damit wollen die Landwirte in einer guten Beziehung zum Tier stehen. Eine Kuh bewusst zu erschrecke­n, „das geht gar nicht“, sagt Anita Schaaf. „Eine Kuh ist in sich ruhend, sie hat viel Stille.“

Einen Trend zum absichtlic­hen Kühe erschrecke­n sehen die Landwirte in Deutschlan­d trotz immer neuer Internet-Videos zwar noch nicht. Doch auch bei Spaziergän­gern, Radfahrern und Wanderern ist im Umgang mit den Tieren Rücksichtn­ahme gefragt.

Immer wieder kam es in den vergangene­n Jahren zu Angriffen der Tiere auf Wanderer, zuletzt wurden im Juni auf einer Weide am Vilsalpsee in Tirol drei Menschen verletzt. 2014 wurde eine Frau im Stubaital in Österreich von Rindern totgetramp­elt. Die Herde wollte wohl ihre Kälber schützen. Vor allem Hundebesit­zer sollten hier die bekannten Verhaltens­regeln beherzigen, auf die auch der Deutsche Alpenverei­n DAV immer wieder hinweist.

Ein Video der Kulikitaka­Challenge sowie Reaktionen dazu auf www.schwäbisch­e.de/kulikitaka

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FOTO: TOBIAS SCHUMACHER Mutterkühe können besonders gefährlich werden.

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