Lindauer Zeitung

Auch in Lindau gab es Pläne für ein Särge-Lager

Lindauer Ärzte sind sich einig: Der Landkreis ist bisher sehr gut durch die Pandemie gekommen

- Von Dirk Augustin

- Bis jetzt sind die Menschen im Landkreis Lindau sehr gut durch die Corona-Pandemie gekommen. Dabei sah es am Anfang nicht gut aus. Doch die schlimmen Befürchtun­gen sind nicht wirklich geworden.

Als die Verantwort­lichen im März die Fernsehbil­der aus Bergamo und New York gesehen haben und die Zahl der Infizierte­n im Landkreis Lindau sehr schnell stieg, hat sich das Landratsam­t auch Gedanken darüber gemacht, wo man gegebenenf­alls die Särge stapeln muss, wenn infolge Corona auch in Lindau viele Menschen sterben. Das bestätigen die Ärzte Dr. Krischan Rauschenba­ch und Dr. Klaus Adams in Gesprächen mit der Lindauer Zeitung. Zum Glück ist es anders gekommen. Das haben die Menschen aus Sicht der niedergela­ssenen Ärzte einerseits dem Glück, anderersei­ts aber auch guter Arbeit des Landratsam­tes und der Mediziner sowie der strengen Maßnahmen der bayerische­n Staatsregi­erung zu verdanken.

Adams war als Vorsitzend­er des Ärztlichen Kreisverba­ndes von Anfang an in den Kampf gegen Corona eingebunde­n. Rauschenba­ch war später als sogenannte­r Versorgung­sarzt die Verbindung zwischen dem Katastroph­enschutz im Landratsam­t und seinen Ärztekolle­gen. In Gesprächen mit der LZ geben beide Einblicke in die Arbeit, die nötig war, um den Landkreis vor der Katastroph­e zu schützen. Einig sind sich beide, dass alle Beteiligte­n sehr gute Arbeit geleistet haben. Denn dass Corona im Landkreis verhältnis­mäßig glimpflich verlaufen ist, sei nicht selbstvers­tändlich gewesen.

Adams erinnert daran, dass im März sehr viele Menschen aus dem Landkreis Coronavire­n aus den Skigebiete­n wie Ischgl, Sölden oder aus Südtirol nach Hause gebracht haben. Deshalb stieg die Zahl der Infizierte­n schnell. Laut Adams ist dem Gesundheit­samt zu danken, das in diesen Fällen zügig mit Quarantäne­maßnahmen und der Verfolgung von Kontaktper­sonen, die ebenfalls unter Quarantäne gestellt wurden, die weitere Ausbreitun­g verhindert habe. Die für ganz Bayern geltende

Ausgangsbe­schränkung habe ebenfalls dazu beigetrage­n, dass sich das Virus nicht weiter verbreiten konnte.

Weil die Kassenärzt­liche Vereinigun­g mit dem Testen über die Nummer 116 117 nicht nachkam, hätten die niedergela­ssenen

Ärzte zudem die Teststreck­e in der Eisarena eingericht­et. Die habe sich sehr bewährt, betonen Adams und Rauschenba­ch, der als erster solche Abstriche in Reihe abgenommen hat, als das noch im Zelt auf dem Krankenhau­s-Parkplatz passierte. Schnell und ohne gegenseiti­ge Ansteckung­sgefahr habe man dort Patienten untersucht und getestet. Weil es seit einer ganzen Weile kaum mehr Menschen mit CoronaVerd­acht gibt, habe man die Teststreck­e stillgeleg­t und werde sie jetzt auch abbauen, berichtet Rauschenba­ch. Aber das passiert so, dass BRK, THW und Ärzte das auch ganz schnell wieder aufbauen können.

Das gilt sowieso für vieles: Alle

Beteiligte­n haben in der Corona-Zeit gelernt und fühlen sich gewappnet, um bei einer möglichen neuen Welle im Herbst oder Winter oder bei einer neuen Pandemie in einigen Jahren manches von Anfang an besser zu machen. Die Ärzte hoffen aber, dass solche Erkenntnis­se auch in München und Berlin ankommen. Denn den anfänglich­en Mangel an Schutzausr­üstung haben weder die Praxen noch der Landrat zu verantwort­en. Das ist Sache des Bundes, der sich aber nicht darum gekümmert habe, obwohl eine Studie des RobertKoch-Institutes aus dem Jahr 2013 im Auftrag des Bundestage­s für eine mögliche Pandemie genau die Probleme vorhergesa­gt habe, zu denen es in diesem Frühjahr gekommen ist.

Adams berichtet sogar von mehrmalige­n E-Mails eines Hersteller­s von Schutzausr­üstung in Buchloe, der Lieferunge­n nach China zurückgeha­lten hätte, auf seine Anfragen aus Berlin aber nie eine Antwort erhalten habe. Doch wie Rauschenba­ch geht auch Adams davon aus, dass es solche Probleme nie wieder geben wird. Der Bund fülle jetzt die Lager, damit er bei einem erneuten Ausbruch schnell die Kliniken, Arztpraxen und Altenheime sowie Pflegedien­ste mit Masken und anderer Ausrüstung versorgen könne.

Dass seine Kollegen über Material verfügen konnten, war eine zentrale Aufgabe von Rauschenba­ch in seiner Zeit als Versorgung­sarzt. Damit sich die Fachkolleg­en um die Patienten kümmern konnten, sollte er ihnen alles dafür Notwendige bereitstel­len. Deshalb sei es auch richtig, einen Orthopäden als fachfremde­n Arzt mit dieser Aufgabe zu betreuen, denn die Interniste­n und Hausärzte seien in der Behandlung wichtiger gewesen.

Rauschenba­ch lässt keinen Zweifel daran, dass Corona eine ernste Bedrohung für die Menschen war und ist. Ein sehr guter Freund habe Anfang März einen an sich gesunden und sehr fitten Mittvierzi­ger auf der Station gehabt, der eine Woche später gestorben sei. Wer sich mit solchen Kollegen unterhalte, begreife sofort, dass es sich bei Corona um ein sehr gefährlich­es Virus handle. Umso weniger versteht er, dass auch manche Ärzte diese Gefahr verharmlos­en.

Dass der Freistaat die strengen Regeln langsamer lockert als andere Bundesländ­er, findet Adams richtig. Immerhin gebe es in Bayern mehr Fälle und mehr Tote als woanders. Und die Gefahr sei keineswegs vorüber, auch wenn mancher sich im Gedränge auf der Insel oder im Supermarkt so verhält, als wäre Corona vorbei. Rauschenba­ch und Adams warnen deshalb: Die Menschen sollen unbedingt weiter Abstand voneinande­r halten. Wo das nicht möglich ist und in geschlosse­nen Räumen seien Masken wichtig, die Mund und Nase bedecken. Dass immer mehr Menschen auf die Maske verzichten oder die nur unter der Nase oder unterm Kinn hängen haben, erhöhe die Gefahr einer erneuten Ausbreitun­g, die wahrschein­lich wieder geschlosse­ne Geschäfte und Ausgangsbe­schränkung­en zur Folge haben würde. Wer das nicht will, sollte weiter vorsichtig sein.

Das werde zumindest nötig sein, bis es einen Impfstoff gibt. Adams will dann einer der ersten sein, der sich impfen lässt. Immerhin gehört der Kinderarzt mit über 60 Jahren zur Risikogrup­pe. Doch auch mit Impfstoff seien ein wenig mehr Abstand als früher und Masken wahrschein­lich sinnvoll. Das würde schon die jährliche Grippewell­e eindämmen und neue Ausbrüche ähnlicher Pandemien in späteren Jahren verhindern. Adams erinnert an Menschen in Asien, die das schon immer so handhaben. Und Rauschenba­ch sinniert, ob wir Menschen dann zum Gruß die Maske derart lüften, wie das die Männer früher mit ihrem Hut getan haben.

Im Lindau-Podcast unterhalte­n sich die LZ-Redakteure Yvonne Roither und Dirk Augustin mit Dr. Klaus Adams über Corona. Der Podcast erscheint am Freitag um 12 Uhr auf schwäbisch­e.de und überall, wo es Podcasts gibt.

 ?? ARCHIVFOTO: LANDRATSAM­T LINDAU ?? Lindau ist bisher gut durch die Corona-Pandemie gekommen. Da sind sich (von links) der als Versorgung­sarzt eingesetzt­e Dr. Krischan Rauschenba­ch, Dr. Klaus Adams als Sprecher des Ärztlichen Kreisverba­nds und Landrat Elmar Stegmann einig.
ARCHIVFOTO: LANDRATSAM­T LINDAU Lindau ist bisher gut durch die Corona-Pandemie gekommen. Da sind sich (von links) der als Versorgung­sarzt eingesetzt­e Dr. Krischan Rauschenba­ch, Dr. Klaus Adams als Sprecher des Ärztlichen Kreisverba­nds und Landrat Elmar Stegmann einig.

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