Schonungslose Kritik und ein Hauch Optimismus
Im Dezember 1945 erscheint die erste Ausgabe der Schwäbischen Zeitung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs
- 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs erinnert die Lindauer Zeitung an die Zeit damals. Im 19. Teil geht es um die erste Ausgabe der Schwäbischen Zeitung nach dem Krieg. Damit endet die Serie.
Der Zweite Weltkrieg war zu Ende, die Zukunft ungewiss. „Ende und Beginn“titelte die Schwäbische Zeitung, zu der inzwischen auch die Lindauer Zeitung gehört, am 4. Dezember 1945 in ihrer ersten Ausgabe nach dem Zweiten Weltkrieg und der nationalsozialistischen Diktatur. Einen Tag zuvor hat ein französischer Leutnant im Auftrag der Militärregierung formlos auf ein Blatt Papier geschrieben: „Hiermit wird der Firma Schwäbischer Verlag KG die Genehmigung erteilt, die Schwäbische Zeitung erscheinen zu lassen.“Der Autor schaute schonungslos auf die Naziherrschaft zurück.
Adolf Hitler hat am 30. April 1945 in Berlin Selbstmord begangen. Der Krieg war verloren, Deutschland fast vollständig zerstört. Es fehlte an Essen und Kleidung, viele Städte glichen Ruinenfeldern, heimkehrende Soldaten standen vor den Trümmern ihrer Heime, und Mütter und Väter warteten auf ihre Liebsten – oftmals leider vergeblich. „Das ist das Ergebnis des nationalsozialistischen Machtrausches“, schreibt Ernst Trip, Gründungsredakteur der Schwäbischen Zeitung.
Ein Hauch Pathos umweht seine
Zeilen. Und schonungslos blickt er auf die zwölfjährige nationalsozialistische Diktatur zurück. „Wie in keiner Phase ihrer Geschichte stehen die Deutschen vor Trümmern des Staates, der Wirtschaft und überlieferter Lebensformen, in denen sie mit allen Fasern des Wesens verwurzelt waren.“
Auch wenn die Geschehnisse jegliche Vorstellungskraft sprengen, sei es nun die Aufgabe der überlebenden Generation, für die nachfolgenden Generationen die Vorstellung davon zu erhalten, was die Grausamkeit von Krieg, Diktatur und Verbrechen gegen die Menschlichkeit bedeutet. Zu voreiligem Optimismus sei aber kein Grund. „Wer ihm huldigt, ist sich über das Ausmaß der deutschen Tragödie nicht im Klaren.“
Jedem Ende wohnt aber auch ein Anfang inne. „Wir haben von vorne zu beginnen und müssen die Möglichkeiten sehen, die damit verknüpft sind.“Denn die Aufgaben seien enorm. „Erinnern wir uns besonders der Verpflichtung, die Millionen ausgewiesener oder entwurzelter Landsleute zu retten, soweit irgend alle Kräfte es ermöglichen.“Fast 60 Millionen Menschen haben ihr Leben gelassen. Bei aller Tragik, die in Trips Zeilen liegt, er endet doch vorsichtig optimistisch: „Öffnen wir alle Tore nach draußen, nehmen und geben wir im Austausch mit der Welt, von deren lebendigem Geist man uns abschloß, und holen wir unser gehemmtes Wachstum nach.“