„Sie zu töten, war nie meine Absicht“
66-Jähriger soll versucht haben, seine Geliebte umzubringen – Haftstrafe: 56 Monate
- Wegen versuchten Mordes hat das Landgericht Kempten einen 66 Jahre alten Mann zu vier Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Die Große Strafkammer sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte seine langjährige Geliebte bei einer Aussprache mit einem Messer umbringen wollte. In das Urteil einbezogen wurden zwei Trunkenheitsfahrten und eine Straßenverkehrsgefährdung.
Der 66-Jährige wohnte im November vergangenen Jahres vorübergehend bei seiner Schwester und deren Mann im Oberallgäuer Altusried. Dort sollte es am 28. November zu einer Aussprache mit seiner langjährigen Geliebten kommen. Diese Beziehung des mit einer anderen Frau verheirateten Angeklagten war gescheitert. Nach einem Alkoholrückfall des 66-Jährigen hatte er sie einige Tage zuvor geschlagen und gedemütigt, sodass die Polizei eingreifen musste. Deshalb wollte die Frau die Beziehung endgültig beenden.
Am Tattag war der Mann erneut stark alkoholisiert. Laut Anklageschrift kam es – wie vorgesehen – zu einer Aussprache mit seiner heute 48-jährigen Geliebten, die ruhig verlief. Unvermittelt soll der Mann dann zu einem Messer gegriffen und Stichbewegungen in Richtung der Frau ausgeführt haben. Einmal soll die Messerklinge nur deshalb nicht in den Körper der Frau eingedrungen sein, weil die Klinge genau auf den Gürtel traf und dadurch abglitt. Die Frau blieb unverletzt, bei Abwehrversuchen wurde der Schwager des Angeklagten leicht verletzt.
Der 66-Jährige erlitt selbst erhebliche Schnittverletzungen, wie ein Polizeibeamter als Zeuge schilderte. Der Mann war bis zum Eintreffen der Beamten von seinem Schwager festgehalten worden. Blutproben nach der Tat ergaben bei ihm Werte von 1,79 und 1,9 Promille. Vor Gericht beteuerte der Angeklagte, er habe seine Ex-Geliebte nicht umbringen, sondern sich selbst mit dem Messer töten wollen. „Ich hätte sicherlich eine andere Gelegenheit gehabt, wenn ich sie hätte umbringen wollen“, sagte der Angeklagte. An viele Einzelheiten könne er sich nicht mehr erinnern. Aber er betonte wiederholt: „Sie zu töten, war nie meine Absicht.“
Bei der Frau, die als Zeugin vernommen wurde, entschuldigte sich der Mann. Diese Entschuldigung nahm die 48-Jährige zwar an, sagte aber auch: „Es sind noch viele Fragen offen.“Früher sei die Beziehung gut gewesen, gemeinsamen Alkoholkonsum habe es praktisch nie gegeben. Deshalb sei sie von den alkoholbedingten Ausrastern des Angeklagten am Wochenende zuvor sehr überrascht gewesen: „Ich habe ihn so nicht gekannt, ich hatte Angst vor ihm.“Unter Angstzuständen leide sie heute noch: „Man versucht natürlich, das zu unterdrücken“, sagte die Frau vor Gericht.
Die Kammer kam zu der Überzeugung, dass der Angeklagte im Fall einer erfolglosen Aussprache von vornherein geplant hatte, die Frau zu töten. Das Messer habe er deshalb unter einem Kissen gut versteckt. Darin sah die Strafkammer das Mordmerkmal der Heimtücke als erfüllt an. Der Staatsanwalt forderte wegen versuchten Mordes eine Freiheitsstrafe von neun Jahren und zwei Monaten. Demgegenüber hielt Verteidiger Wilhelm Seitz eine eineinhalbjährige Bewährungsstrafe wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung für ausreichend. In ihrer Urteilsfindung berücksichtigte die Kammer, dass der Angeklagte wegen seiner Alkoholsucht eingeschränkt schuldfähig war. Ein Alkoholentzug wurde angeordnet.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
„Ich hätte sicherlich eine andere Gelegenheit gehabt, wenn ich sie hätte umbringen wollen“,
sagte der Angeklagte. einem Versuch auch in eine Freiheitsstrafe zwischen drei und maximal 15 Jahren umgewandelt werden.
Die Gerichte sind aber nicht verpflichtet, einen versuchten Mord tatsächlich milder zu bestrafen. Das heißt, dass nach deutschem Strafrecht auch für einen versuchten Mord eine lebenslange Haftstrafe verhängt werden kann. (mun)