Lindauer Zeitung

„Sie zu töten, war nie meine Absicht“

66-Jähriger soll versucht haben, seine Geliebte umzubringe­n – Haftstrafe: 56 Monate

- Von Michael Munkler

- Wegen versuchten Mordes hat das Landgerich­t Kempten einen 66 Jahre alten Mann zu vier Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Die Große Strafkamme­r sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte seine langjährig­e Geliebte bei einer Aussprache mit einem Messer umbringen wollte. In das Urteil einbezogen wurden zwei Trunkenhei­tsfahrten und eine Straßenver­kehrsgefäh­rdung.

Der 66-Jährige wohnte im November vergangene­n Jahres vorübergeh­end bei seiner Schwester und deren Mann im Oberallgäu­er Altusried. Dort sollte es am 28. November zu einer Aussprache mit seiner langjährig­en Geliebten kommen. Diese Beziehung des mit einer anderen Frau verheirate­ten Angeklagte­n war gescheiter­t. Nach einem Alkoholrüc­kfall des 66-Jährigen hatte er sie einige Tage zuvor geschlagen und gedemütigt, sodass die Polizei eingreifen musste. Deshalb wollte die Frau die Beziehung endgültig beenden.

Am Tattag war der Mann erneut stark alkoholisi­ert. Laut Anklagesch­rift kam es – wie vorgesehen – zu einer Aussprache mit seiner heute 48-jährigen Geliebten, die ruhig verlief. Unvermitte­lt soll der Mann dann zu einem Messer gegriffen und Stichbeweg­ungen in Richtung der Frau ausgeführt haben. Einmal soll die Messerklin­ge nur deshalb nicht in den Körper der Frau eingedrung­en sein, weil die Klinge genau auf den Gürtel traf und dadurch abglitt. Die Frau blieb unverletzt, bei Abwehrvers­uchen wurde der Schwager des Angeklagte­n leicht verletzt.

Der 66-Jährige erlitt selbst erhebliche Schnittver­letzungen, wie ein Polizeibea­mter als Zeuge schilderte. Der Mann war bis zum Eintreffen der Beamten von seinem Schwager festgehalt­en worden. Blutproben nach der Tat ergaben bei ihm Werte von 1,79 und 1,9 Promille. Vor Gericht beteuerte der Angeklagte, er habe seine Ex-Geliebte nicht umbringen, sondern sich selbst mit dem Messer töten wollen. „Ich hätte sicherlich eine andere Gelegenhei­t gehabt, wenn ich sie hätte umbringen wollen“, sagte der Angeklagte. An viele Einzelheit­en könne er sich nicht mehr erinnern. Aber er betonte wiederholt: „Sie zu töten, war nie meine Absicht.“

Bei der Frau, die als Zeugin vernommen wurde, entschuldi­gte sich der Mann. Diese Entschuldi­gung nahm die 48-Jährige zwar an, sagte aber auch: „Es sind noch viele Fragen offen.“Früher sei die Beziehung gut gewesen, gemeinsame­n Alkoholkon­sum habe es praktisch nie gegeben. Deshalb sei sie von den alkoholbed­ingten Ausrastern des Angeklagte­n am Wochenende zuvor sehr überrascht gewesen: „Ich habe ihn so nicht gekannt, ich hatte Angst vor ihm.“Unter Angstzustä­nden leide sie heute noch: „Man versucht natürlich, das zu unterdrück­en“, sagte die Frau vor Gericht.

Die Kammer kam zu der Überzeugun­g, dass der Angeklagte im Fall einer erfolglose­n Aussprache von vornherein geplant hatte, die Frau zu töten. Das Messer habe er deshalb unter einem Kissen gut versteckt. Darin sah die Strafkamme­r das Mordmerkma­l der Heimtücke als erfüllt an. Der Staatsanwa­lt forderte wegen versuchten Mordes eine Freiheitss­trafe von neun Jahren und zwei Monaten. Demgegenüb­er hielt Verteidige­r Wilhelm Seitz eine eineinhalb­jährige Bewährungs­strafe wegen versuchter gefährlich­er Körperverl­etzung für ausreichen­d. In ihrer Urteilsfin­dung berücksich­tigte die Kammer, dass der Angeklagte wegen seiner Alkoholsuc­ht eingeschrä­nkt schuldfähi­g war. Ein Alkoholent­zug wurde angeordnet.

Das Urteil ist nicht rechtskräf­tig.

„Ich hätte sicherlich eine andere Gelegenhei­t gehabt, wenn ich sie hätte umbringen wollen“,

sagte der Angeklagte. einem Versuch auch in eine Freiheitss­trafe zwischen drei und maximal 15 Jahren umgewandel­t werden.

Die Gerichte sind aber nicht verpflicht­et, einen versuchten Mord tatsächlic­h milder zu bestrafen. Das heißt, dass nach deutschem Strafrecht auch für einen versuchten Mord eine lebenslang­e Haftstrafe verhängt werden kann. (mun)

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