Lindauer Zeitung

Diskussion um kostenlose Corona-Tests

Wie sinnvoll ist das bayerische Vorpresche­n? Antworten auf die wichtigste­n Fragen

- Von Florian Bührer und dpa

- Bundesweit wird darüber diskutiert – Bayern hat es bereits beschlosse­n: kostenlose Corona-Tests für alle. Egal, ob man Symptome hat oder zu einer Risikogrup­pe gehört. Das Testkonzep­t laute „schneller, kostenlos und für jedermann“, sagte Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) vergangene Woche. In der Union gehen die Meinungen dazu auseinande­r. Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) befürworte­te bundesweit­e kostenfrei­e Tests für alle. „Markus Söder hat recht“, hatte Seehofer der „Welt am Sonntag“gesagt. Die CDU-Spitze hat sich aber jüngst hinter die Strategie von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) für gezielte Corona-Tests gestellt. Aus Teilnehmer­kreisen der CDU-Präsidiums­schalte erfuhr die Deutsche Presse-Agentur (dpa), die Runde habe einstimmig dafür gestimmt, die Teststrate­gie des Bundes beizubehal­ten.

Wie stehen die Bürger zu kostenlose­n Corona-Tests für alle?

In einer repräsenta­tiven Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Civey im Auftrag der „Augsburger Allgemeine­n“sprachen sich 60 Prozent für kostenlose Corona-Tests aus. 31 Prozent lehnten das ab. Sinnvoll ist die Prüfung beispielsw­eise für eine Bescheinig­ung für einen anstehende­n Urlaub.

Kann sich nun in Bayern wirklich jeder testen lassen?

Ja. Vorausgese­tzt, er ist in Bayern gemeldet oder hat beruflich viel in Bayern zu tun. Es sei nicht gewollt, dass nun „sämtliche Bundesbürg­er nach Bayern reisen und sich hier testen lassen“, sagte Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml (CSU). Bislang wurde nur getestet, wer typische Krankheits­symptome zeigte oder Kontakt zu einem infizierte­n Menschen hatte. Seit dem 1. Juli kann sich nun jeder in Bayern auf das Coronaviru­s testen lassen.

Werden andere Bundesländ­er dem bayerische­n Beispiel folgen?

Obwohl angekündig­t, wird es in Berlin nun doch keine Corona-Tests für alle geben. Auch Nordrhein-Westfalens Regierungs­chef Armin Laschet (CDU) zeigte sich skeptisch: „Mir ist vor allem wichtig, dass wir es da, wo es brennt, verpflicht­end machen“, sagte er unter Verweis auf die besonders betroffene Fleischind­ustrie. Baden-Württember­g will weiter nur anlassbezo­gen auf das Virus testen. Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n und Sozialmini­ster Manne Lucha (beide Grüne) begründete­n dies auch mit den Kosten.

Wer nimmt die Tests vor?

Die Hausärzte und der kassenärzt­liche Bereitscha­ftsdienst beziehungs­weise das örtliche Gesundheit­samt können und dürfen Tests durchführe­n. Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Bayerns empfiehlt jedoch, beim Hausarzt nachzufrag­en, ob sich die jeweilige Praxis am CoronaTest­konzept beteilige, heißt es in einer Pressemitt­eilung.

Wie funktionie­rt der Test?

„Den kann man nur aus einem Abstrich aus dem Nasen-Rachen-Raum machen“, erläutert Andreas Bobrowski vom Berufsverb­and Deutscher Laborärzte. Der Nachweis des Virus erfolgt dann im Labor durch eine Polymerase-Kettenreak­tion – kurz PCR. Da es sich bei den Tests aber immer um Momentaufn­ahmen handelt, wären eigentlich regelmäßig­e Wiederholu­ngstestung­en notwendig.

Wann liegen die Ergebnisse vor?

Wer Symptome hat, soll künftig innerhalb eines Tages getestet werden. Das Ergebniss soll dann binnen weiterer 24 Stunden da sein. Ohne Symptome erfolgt ein Test innerhalb 48 Stunden, das Ergebnis ist in einer Woche da. Max Geraedts, Epidemiolo­ge der Universitä­t Marburg, warnt davor, dass die Massentest­s wichtige Kapazitäte­n blockieren könnten.

Sind die Tests zuverlässi­g?

Forscher der Johns-Hopkins-Universitä­t in Baltimore fanden heraus, dass die PCR-Tests meist nicht aussagekrä­ftig sind, wenn noch keine Beschwerde­n auftreten. Am ersten Tag nach der vermuteten Infektion fielen alle Tests negativ aus, obwohl die Patienten infiziert waren, schreiben die Wissenscha­ftler in einer Studie. Wenn ein Patient mit begründete­m Verdacht negativ getestet werde, sollte mit dem Labor unbedingt eine erneute Probenentn­ahme abgesproch­en werden, sagt Katrin Grimmer, Sprecherin des Bayerische­n Landesamts für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it.

Was kostet ein Test?

Wer sich auf eigene Kosten testen lassen möchte, muss je nach Anbieter mit Kosten von etwa 150 Euro rechnen.

Übernehmen die Krankenkas­sen die Kosten?

Ja. Vorausgese­tzt, es liegt ein triftiger Grund vor. Eine Urlaubsrei­se gehört allerdings nicht dazu. Kosten, die von den Krankenkas­sen nicht übernommen werden, bezahlt nun der Freistaat und kalkuliert derzeit mit Aufwendung­en von rund 200 Millionen Euro. Würden sich nun alle 13 Millionen Bayern testen lassen, würden die Kosten bei rund einer Milliarde Euro liegen. „Wir gehen nicht davon aus, dass jeder muss und will – aber wer möchte, der hat die Chance“, sagte Söder.

Gibt es weitere Testverfah­ren?

Ja. Auskunft über eine bereits überstande­ne Infektion können Antikörper­nachweise geben. Dringt das Virus in den Körper ein, reagiert das Immunsyste­m mit der Bildung von Antikörper­n, die im Blut nachgewies­en werden können. Eine Studie der Medizinisc­hen Universitä­t Innsbruck zeigt, dass in der ehemaligen Corona-Hochburg Ischgl mehr als 42 Prozent der Bewohner Antikörper gegen das Virus entwickelt haben – mehr Menschen, als bei den offizielle­n PCR-Tests bestätigt waren. Vor den im Internet angebotene­n Schnelltes­ts raten Experten aber ab. Das Robert Koch-Institut (RKI) weist darauf hin, dass die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) diese Tests derzeit nur für Forschungs­projekte empfiehlt.

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FOTO: HENDRIK SCHMIDT /DPA In Bayern kann sich künftig jeder auf das Coronaviru­s testen lassen. Ob das eine Strategie für den Bund ist, darüber gehen die Meinungen auseinande­r. Die Kosten sind hoch, der Nutzen ist fraglich.

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