Auch im Süden waren Corona-Betrüger aktiv
Mehr Fälle in Bayern als in Baden-Württemberg - 1,3 Millionen Euro Schaden im Freistaat
- Gleich zum Prozessauftakt legte der 31-jährige Gebäudereinigungsunternehmer ein Geständnis ab. Ja, er habe 35 000 Euro an CoronaSoforthilfen für Kleinfirmen mit bis zu zehn Mitarbeitern zu Unrecht bekommen, gab er sich vor dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten reumütig. Es war einer der ersten Strafprozesse wegen Subventionsbetrugs bei der Corona-Soforthilfe.
Am 31. März stellte er auf der Homepage der Investitionsbank Berlin einen Antrag. Schon einen Tag später hatte er 5000 Euro auf dem Konto. Er war „erstaunt, dass es so schnell und unbürokratisch“ging, zitierte ihn die „Berliner Zeitung“. Also gründete er zum Schein weitere Firmen und stellte für jede einen Antrag. Doch eine Bank schöpfte Verdacht und kontaktierte die Staatsanwaltschaft.
Nach Aussagen seines Verteidigers hat es die Senatswirtschaftsverwaltung seinem Mandanten schlicht zu einfach gemacht. „Schnell auszahlen, später kontrollieren“, habe der Bund als Motto ausgegeben, verteidigte der Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) die Verwaltung. Inzwischen spricht das Landeskriminalamt von etwa 1000 Ermittlungsfällen allein in Berlin.
Wie viele Fälle gibt es?
Mindestens 5100 Verdachtsfälle auf Betrug, ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei den Länderbehörden. Es existieren keine BundesZahlen, weil für die Ermittlungen die Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften der Länder zuständig sind. Zudem machte Nordrhein-Westfalen gar keine Angaben. Ein Anhaltspunkt sind Zahlen der Financial Intelligence Unit (FIU), der Zentralstelle zur Aufdeckung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, die zum Zoll gehört: Bei ihr gingen in den vergangenen drei Monaten 6000 Meldungen mit Hinweisen auf das betrügerische Erlangen von CoronaSoforthilfe ein.
Wie groß ist der Schaden?
Die dpa-Recherche kam auf bundesweit knapp 22 Millionen Euro. Allein das Berliner Landeskriminalamt bezifferte den potenziellen Schaden auf etwa zehn Millionen Euro. Das klingt viel. Doch nur aus dem SoforthilfeProgramm des Bundes für Kleinstunternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern und Soloselbständige wurden rund 1,85 Millionen Anträge bewilligt und etwa 14 Milliarden Euro ausgezahlt, sagte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums. Hinzu kamen noch Milliarden-Programme der Bundesländer.
Wie läuft der Betrug ab?
Die Behörden berichten von vielen Maschen.
Die Betrüger machen etwa falsche Angaben zu ihrer Situation oder setzen die ausgezahlten Gelder nicht sachgerecht ein. Einige Unternehmen, für die Gelder beantragt werden, existieren gar nicht oder sind bereits lange insolvent. Andere beantragen die Hilfen mehrfach. Manch einer nannte eine fremde Firma, gab aber die eigenen Kontodaten an. Andere versuchten, mit den Daten anderer Menschen an die Hilfen zu kommen – via Internet- oder Telefonbetrug oder auch über Trickdiebstahl an der Haustür. Mehrfach wurde versucht, mithilfe sogenannter Fake-Seiten,
- Auch im Südwesten haben Betrüger die Corona-Soforthilfen ausgenutzt. Laut dem baden-württembergischen Landeskriminalamt (LKA) ist die Zahl der Betrugsfälle zweistellig. Marc Eggert, Sprecher des LKA, bestätigte gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“: „Uns sind derzeit circa 70 Fälle des Subventionsbetrugs in Zusammenhang mit den Corona-Soforthilfen bekannt. “
Zum entstandenen Schaden konnte das LKA keine Auskünfte geben. Gleiches gilt für das badenwürttembergische Wirtschaftsministerium. Es teilte auf Anfrage mit, dass aufgrund der derzeit noch laufenden Verfahren keine Auskunft zu
die meist offizielle OnlineAuftritte imitieren, an Daten zu gelangen.
Wie fliegt der Betrug auf?
Auf ganz unterschiedliche Weise. Oft stellen die Bewilligungsbehörden – häufig die Förderbanken der Bundesländer – Unstimmigkeiten im Antrag fest. Manchmal melden die Banken, bei denen die Antragsteller ihr Konto haben, dass ihr Kunde keinen Anspruch auf die Gelder hat, etwa weil er schon lange insolvent ist. In anderen Fällen meldeten sich Bürger bei Behörden, weil sie vermuteten, dem durch Betrugsfälle entstandenen Schaden in Baden-Württemberg geben werden könne.
Anders in Bayern. Ein Sprecher des dortigen Landeskriminalamts sagte der „Schwäbischen Zeitung“, der Schaden wegen Betrugs bei den Soforthilfen belaufe sich im Freistaat auf etwa 1,3 Millionen Euro. Dem bayerischen LKA wurden von den Behörden rund 370 Fälle von Subventionsbetrug gemeldet. Hinzu kämen etwa 600 Verdachtsfälle, die durch Banken gemeldet worden seien, sagte ein Sprecher.
Eine weitere Art des Betrugs seien gefälschte E-Mails, erklärte der Sprecher des bayerischen LKA. Darin würden Unternehmen vermeintlich durch das bayerische Wirtschaftsministerium aufgefordert,
Nachbarn hätten die Hilfen zu Unrecht erhalten.
Welche Strafen drohen?
Das hängt davon ab, welche Straftat vorliegt. Möglich sind Subventionsbetrug, Geldwäsche, Fälschung beweiserheblicher Daten und/oder Ausspähen von Daten. Je nachdem drohen Geld- und unter Umständen auch Freiheitsstrafen, in besonders schweren Fällen bis zu zehn Jahre.
Wie wird versucht, den Betrug zu verhindern?
Beim Bewilligen der Anträge sollte es schnell gehen, weil ihre erhaltenen Soforthilfen zurückzuzahlen. Rund 450 solcher FakeMails habe die Polizei sichergestellt. Der Schaden belaufe sich hier auf weniger als 50 000 Euro, sagt er.
Eine Sprecherin des baden-württembergischen Wirtschaftsministeriums sagte der „Schwäbischen Zeitung“, dass grundsätzlich differenziert werden müsse zwischen fehlerhaften Beantragungen und kriminell motiviertem Betrug. So könnten unabsichtliche Falscheingaben, wie ein Zahlendreher bei der Kontoverbindung, eine Beantragung fehlerhaft machen. „Diese Fälle lagen zeitlich vor allem zu Beginn des Soforthilfeprogramms vor“, berichtete sie.
Demgegenüber stünde der kriminelle Betrug durch Einzelpersonen viele Kleinunternehmer in großer Not waren. Nach Bekanntwerden der ersten Fälle wurde nachgebessert: Die Prüfverfahren oder die Zahl der stichprobenartigen Überprüfungen wurden ausgebaut. Gleichzeitig machten Polizei und Bewilligungsstellen falsche Internetseiten publik und warnten zum Beispiel in den sozialen Medien vor den Tricks. FakeSeiten wurden abgeschaltet, ausgezahlte Hilfen sichergestellt. Auch prüfen die Finanzämter in 2021 bei der Steuererklärung, ob die Soforthilfen rechtmäßig beantragt wurden. oder Banden, „die entweder die Antragsvoraussetzungen fingieren oder versuchen, über Phishing an Antragsdaten gutgläubiger Antragsteller zu gelangen“.
Bereits in der vergangenen Woche hatte die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) erklärt, die Zahl der Betrugsverdachtsfälle im Südwesten liege im zweistelligen Bereich. „Beim Missbrauch der Soforthilfen hat Baden-Württemberg mit eine der besten Bilanzen im Vergleich zu anderen Bundesländern“, sagte Hoffmeister-Kraut gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“.
Die Ministerin führt diesen Umstand auf das zweistufige Verfahren zurück, bei dem Anträge zuerst von den Kammern geprüft werden.