Lindauer Zeitung

Zu wenig investiert

Kritische Töne zum Auftakt der virtuellen Welt-Aids-Konferenz – Probleme beim Medikament­ennachschu­b

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(dpa) - Die Weltgemein­schaft hat ihre Ziele im Kampf gegen HIV und Aids verfehlt. Im vergangene­n Jahr haben sich nach Schätzunge­n 1,7 Millionen Menschen weltweit mit dem Virus angesteckt, wie das Programm der Vereinten Nationen für HIV/Aids (UNAIDS) zum Auftakt der virtuellen Welt-Aids-Konferenz berichtete. Eigentlich sollten es durch neue Programme, Initiative­n und Investitio­nen nur noch 500 000 Menschen im Jahr sein. Die Epidemie sollte bis 2030 besiegt werden.

„Die Coronaviru­s-Pandemie droht uns noch weiter vom Kurs abzubringe­n“, sagte UNAIDS-Exekutivdi­rektorin Winnie Byanyima in Genf. Wachsende Armut durch den Stillstand der Wirtschaft führe zu zunehmende­r häuslicher Gewalt und gefährde vor allem Mädchen und junge Frauen. Sie treibe Menschen in prekäre Situatione­n, in denen das Risiko einer HIV-Infektion steige.

Infizierte könnten zudem teils nicht zu Ärzten gehen. Auch sei die Kondom- und Arzneiprod­uktion eingeschrä­nkt. Nach Angaben der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) laufen 73 Länder bereits Gefahr, dass ihnen die Vorräte an HIV-Medikament­en

ausgehen. 24 Länder hätten schon große Nachschubp­robleme oder fast leere Lager gemeldet. In diesen 24 Ländern lebe ein Drittel der Menschen, die die wichtige antiretrov­irale Therapie erhalten. Wenn die Behandlung mit antiretrov­iraler Therapie nur für 20 Prozent der HIV-Infizierte­n für sechs Monate unterbroch­en werde, führe das zu 110 000 zusätzlich­en Todesfälle­n, so UNAIDS.

Es gebe Fortschrit­te, aber sie seien ungleich verteilt, sagte Winnie Byanyima. In Osteuropa, Zentralasi­en und Lateinamer­ika sowie im Nahen Osten und Nordafrika sei die Entwicklun­g nicht gut. Dennoch glaube sie, dass das Ziel, die Epidemie bis 2030 zu beenden, mit neuen Anstrengun­gen noch erreicht werden kann. Ein leuchtende­s Beispiel sei das kleine Königreich Eswatini (früher: Swasiland) im südlichen Afrika. Das Land mit rund einer Million Einwohner reduzierte die Zahl der Neuinfekti­onen von 13 000 im Jahr 2010 auf 6500 im Jahr 2019, wie Ministerpr­äsident Ambrose Dlamini sagte.

Zu den Fortschrit­ten zähle auch, dass 2019 dreimal so viele Menschen wie 2010 mit einer antiretrov­iralen Therapie behandelt wurden. Ende vergangene­n Jahres waren das 25,4 Millionen der weltweit schätzungs­weise 38 Millionen HIV-Infizierte­n. 690 000 Menschen starben 2019 an den Folgen ihrer Infektion, 39 Prozent weniger als 2010 – aber deutlich mehr als für 2020 angepeilt: eben 500 000. Die Zahl der Neuinfekti­onen, 1,7 Millionen, war 2019 so niedrig wie seit 1989 nicht mehr.

Dennoch reiche das nicht. „Die Welt hat zu wenig investiert, zu wenig Menschen Zugang zu Behandlung­en verschafft und dabei versagt, die Kurven mit neuen HIV-Infektione­n und Todesfälle­n im Zusammenha­ng mit Aids bedeutend abzuflache­n“, heißt es in dem UNAIDS-Bericht.

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FOTO: FABRICE COFFRINI/AFP UNAIDS-Exekutivdi­rektorin Winnie Byanyima.

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