Lindauer Zeitung

Einst Schneider von Ulm, zuletzt Rentnercop

Trauer um Schauspiel­er Tilo Prückner – Der gebürtige Augsburger hatte ein Faible für kauzige Typen

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(dpa) - Grantig, verschrobe­n, schlitzohr­ig – aber selten richtig böse. Das sind die Typen, die Tilo Prückner oft und gerne gespielt hat. Der Fernsehnat­ion war der Schauspiel­er unter anderem aus dem ZDF-Krimi „Kommissari­n Lucas“oder aus der ARDSerie „Rentnercop­s“vertraut. Tilo Prückner starb am vergangene­n Donnerstag unerwartet im Alter von 79 Jahren in Berlin, wie seine Agentin am Montag unter Berufung auf die Familie bekannt gab. Über mangelnde Angebote konnte der Mann mit dem markanten Schnauzer nicht klagen, bis ins hohe Alter war sein Terminkale­nder voll. Ob „Kluftinger­krimi“, die „Ostwind“-Filme oder eben der ZDF-Dauerbrenn­er „Kommissari­n Lucas“– Tilo Prückner war gefragt.

Das Älterwerde­n nahm der Schauspiel­er mit Humor. Früher sei er der Jüngste am Set gewesen, heute eben der Älteste, hatte er anlässlich seines 75. Geburtstag­es gesagt. „Und wenn ich mich auf dem Bildschirm sehe, denke ich: ,Was ist das denn für ein Methusalem?‘“Die Rollenange­bote seien jedenfalls nicht weniger geworden, die Figuren nur eben älter.

Oft war Tilo Prückner in eher kleineren Rollen zu sehen. „Das sind meist die besseren Rollen.“So wie die Figur des Vermieters Max in „Kommissari­n Lucas“. Das sei „ein echter Wadlbeißer“. Die Vorliebe für kauzige Typen hatte er während seiner langjährig­en Karriere nicht verloren.

Diese begann der gebürtige Augsburger mit fränkische­n Wurzeln nach Abitur und abgebroche­nem Jurastudiu­m Anfang der 1960er-Jahre mit einer Schauspiel­ausbildung in München. Prückner ist Mitbegründ­er der Schaubühne Berlin, spielte am Schauspiel­haus Zürich und gastierte am

Bayerische­n Staatsscha­uspiel. Für seine Rolle in der Kinokomödi­e

„Bomber & Paganini“an der Seite von Mario Adorf erhielt er 1976 den Deutschen Darsteller­preis. Zwei Jahre später sollte er in Edgar Reitz’ „Der Schneider von Ulm“die Titelfigur spielen: den Schneiderg­esellen Alfred Ludwig Berblinger, der zu Beginn des 19. Jahrhunder­ts seinen großen Traum vom Fliegen lebt, letztlich aber am Unverstand und den gesellscha­ftlichen Verhältnis­sen seiner Zeit scheitert.

Und wenn Tilo Prückner nicht vor der Kamera stand? Schrieb er (den Roman, „Willi Merkatz wird verlassen“, 2013), freute er sich, seine Familie – insbesonde­re die beiden Enkel – zu sehen. Auf roten Teppichen war er seltener anzutreffe­n. „Ich bin zufrieden und fühle mich pudelwohl, wenn ich nicht drehe“, sagte er. „Ich gehe auch gerne einfach ins Café, sitze nur da und schaue mir die Leute an.“

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FOTO: JÖRG CARSTENSEN/DPA Mit 79 Jahren gestorben: Tilo Prückner.

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