Nach 62 Tagen Intensivstation geht’s aufwärts
Der Vater von Katharina Pohl hat sich nach seiner schweren Corona-Erkrankung wieder aufgerappelt
- So abstrakt die Gefahr durch das Virus für Viele auch erscheinen mag – für manchen Menschen ist sie auf sehr schmerzliche Weise konkret: Zum Beispiel für Katharina Pohl aus Lindau, die die Sorge um ihren 58-jährigen Vater fast aufgefressen hat, und ihre Familie gleich mit. Denn was im März zunächst wie eine starke Erkältung begonnen hatte, wuchs sich schnell zu einer lebensbedrohlichen Situation aus. Der Vater, der allein in München lebt und lange daran festgehalten hatte, dass es so schlimm schon nicht werden würde, rief erst auf Drängen von Tochter und Tante schließlich den Notarzt – sprichwörtlich auf den letzten Drücker. Eine sogenannte Superinfektion, also eine Mischung aus Corona und einer bakteriellen Entzündung, legte beide Lungenflügel lahm. Der Mann musste schließlich beatmet werden und lag im künstlichen Koma. Sein Überleben hing lange Zeit am seidenen Faden.
„Neulich hat er mal genau nachgezählt“, sagt Katharina Pohl im Gespräch mit der Lindauer Zeitung – und ihre Stimme klingt längst nicht mehr so angespannt wie beim Interview einige Wochen zuvor. „62 Tage hat er auf der Intensivstation gelegen.“Im Münchner Krankenhaus „Barmherzige Brüder“. Ihn nicht besuchen zu dürfen, ihm nicht helfen zu können, das sei hart gewesen. „Wenn ich seinen Zustand mit damals vergleiche, muss ich sagen: Es geht ihm um Welten besser.“
Seit Anfang Juni ist der Verwaltungsangestellte auf Reha in Bad Reichenhall. Und während er im Mai noch nach wenigen Schritten mit dem Rollator in Erschöpfungszustände verfiel, kann er heute wieder viel besser gehen – allerdings noch
„Wenn ich seinen Zustand mit damals vergleiche, muss ich sagen: Es geht ihm um Welten besser.“
Katharina Pohl
an Krücken. „Er hat merklich abgenommen, wirkt aber nicht ausgezehrt. Er hat seine Zuversicht wieder und macht auch wieder Witze, er strahlt wieder“, sagt seine Tochter. Er könne sogar schon wieder meckern – etwa über die anstrengende Reha, die ihn quasi von einer Behandlung zur anderen, von einer Anwendung zur nächsten scheuche. „Aber das bekommt ihm sehr, sehr gut“, sagt Katharina Pohl, die regelmäßigen Kontakt über Telefon und Videokonferenz zu ihrem Vater hält. Während es vor wenigen Wochen noch so ausgesehen hat, als bestünde die Gefahr bleibender Schäden, überwiegt inzwischen die Zuversicht, dass der Zustand des Vaters weitgehend wiederhergestellt werden könnte. „Wie genau es sein wird, können wir aber jetzt noch nicht sicher sagen.“
Bei aller Freude über die guten Fortschritte des Patienten – an ein normales Leben ist im Augenblick noch nicht zu denken. Die berufliche Wiedereingliederung soll, sofern der Aufwärtstrend sich fortsetzt, im September
beginnen. Dann wird ihn die Corona-Infektion mehr als ein halbes Jahr an seinem gewohnten Leben gehindert haben.
„Eine wahnsinnig lange Zeit“, sagt Katharina
Pohl. Die Reha soll
Anfang Juli zu Ende gehen. Arztbesuche, Anwendungen und Therapien werden den Lebensrhythmus des Vaters der Lindauerin aber noch sehr lange bestimmen.
Ursprünglich war geplant, dass die Tochter – verheiratet, zwei kleine Kinder – ihren Vater zu sich nach Lindau nimmt, wo das Haus genug Platz für einen längerfristigen Gast bietet.
„Wie es jetzt aussieht, möchte mein Vater aber im Anschluss an die Reha erstmal wieder in München zu sich nach Hause.“Dabei gehe es auch darum, zu schauen, wie gut er allein zurecht komme. Auch zeitweise Unterstützung von Lindau aus sei denkbar. Danach plant die Familie aber einen längeren Aufenthalt des Vaters in Lindau. „Auch als Abschluss dieser sehr schwierigen Zeit“, sagt Katharina Pohl, die einerseits feststellt, wie belastend die Krankheit für die gesamte Verwandtschaft war und ist.
Aber andererseits auch: „Wie wir zusammengewachsen sind. Die vielen positiven Rückmeldungen auf den ersten Bericht in der Lindauer Zeitung haben uns wirklich gut getan. Da waren auch Menschen dabei, die ich bisher nur flüchtig kannte. Und alte Bekannte haben sich wieder gemeldet.“