Lindauer Zeitung

„Hergenswei­ler Heimelig“scheitert bisher an Politik

Bei dem Projekt sollen demente Menschen in den Alltag integriert werden

- Von Leonie Küthmann

- In Sachen Demenzdorf geht nichts voran – da sind sich Anke Franke und Wolfgang Strohmaier einig. Seit über fünf Jahren kämpfen die Geschäftsf­ührerin der Diakonie Lindau und der Bürgermeis­ter von Hergenswei­ler (Westallgäu) für das Projekt, nun spricht Franke von einem Stillstand. Lebensraum für Demenzkran­ke, integriert in dörfliche Strukturen – das ist die Vision der Initiatore­n von „Hergenswei­ler Heimelig“, so der Name des Demenzdorf­es.

Auf 30 000 Quadratmet­ern sollen zunächst 96, dann 128 Menschen leben. Franke wünscht sich einen Kindergart­en, sie denkt aber auch an einen Laden, ein Gasthaus, einen Friseur oder eine Apotheke. Insgesamt soll es 16 Wohneinhei­ten geben, in denen jeweils höchstens acht Personen leben. Die Kosten werden auf 30 Millionen Euro geschätzt.

Bei einem Info-Abend im vergangene­n Oktober hatten Bürger kritisch nachgefrag­t. Manchen ist „Hergenswei­ler Heimelig“für das 1800Einwoh­ner-Dorf zu groß. Strohmaier hielt einen Bürgerents­cheid für sinnvoll – nach der Kommunalwa­hl. Was er damals nicht wissen konnte: Die Wahlen kollidiert­en zeitlich mit der Corona-Krise und den Ausgangsbe­schränkung­en. Ist die Pandemie also der Grund für den Stillstand? „Nein“, betont der Bürgermeis­ter. Dass der Sachstand derselbe ist wie vor den Wahlen, liegt laut Franke daran, dass sich die Rahmenbedi­ngungen für das Vorhaben nicht geändert haben. „Hergenswei­ler Heimelig“soll ein Pilotproje­kt sein, das es in Deutschlan­d so bisher nicht gibt. Das Problem: Was die Vorgaben angeht, wird das Demenzdorf „wie ein normales Heim behandelt“, sagt Franke. Die vorgesehen­en Wohngruppe­n seien mit jeweils acht Bewohnern verhältnis­mäßig klein, ergänzt die Initiatori­n: „Trotzdem möchten wir, dass immer ein Mitarbeite­r vor Ort ist – und das wäre dann ein höherer Stellensch­lüssel als vorgesehen.“Dies scheitert laut Franke an den Finanzen. „Wir wollen bei der Gruppengrö­ße aber keinen Kompromiss machen.“Ein weiteres Beispiel: Laut Verordnung müsste jedes Zimmer über „eine Nasszelle mit Toilette, Dusche und Waschtisch verfügen“. Das sei unrealisti­sch, sagt Anke Franke: „Demente brauchen Anleitung – auch beim Waschen.“Sie stellt sich ein „WG-Konzept“vor, bei dem zwei große Bäder pro Wohngruppe reichen. Auch die Tatsache, dass sie die Fachkraftq­uote einhalten müsste, bereitet ihr Sorgen: „Wie viele Fachkräfte braucht man letztlich für diese Form der Pflege?“, fragt sie und antwortet sogleich: „Viele der dementen Bewohner bräuchten keine Behandlung­spflege, für die medizinisc­hes Wissen erforderli­ch ist – sie brauchen einfach Hilfe im Alltag.“

Standardis­ierte Vorgaben passen also nicht in die Vision von „Hergenswei­ler Heimelig“. Ob es für das Projekt trotzdem eine Chance gibt, kann Franke nicht sagen: „Gefühlt ist der politische Wille nicht da, jeder schiebt die Verantwort­ung zu einem anderen, die Krankenkas­sen zu den Ministerie­n, die zur Regierung …“Lediglich Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) und der FDPLandtag­sabgeordne­te

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Dominik Spitzer (Kempten) haben sich laut Franke dahinter geklemmt, dass es mit dem Demenzdorf vorangeht. Trotzdem sei kein Fortschrit­t in Sicht.

Über einen Bürgerents­cheid müsse man aktuell nicht diskutiere­n, sagt die Geschäftsf­ührerin der Diakonie: „Bevor sich an den Vorgaben nichts ändert, muss man nicht ins Detail gehen.“Und auch Wolfgang Strohmaier betont: „Der Gemeindera­t hat da wenig Handlungss­pielraum, der Ball liegt nun bei der großen Politik.“

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ARCHIVFOTO: CHRISTIAN FLEMMING Hier auf dieser Wiese zwischen Sportplatz und B 12 soll das Demenzdorf Hergenswei­ler entstehen. Derzeit geht aber bei den zuständige­n Ministerie­n und Behörden nichts weiter.

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