Das Gift am Boden: zur Situation in Kempten
Zigarettenkippen werden am häufigsten achtlos weggeworfen – Dabei sind sie alles andere als harmlos
- Es gibt womöglich keinen anderen Müll, der so selbstverständlich auf den Boden geworfen wird wie Zigarettenkippen. Dabei gelten die abgerauchten Glimmstängel als giftig. Das Problem gibt es auch in Kempten – und kann nicht nur für Kinder gefährlich werden.
Sind achtlos weggeworfene Zigarettenkippen in Kempten ein Problem?
Durchaus, sagt Andreas Weber, Sprecher der Stadtverwaltung. Und das seit Jahren. Ein Beispiel: Bei einer Aufräumaktion habe eine Realschulklasse innerhalb von drei Stunden einen Fünf-Liter-Eimer komplett mit aufgelesenen Kippen gefüllt. „Sie sind leider auf allen Straßen und Plätzen zu finden“, sagt Weber. Dabei gebe es etwa in der Fußgängerzone alle 30 Meter einen Mülleimer. Doch gerade dort würden am meisten Kippen auf den Boden geworfen. Ein „ernsthaftes Problem“, sagt Weber: Denn der Müll verunstalte nicht nur die Stadt und müsse von der Straßenreinigung wieder eingesammelt werden. Wenn er liegen bleibt – etwa in nicht zu erreichenden Ritzen und Gullys –, handle es sich auch um ein Umweltproblem (siehe unten).
Was geschieht, wenn Kinder eine Kippe verschlucken?
Laut dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zählen Nikotinvergiftungen durch versehentlich verschluckte Zigaretten und deren Kippen zu den häufigsten Vergiftungen im Kleinkindalter. Dabei seien Kippen deutlich giftiger als vergleichbare Mengen unverbrannten Tabaks, da das Nikotin beim Rauchen vor dem Filter kondensiere. Über die Schleimhäute nehmen Kinder das Nikotin rasch auf. Für eine Vergiftung reiche vermutlich eine Dosis von 0,2 Milligramm Nikotin pro Kilogramm Körpergewicht – bei einem Dreijährigen mit 15 Kilogramm also etwa drei Milligramm. Zum
Vergleich: Eine Zigarette enthält laut Landesamt 15 bis 25 Milligramm Nikotin. Typische Symptome seien vermehrter Speichelfluss, Schwitzen, schneller Puls, leichte Benommenheit, Zittrigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Blässe, Hautrötung und Unruhe. Zu Atemstörung, Krämpfen und Blutdruckabfall sei es bei Kindern gekommen, die zwei Zigaretten oder mehr als drei Kippen gegessen haben – was aber selten vorkomme. Laut Dr. Hendrik Jünger, Chefarzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin am Klinikum Kempten, behandelt seine Abteilung jährlich etwa zehn Fälle verschluckter Kippen – meist ohne besondere Symptomatik.
Welche Auswirkungen haben weggeworfene Kippen auf die Umwelt?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht in einem Bericht von 2017 davon aus, dass weltweit jährlich 340 bis 680 Tonnen Müll von Tabakprodukten auf Straßen und in der Umwelt landet. Dieser Müll enthalte über 7000 giftige Chemikalien, darunter krebserregende, die so in die Umwelt gelangen und sich dort anreichern – beispielsweise im Wasser. Laut WHO enthalten Zigaretten seit den 1950er-Jahren Filter. Diese seien nur schwer abbaubar – und enthielten jede Menge Giftstoffe.
Bußgeld: Was kostet’s?
Laut bayerischem Umweltministerium ist es verboten, Zigarettenkippen in die Umwelt zu werfen. In Bayern sei ein Regelsatz von 20 Euro Bußgeld vorgesehen – je nach Einzelfall könne davon abgewichen werden. Ob es überhaupt verhängt wird, sei ebenfalls eine Frage des konkreten Falls. Laut Pressesprecher Andreas Weber werden in Kempten 15 Euro fällig. In der Praxis würden städtische Mitarbeiter die Betroffenen ansprechen. Diese seien meist einsichtig und würden ihre Kippe aufheben. Ein Bußgeld werde dann nicht erhoben. Eine Statistik, wie häufig Bußgelder in solchen Fällen verhängt werden, gebe es nicht.