Wie einst mit Klopp beim BVB
Sven Mislintat will mit dem VfB Stuttgart einen ähnlichen Weg gehen wie in Dortmund
(dpa) - Sven Mislintat strahlt. „Ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke, wie ich Teil der Gruppe sein durfte, die mit 600 000 Menschen in Dortmund Titel gefeiert hat“, erzählt der Sportdirektor des VfB Stuttgart. 2011 und 2012 krönte sich der BVB letztmals zum deutschen Meister. Mit Mislintat als Chefscout. Und Jürgen Klopp als Trainer. Lange ist es her. Doch die Bilder sind bei Mislintat noch präsent. Sie motivieren ihn für seine Mission in Stuttgart. Beim VfB hat er bei seinem Amtsantritt im vorigen Sommer einen ähnlichen Weg eingeschlagen wie einst mit der Borussia. Nach dem ersten Etappensieg, dem Wiederaufstieg in die Bundesliga, will Mislintat diesen Weg nun beharrlich weitergehen.
„Der VfB hat mich auch ausgewählt, um mit einer ähnlichen Philosophie unsere eigenen Ziele zu erreichen“, sagt Mislintat. „Das ist ja auch etwas, für das ich stehe und dessen Teil ich war. Ich habe 2006 beim BVB angefangen. 2008 kam mit Jürgen der entscheidende Erfolgsfaktor hinzu.“Mislintat war an den Titeln des BVB maßgeblich beteiligt. Nun will er auch den VfB nach Jahren der Irrfahrt wieder auf Kurs bringen.
„Unsere Voraussetzungen sind andere als die des BVB damals“, sagt der 47-Jährige: „Aber das ist der Weg, den wir konsequent gehen wollen: Mut zu haben, jungen Talenten eine Plattform zu geben, sie weiterzuentwickeln und an sie zu glauben.“Damals hießen sie Mats Hummels, Neven Subotic oder Sven Bender. Jetzt in Stuttgart Gregor Kobel, Atakan Karazor oder Silas Wamangituka.
Rund 20 neue Spieler holte der VfB im Sommer 2019. Es war ein Komplett-Umbau. „Es gibt keine zweite Chance für die ersten Monate, die erste Transferperiode“, sagt Mislintat: „Wenn du von Beginn an nicht deine Idee, deine Philosophie reinbekommst, nicht deine Struktur implementierst, dann ist das kaum zu korrigieren und wird einem immer nachhängen.“
Mit Blick auf die Corona-Krise, die das Budget des VfB laut Mislintat diesen Sommer um 25 Millionen Euro senkt, zahlt sich die Shoppingtour im Nachhinein sogar doppelt aus. „Wenn jemand mit so einer schwierigen Situation umgehen kann, ist er das“, sagt Vorstandschef Thomas Hitzlsperger im „Kicker“über Mislintat. Das Gros der Spieler, die den Club in den nächsten Jahren prägen sollen, ist aber schon da. Und der Trainer auch. Den noch recht unerfahrenen Pellegrino Matarazzo
aber schon mit Klopp zu vergleichen, fände Mislintat „nicht fair“, das will er nicht. „Was ich aber sagen kann: Von dem Weg, den Dortmund und Liverpool unter Klopp gegangen sind, kann man viel lernen.“Zum Beispiel, dass der Erfolg nicht von jetzt auf gleich kommt. „Es braucht Zeit, etwas zu bauen. Unser Weg ist nicht in einem Jahr gegangen, sondern frühestens in drei“, sagt Mislintat: „Und Rino wird der Trainer sein, mit dem wir dabei zusammenarbeiten werden. Ich persönlich werde diesen Trainer selbst im Falle eines schlechten Saisonstarts oder bei einem möglichen Abstiegskampf nicht infrage stellen.“
Denn, und das betont Mislintat mit Nachdruck: „Unser kurzfristiges Ziel kann es nur sein, nächstes Jahr die Klasse zu halten und mittelfristig wird es eine große Herausforderung, die Menschen dafür zu sensibilisieren, dass das nicht nur für eine Saison, sondern auch für die darauffolgenden oberstes Ziel bleibt.“Es ist die oft thematisierte Erwartungshaltung, die die Arbeit bei einem Traditionsclub wie dem fünfmaligen Meister so anspruchs-, für Mislintat aber auch so reizvoll macht.
„Beim VfB stehst du immer auf dem Prüfstand, da hier in den letzten Jahren vieles überhaupt nicht funktionierte“, sagt er: „Es war sogar einer der elementaren Gründe, den Job anzunehmen, denn genau diese Herausforderung habe ich gesucht, sie motiviert mich und gibt mir Energie.“Wohin die führen kann, wissen sie nicht nur in Dortmund.
Ich persönlich werde diesen Trainer selbst [...] bei einem möglichen Abstiegskampf nicht infrage stellen.“
Sven Mislintat