Sandstrand statt Festzelt
Stadt München beschließt Alternativkonzept für die Theresienwiese
- Palmengarten, Raubtiershows, Surfwelle: Ideen für die Nutzung der Theresienwiese nach der Absage des Oktoberfests gab es zur Genüge. Nun hat die Stadt München entschieden, welche Attraktionen dort im Sommer zum Zug kommen.
Wer die Trostlosigkeit dieses Orts in seiner Gänze erfassen will, der muss der weltlichen Patronin des Freistaats Bayern sozusagen ins Hirn steigen. Gemeint ist die gut 18 Meter hohe Statue der Bavaria am westlichen Ende der Theresienwiese, in deren Innern eine Wendeltreppe mit 118 Stufen zu einer Aussichtsplattform im Bronzekopf führt. Oben angekommen, öffnet sich der Blick auf jene 42 Hektar große Freifläche, die, so formuliert es sogar die stets um Neutralität bemühte Wikipedia, „für ein innerstädtisches Terrain in prominenter Lage ungewöhnlich verödet“ist.
Einmal abgesehen natürlich von jenen 16 bis 18 Tagen im September und Oktober, an denen auf der Theresienwiese das weltgrößte Volksfest mehr als sechs Millionen Besucher anzieht. Eigentlich. Doch heuer ist alles anders, denn wegen der Corona-Pandemie ist die Wiesn abgesagt worden. Und so hat sich der Stadt München die Frage gestellt: Was soll anstelle von Bierseligkeit und Achterbahnrausch in diesem Sommer auf der Theresienwiese geschehen, wo normalerweise Anfang Juli der Aufbau fürs Oktoberfest beginnt?
An Ideen mangelte es im Vorfeld nicht: Mehr als ein Dutzend Vorschläge von Firmen, Bürgern, Vereinen und Lokalpolitikern gingen im Rathaus ein. Und als wäre das nicht genug, bekundete Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) auch noch öffentlichkeitswirksam, dass er sich auf der Theresienwiese eine Art FreiluftOktoberfest mit Biergärten vorstellen könne.
Diese Idee ist bei der Sitzung des Wirtschaftsausschusses im Stadtrat am Dienstagvormittag jedoch mit keinem Wort erwähnt worden. Stattdessen arbeitete sich das Gremium durch die verschiedenen Ideen und beschloss letztlich eine Reihe von „einmaligen Zusatznutzungen“. So sollen von Ende Juli bis September auf der Theresienwiese ein 1000 Quadratmeter großer Palmengarten mit Sandstrand und Liegen, eine Kulturbühne für lokale Künstler sowie mehrere Marktbuden aufgebaut werden. Dazu kommen allerlei
Sportangebote wie provisorische Tennisplätze, eine Boulderwand, Trampoline und Beachvolleyballfelder.
Überdies soll sich auch der Circus Krone auf der Theresienwiese präsentieren – jedoch nicht auf die ursprünglich anvisierte Art. Denn eigentlich hätte das Münchner Traditionsunternehmen dort ein Raubtiergehege aufstellen und kostenlose Vorführungen mit Löwen und Tigern zeigen sollen. Auf diesem Wege könne die Stadt dem Circus Krone in diesen schwierigen Corona-Zeiten helfen, argumentierte Manuel Pretzl (CSU).
Doch eine Mehrheit im Wirtschaftsausschuss sprach sich gegen die Idee aus – wahlweise, weil „Wildtierhaltung im Zirkus nicht artgerecht ist“, wie die Grünen argumentierten, oder wegen Sicherheitsbedenken, wie sie Hans-Peter Mehling (Freie Wähler) anführte. Stattdessen soll das Rathaus nun zusammen mit dem Circus Krone ein Angebot ohne Wildtiere entwickeln.
Neben den Löwenvorführungen lehnten die Stadträte auch viele weitere Anträge ab. So wird es weder ein XXL-Autokino auf der Theresienwiese geben, noch darf eine Firma dort eine künstliche Surfwelle samt Strandbar aufbauen. Und auch der
Idee eines fünfwöchigen Festivals mit Kino, Konzerten und Kabarett erteilten die Stadträte eine Absage.
Zurückhaltend gab sich der Ausschuss bei der Frage nach Marktständen, wie sie beim Oktoberfest in Hülle und Fülle auf der Theresienwiese stehen. So will die Stadt in den Sommerferien lediglich fünf Buden zulassen, deren Betreiber ausgelost werden und alle 14 Tage wechseln. Geplant sind je ein Süßigkeiten-, Feinkost-, Kaffee- und Souvenirstand sowie eine Wurstbraterei, die freilich auch vegane und vegetarische Speisen anbieten soll – darauf hatten die Grünen per Antrag gepocht.
Was die Marktbuden indes nicht feilbieten dürfen, sind alkoholische Getränke. Und so dürfte der BavariaStatue, zu deren Füßen auf dem sogenannten Kotzhügel sich sonst die Alkoholleichen ablegen, heuer ein ungewöhnlich ruhiges Jahr bevorstehen. Mehr noch: Nebst allen Attraktionen hat der Wirtschaftsausschuss beschlossen, dass auf der Theresienwiese fünf „grüne Inseln“mit Bepflanzung geschaffen werden sollen. Und so wird der auch sonst so dröge Ausblick der Bavaria auf Asphalt, Schotter und vereinzelten Wildwuchs zumindest in diesem Sommer etwas aufgehübscht.