Lindauer Zeitung

30 Jahre Gemeinderä­tin: Annemarie Beck blickt zurück

Die ersten Jahre muss sie sich erst einmal einfinden – Dann steigt sie vor allem in die sozialen Themen ein

- Von Isabel de Placido

- 30 Jahre sind genug, meint Annemarie Beck und hat deshalb „den Jungen“ihren Sitz im Wasserburg­er Gemeindera­t überlassen und nicht mehr kandidiert. Doch mit ihr verliert die Gemeinde nicht nur eine engagierte Kommunalpo­litikerin, sondern auch einen sozial engagierte­n Menschen, der sich mit Herzblut für die Alten und Schwachen eingesetzt hat.

„30 Jahre reichen, jetzt sollen die Jungen was tun“, findet Annemarie Beck und beantworte­t damit gleichzeit­ig die Frage, warum sie nicht mehr für den Gemeindera­t kandidiert und damit ihren Platz einem anderen überlassen habe. „Mein Mann hat gesagt: ,,Endlich hast du das weg’“, fügt sie schmunzeln­d hinzu und erklärt, dass solch’ ein Ehrenamt innezuhabe­n bedeute, viel unterwegs und abends wenig daheim zu sein. „Und das muss eine Familie mittragen“, betont sie.

Während Annemarie Beck von ihrer Amtszeit erzählt, die nur um eine halbe Wahlperiod­e kürzer war als ihr halbes Leben, lässt die 66-Jährige ihren Blick schweifen. Über Wasserburg mit seiner Halbinsel hinweg auf das glitzernde Blau des Sees bis hin zum wunderbare­n Panorama der Berge vor sommerblau­em Himmel. Für das Treffen hat sich die gebürtige Wasserburg­erin ganz bewusst einen besonderen Ort ausgesucht: die Antoniuska­pelle in Selmnau.

„Zuerst hatte ich überlegt, an den See zu gehen. Da haben wir den Kiosk gebaut, da wollten wir die Halbinsel sanieren. Doch dann habe ich mich für diesen Ort hier entschiede­n. Von hier oben sieht man über alles hinweg. Man sieht auf Wasserburg, den See, die drei Länder,

und hier herrscht Ruhe.“Beste Voraussetz­ungen also für einen reflektier­ten Blick zurück. Immerhin hat Annemarie Beck in ihren vielen Jahren als Gemeinderä­tin mit Peter Cicholinsk­i, Thomas Eigstler und zuletzt Thomas Kleinschmi­dt drei Bürgermeis­ter und noch mehr Gemeinderä­te erlebt.

„Es war ein Kommen und Gehen“, sagt sie und erzählt, dass sie, als die Wasserburg­er sie 1990 zum ersten Mal in das Gremium gewählt haben, „die ersten sechs Jahre nur zugehört“habe. Sechs Jahre, in denen sie sich erst zurecht- und einfinden musste, in die Regeln, Gesetze und das Amt. Das war, nachdem sie die Freien Wasserburg­er angesproch­en und gesagt hatten: „Du bist die Richtige, du hast einen gesunden Menschenve­rstand.“Dabei betont sie, dass sie dieser Wasserburg­er Gruppierun­g bis zuletzt immer treu geblieben sei. Und das, obwohl die CSU sie auch einmal haben wollte.

Aber sie hat Nein gesagt, denn, so wiederholt sie ihre Antwort von damals: „Das C und das S haben wir Freien mehr wie ihr.“Und außer dem „Christlich­en“und „Sozialen“waren ihr auch mehr Frauen in der Politik wichtig. Deshalb setzte sie sich zusammen mit anderen Frauen aus dem Landkreis im Rahmen ihres Engagement­s bei der Gesellscha­ftlichen Kommission des Katholisch­en Deutschen Frauenbund­s in Augsburg für sozial-, wirtschaft­sund gesellscha­ftspolitis­che Fragen, insbesonde­re unter frauenpoli­tischen Aspekten, ein. Unter anderem auch dafür, dass mehr Frauen in die Politik gehen. „Da haben wir wirklich gekämpft“, erinnert sie sich. Etwa dafür, dass Frausein und Politik miteinande­r vereinbar sein können. Zumindest, wenn man schon die nötigen

Annemarie Beck Voraussetz­ungen mitbringt. „Als Frau muss man in so einem Gremium standfest sein“, weiß die ehemalige Gemeinderä­tin, die lang genug auch Kreisrätin war, aus bester eigener Erfahrung zu berichten. Dies änderte sich auch über die Jahre hinweg nicht. Was sich allerdings über die Jahre hinweg sehr wohl änderte und sich der Lebenssitu­ation anpasste, war die Motivation, mit der Annemarie Beck sich in den Gemeindera­t wählen ließ.

Während sich anfangs alles rund ums Kind drehte und sich die zweifache Mutter für Themen wie Kindergart­en und Schule stark machte, verlagerte sich im Laufe der Zeit das Gewicht auf ein seniorenpo­litisches Engagement. „Ich bin ein sozialer Mensch“, erklärt sie und erzählt, dass sie jahrelang ihre Mutter gepflegt habe. Neben ihrer eigenen Familie und obwohl sie selbststän­dige Landwirtin war, die auf ihrem Hof Obstbau betrieb, obendrein Gästen eine Unterkunft bot und sowohl ihr Ehrenamt als Gemeinderä­tin als auch sämtliche sonstigen Ehrenämter ernst nahm. „Aber dadurch war ich auf der sozialen Schiene“, sagt sie und zieht ein kleines, samtenes Kästchen aus einem einfachen Jutesack hervor. Als sie vorsichtig den Deckel aufklappt, kommt das Bundesverd­ienstkreuz zum Vorschein, das goldenrot auf blauem Samt liegt und mit dem sie vor fünf Jahren für ihr Engagement im Seniorenhe­im Hege und als Seniorenbe­auftragte von Wasserburg in der Gemeinde und im Landkreis geehrt wurde.

Dass sie sich heute nicht mehr im Namen der Gemeinde für die Senioren einsetzen darf, schmerzt sie sehr. Nur zu gerne wäre sie weiterhin Seniorenbe­auftragte geblieben und hätte es so gehandhabt, wie es bis vor kurzer Zeit noch die Nachbargem­einden Nonnenhorn und Bodolz taten, wo die Seniorenbe­iräte auch nicht aus den Reihen des Gemeindera­tes

kamen. Doch sei sie nicht einmal gefragt worden, bedauert sie. Wahrschein­lich deshalb, so deutet sie ihre Vermutung an, weil sie dem ausgeschie­denen Bürgermeis­ter Thomas Kleinschmi­dt die Treue gehalten habe.

In diesem Zusammenha­ng ist es auch nicht verwunderl­ich, dass es zu einem ihrer schrecklic­hsten Erlebnisse während ihrer 30-jährigen Amtszeit zählt, als sich der Gemeindera­t im Januar 2017 zusammen mit einem Mediator traf. Kleinschmi­dt war gerade als Bürgermeis­ter wiedergewä­hlt worden und seine Frau war zwei Tage zuvor gestorben. Trotzdem, so erzählt Annemarie Beck, wurde dermaßen gestritten, dass der Mediator die Sitzung abgebroche­n habe. „Das war schlimm für mich“, erzählt Beck. Dagegen waren die schönsten Momente für sie die, bei denen die Wasserburg­er gesellig zusammen kamen um etwas zu feiern, worauf der Gemeindera­t lange hingearbei­tet hatte. Wie etwa bei den Richtfeste­n.

Dabei gehören der Kindergart­en, das Seniorenhe­im oder das Bürgerbege­gnungshaus nicht zu den einzigen Projekten, die für Wasserburg­s Entwicklun­g maßgeblich waren. Mitbewirkt und mitentwick­elt hat Annemarie Beck in all den Jahren auch das Einheimisc­henmodell, den Umbau des Freizeitze­ntrums zum Aquamarin, den Ausbau der LI 6 und die Verhinderu­ng der Abfahrt der B 31, den Lebensmitt­elmarkt, die Mobilfunka­ntenne, das Schützenha­us, zwei Feuerwehrh­äuser und nicht zuletzt die Halbinsels­anierung, auf die der Gemeindera­t jahrelang hingearbei­tet hatte, bevor sie am Ende von den Bürgern gekippt wurde.

„Ich bin ein sozialer Mensch.“

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FOTO: ISABEL DE PLACIDO Den Blick auf Wasserburg hat Annemarie Beck nach 30 Jahren im Gemeindera­t am besten von der Antoniuska­pelle aus.

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