30 Jahre Gemeinderätin: Annemarie Beck blickt zurück
Die ersten Jahre muss sie sich erst einmal einfinden – Dann steigt sie vor allem in die sozialen Themen ein
- 30 Jahre sind genug, meint Annemarie Beck und hat deshalb „den Jungen“ihren Sitz im Wasserburger Gemeinderat überlassen und nicht mehr kandidiert. Doch mit ihr verliert die Gemeinde nicht nur eine engagierte Kommunalpolitikerin, sondern auch einen sozial engagierten Menschen, der sich mit Herzblut für die Alten und Schwachen eingesetzt hat.
„30 Jahre reichen, jetzt sollen die Jungen was tun“, findet Annemarie Beck und beantwortet damit gleichzeitig die Frage, warum sie nicht mehr für den Gemeinderat kandidiert und damit ihren Platz einem anderen überlassen habe. „Mein Mann hat gesagt: ,,Endlich hast du das weg’“, fügt sie schmunzelnd hinzu und erklärt, dass solch’ ein Ehrenamt innezuhaben bedeute, viel unterwegs und abends wenig daheim zu sein. „Und das muss eine Familie mittragen“, betont sie.
Während Annemarie Beck von ihrer Amtszeit erzählt, die nur um eine halbe Wahlperiode kürzer war als ihr halbes Leben, lässt die 66-Jährige ihren Blick schweifen. Über Wasserburg mit seiner Halbinsel hinweg auf das glitzernde Blau des Sees bis hin zum wunderbaren Panorama der Berge vor sommerblauem Himmel. Für das Treffen hat sich die gebürtige Wasserburgerin ganz bewusst einen besonderen Ort ausgesucht: die Antoniuskapelle in Selmnau.
„Zuerst hatte ich überlegt, an den See zu gehen. Da haben wir den Kiosk gebaut, da wollten wir die Halbinsel sanieren. Doch dann habe ich mich für diesen Ort hier entschieden. Von hier oben sieht man über alles hinweg. Man sieht auf Wasserburg, den See, die drei Länder,
und hier herrscht Ruhe.“Beste Voraussetzungen also für einen reflektierten Blick zurück. Immerhin hat Annemarie Beck in ihren vielen Jahren als Gemeinderätin mit Peter Cicholinski, Thomas Eigstler und zuletzt Thomas Kleinschmidt drei Bürgermeister und noch mehr Gemeinderäte erlebt.
„Es war ein Kommen und Gehen“, sagt sie und erzählt, dass sie, als die Wasserburger sie 1990 zum ersten Mal in das Gremium gewählt haben, „die ersten sechs Jahre nur zugehört“habe. Sechs Jahre, in denen sie sich erst zurecht- und einfinden musste, in die Regeln, Gesetze und das Amt. Das war, nachdem sie die Freien Wasserburger angesprochen und gesagt hatten: „Du bist die Richtige, du hast einen gesunden Menschenverstand.“Dabei betont sie, dass sie dieser Wasserburger Gruppierung bis zuletzt immer treu geblieben sei. Und das, obwohl die CSU sie auch einmal haben wollte.
Aber sie hat Nein gesagt, denn, so wiederholt sie ihre Antwort von damals: „Das C und das S haben wir Freien mehr wie ihr.“Und außer dem „Christlichen“und „Sozialen“waren ihr auch mehr Frauen in der Politik wichtig. Deshalb setzte sie sich zusammen mit anderen Frauen aus dem Landkreis im Rahmen ihres Engagements bei der Gesellschaftlichen Kommission des Katholischen Deutschen Frauenbunds in Augsburg für sozial-, wirtschaftsund gesellschaftspolitische Fragen, insbesondere unter frauenpolitischen Aspekten, ein. Unter anderem auch dafür, dass mehr Frauen in die Politik gehen. „Da haben wir wirklich gekämpft“, erinnert sie sich. Etwa dafür, dass Frausein und Politik miteinander vereinbar sein können. Zumindest, wenn man schon die nötigen
Annemarie Beck Voraussetzungen mitbringt. „Als Frau muss man in so einem Gremium standfest sein“, weiß die ehemalige Gemeinderätin, die lang genug auch Kreisrätin war, aus bester eigener Erfahrung zu berichten. Dies änderte sich auch über die Jahre hinweg nicht. Was sich allerdings über die Jahre hinweg sehr wohl änderte und sich der Lebenssituation anpasste, war die Motivation, mit der Annemarie Beck sich in den Gemeinderat wählen ließ.
Während sich anfangs alles rund ums Kind drehte und sich die zweifache Mutter für Themen wie Kindergarten und Schule stark machte, verlagerte sich im Laufe der Zeit das Gewicht auf ein seniorenpolitisches Engagement. „Ich bin ein sozialer Mensch“, erklärt sie und erzählt, dass sie jahrelang ihre Mutter gepflegt habe. Neben ihrer eigenen Familie und obwohl sie selbstständige Landwirtin war, die auf ihrem Hof Obstbau betrieb, obendrein Gästen eine Unterkunft bot und sowohl ihr Ehrenamt als Gemeinderätin als auch sämtliche sonstigen Ehrenämter ernst nahm. „Aber dadurch war ich auf der sozialen Schiene“, sagt sie und zieht ein kleines, samtenes Kästchen aus einem einfachen Jutesack hervor. Als sie vorsichtig den Deckel aufklappt, kommt das Bundesverdienstkreuz zum Vorschein, das goldenrot auf blauem Samt liegt und mit dem sie vor fünf Jahren für ihr Engagement im Seniorenheim Hege und als Seniorenbeauftragte von Wasserburg in der Gemeinde und im Landkreis geehrt wurde.
Dass sie sich heute nicht mehr im Namen der Gemeinde für die Senioren einsetzen darf, schmerzt sie sehr. Nur zu gerne wäre sie weiterhin Seniorenbeauftragte geblieben und hätte es so gehandhabt, wie es bis vor kurzer Zeit noch die Nachbargemeinden Nonnenhorn und Bodolz taten, wo die Seniorenbeiräte auch nicht aus den Reihen des Gemeinderates
kamen. Doch sei sie nicht einmal gefragt worden, bedauert sie. Wahrscheinlich deshalb, so deutet sie ihre Vermutung an, weil sie dem ausgeschiedenen Bürgermeister Thomas Kleinschmidt die Treue gehalten habe.
In diesem Zusammenhang ist es auch nicht verwunderlich, dass es zu einem ihrer schrecklichsten Erlebnisse während ihrer 30-jährigen Amtszeit zählt, als sich der Gemeinderat im Januar 2017 zusammen mit einem Mediator traf. Kleinschmidt war gerade als Bürgermeister wiedergewählt worden und seine Frau war zwei Tage zuvor gestorben. Trotzdem, so erzählt Annemarie Beck, wurde dermaßen gestritten, dass der Mediator die Sitzung abgebrochen habe. „Das war schlimm für mich“, erzählt Beck. Dagegen waren die schönsten Momente für sie die, bei denen die Wasserburger gesellig zusammen kamen um etwas zu feiern, worauf der Gemeinderat lange hingearbeitet hatte. Wie etwa bei den Richtfesten.
Dabei gehören der Kindergarten, das Seniorenheim oder das Bürgerbegegnungshaus nicht zu den einzigen Projekten, die für Wasserburgs Entwicklung maßgeblich waren. Mitbewirkt und mitentwickelt hat Annemarie Beck in all den Jahren auch das Einheimischenmodell, den Umbau des Freizeitzentrums zum Aquamarin, den Ausbau der LI 6 und die Verhinderung der Abfahrt der B 31, den Lebensmittelmarkt, die Mobilfunkantenne, das Schützenhaus, zwei Feuerwehrhäuser und nicht zuletzt die Halbinselsanierung, auf die der Gemeinderat jahrelang hingearbeitet hatte, bevor sie am Ende von den Bürgern gekippt wurde.
„Ich bin ein sozialer Mensch.“