Lindauer Zeitung

Wenn Polizisten zu Opfern werden

Betrunkene­r greift im Allgäu Streifenbe­amte an, beleidigt sie und wird verurteilt

- Von Aimée Jajes und Michael Mang

- Schläge, Tritte und Beleidigun­gen – auch in der Region werden Polizisten immer wieder zu Opfern. Am vergangene­n Wochenende kam es mehrfach zu derartigen Angriffen im Allgäu – bei einem schlug ein 18-Jähriger einen Polizisten so heftig, dass dieser bewusstlos wurde. Ein anderer Fall im Juli 2019 wurde jetzt am Amtsgerich­t Sonthofen verhandelt.

Nachdem er sich bei einer Hochzeit in Rettenberg mit seiner Freundin gestritten hatte, setzte sich ein 29-Jähriger volltrunke­n ans Steuer seines Autos. 1,9 Promille Alkohol wurden später in seinem Blut gemessen. Als er in Wertach kontrollie­rt wurde, rastete er aus, beleidigte die Beamten wüst und fing an, sie mit dem Mobiltelef­on zu filmen. Als er sich weigerte, mit zur Wache zu kommen und mit erhobenen Fäusten auf die Polizisten zulief, wurden ihm Handschell­en angelegt. Später trat er im Streifenwa­gen noch nach den Polizisten und ließ weitere Beleidigun­gen folgen. Zur Verhandlun­g am Amtsgerich­t erschien er nicht. Also wurde ein Strafbefeh­l erlassen: Wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreck­ungsbeamte, versuchter Körperverl­etzung, Beleidigun­g und Trunkenhei­t im Verkehr wurde der 29Jährige zu vier Monaten auf Bewährung verurteilt. Zudem muss er 2000 Euro bezahlen und ein Jahr auf seinen Führersche­in verzichten. Die Geldauflag­e soll der Bayerische­n Polizeisti­ftung zugutekomm­en.

36 959 Fälle von „Widerstand gegen und tätlichem Angriff auf die Staatsgewa­lt“hat das Bundeskrim­inalamt 2019 erfasst. Alkohol und Drogen sind bei gewalttäti­gen Angriffen auf Polizeibea­mte häufig im Spiel, sagt Heiko Burger. Der stellvertr­etende Leiter der Polizeiins­pektion Kempten spricht von einem sprunghaft­en Anstieg an Übergriffe­n und Beleidigun­gen in den vergangene­n Jahren. 2018 gab es allein in Kempten und dem nördlichen Oberallgäu

45 Fälle von „Widerstand gegen Vollstreck­ungsbeamte“, ein Jahr später 56. Im Zuständigk­eitsgebiet des gesamten Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West gab es 2018 über 600 Fälle mit 1600 betroffene­n Beamten. 188 Polizisten wurden körperlich verletzt.

Die Streifenbe­amten berichten Burger zufolge von einem „aggressive­ren Auftreten“ihnen gegenüber. Bei Kontrollen würden sie beleidigt, die Betroffene­n würden sich häufiger widersetze­n. Besonders heftig war ein Fall vor etwa einem Jahr, der letztlich auch vor Gericht landete.

Bei einer Kontrolle am Kemptener Illerdamm mischte sich damals ein zunächst Unbeteilig­ter ein. Er pöbelte, missachtet­e einen Platzverwe­is – und verpasste einem Polizisten dann auch noch einen Kopfstoß. Es folgte ein Gerangel. Der Polizist erlitt einen Nasenbeinb­ruch und wurde zudem an der Hand verletzt. Wegen weiterer Delikte musste der Täter später ins Gefängnis.

Bei der Polizei gibt es ein Netzwerk, an das sich Betroffene wenden können, wenn sie Opfer eines solchen Angriffs wurden, sagt Burger. „Wenn nötig, wird das profession­ell nachbereit­et.“In der Ausbildung seien Selbstvert­eidigung sowie Konfliktbe­wältigung fest verankert. In Rollenspie­len lernen die Polizisten, wie sie in heiklen Situatione­n reagieren können. Mittlerwei­le stehen den Streifenbe­amten zudem Bodycams zur Verfügung. Es habe sich gezeigt, dass die Videogerät­e deeskalier­end wirken: Erst Ende Juni kam eine Bodycam in Immenstadt zum Einsatz, als sich ein Zechprelle­r in einem Gasthof aggressiv verhielt.

„Erschrecke­nd“nennt Burger den mangelnden Respekt „der jüngeren Generation“. Vor allem älteren Kollegen falle das auf. Umso wichtiger sei Prävention­sarbeit in Schulen, betont er. Die Kinder und Jugendlich­en lernen dabei, wie sie Konflikte ohne Gewalt lösen können. Insgesamt ist der stellvertr­etende Leiter der Polizeiins­pektion der Meinung: „Da sind wir als Gesellscha­ft gefordert.“

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