Wenn Polizisten zu Opfern werden
Betrunkener greift im Allgäu Streifenbeamte an, beleidigt sie und wird verurteilt
- Schläge, Tritte und Beleidigungen – auch in der Region werden Polizisten immer wieder zu Opfern. Am vergangenen Wochenende kam es mehrfach zu derartigen Angriffen im Allgäu – bei einem schlug ein 18-Jähriger einen Polizisten so heftig, dass dieser bewusstlos wurde. Ein anderer Fall im Juli 2019 wurde jetzt am Amtsgericht Sonthofen verhandelt.
Nachdem er sich bei einer Hochzeit in Rettenberg mit seiner Freundin gestritten hatte, setzte sich ein 29-Jähriger volltrunken ans Steuer seines Autos. 1,9 Promille Alkohol wurden später in seinem Blut gemessen. Als er in Wertach kontrolliert wurde, rastete er aus, beleidigte die Beamten wüst und fing an, sie mit dem Mobiltelefon zu filmen. Als er sich weigerte, mit zur Wache zu kommen und mit erhobenen Fäusten auf die Polizisten zulief, wurden ihm Handschellen angelegt. Später trat er im Streifenwagen noch nach den Polizisten und ließ weitere Beleidigungen folgen. Zur Verhandlung am Amtsgericht erschien er nicht. Also wurde ein Strafbefehl erlassen: Wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, versuchter Körperverletzung, Beleidigung und Trunkenheit im Verkehr wurde der 29Jährige zu vier Monaten auf Bewährung verurteilt. Zudem muss er 2000 Euro bezahlen und ein Jahr auf seinen Führerschein verzichten. Die Geldauflage soll der Bayerischen Polizeistiftung zugutekommen.
36 959 Fälle von „Widerstand gegen und tätlichem Angriff auf die Staatsgewalt“hat das Bundeskriminalamt 2019 erfasst. Alkohol und Drogen sind bei gewalttätigen Angriffen auf Polizeibeamte häufig im Spiel, sagt Heiko Burger. Der stellvertretende Leiter der Polizeiinspektion Kempten spricht von einem sprunghaften Anstieg an Übergriffen und Beleidigungen in den vergangenen Jahren. 2018 gab es allein in Kempten und dem nördlichen Oberallgäu
45 Fälle von „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“, ein Jahr später 56. Im Zuständigkeitsgebiet des gesamten Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West gab es 2018 über 600 Fälle mit 1600 betroffenen Beamten. 188 Polizisten wurden körperlich verletzt.
Die Streifenbeamten berichten Burger zufolge von einem „aggressiveren Auftreten“ihnen gegenüber. Bei Kontrollen würden sie beleidigt, die Betroffenen würden sich häufiger widersetzen. Besonders heftig war ein Fall vor etwa einem Jahr, der letztlich auch vor Gericht landete.
Bei einer Kontrolle am Kemptener Illerdamm mischte sich damals ein zunächst Unbeteiligter ein. Er pöbelte, missachtete einen Platzverweis – und verpasste einem Polizisten dann auch noch einen Kopfstoß. Es folgte ein Gerangel. Der Polizist erlitt einen Nasenbeinbruch und wurde zudem an der Hand verletzt. Wegen weiterer Delikte musste der Täter später ins Gefängnis.
Bei der Polizei gibt es ein Netzwerk, an das sich Betroffene wenden können, wenn sie Opfer eines solchen Angriffs wurden, sagt Burger. „Wenn nötig, wird das professionell nachbereitet.“In der Ausbildung seien Selbstverteidigung sowie Konfliktbewältigung fest verankert. In Rollenspielen lernen die Polizisten, wie sie in heiklen Situationen reagieren können. Mittlerweile stehen den Streifenbeamten zudem Bodycams zur Verfügung. Es habe sich gezeigt, dass die Videogeräte deeskalierend wirken: Erst Ende Juni kam eine Bodycam in Immenstadt zum Einsatz, als sich ein Zechpreller in einem Gasthof aggressiv verhielt.
„Erschreckend“nennt Burger den mangelnden Respekt „der jüngeren Generation“. Vor allem älteren Kollegen falle das auf. Umso wichtiger sei Präventionsarbeit in Schulen, betont er. Die Kinder und Jugendlichen lernen dabei, wie sie Konflikte ohne Gewalt lösen können. Insgesamt ist der stellvertretende Leiter der Polizeiinspektion der Meinung: „Da sind wir als Gesellschaft gefordert.“