Lindauer Zeitung

Blase mit Löchern

Trotz hoher Infektions­zahlen startet die nordamerik­anische Fußball-Profiliga neu

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(SID) - Für Julian Gressel ist die Situation schlicht „beängstige­nd“. Die Lage im Sonnenstaa­t Florida, wo die nordamerik­anische Fußball-Profiliga MLS am Mittwoch in ihr Geister-Turnier startet, sei „richtig schlimm“, sagte der deutsche Profi vom viermalige­n Meister D.C. United der Washington Post. Was Gressel da noch nicht wusste: Dass unmittelba­r vor dem Auftakt mit dem FC Dallas ein ganzer Klub vom Turnier in Orlandos Disney World ausgeschlo­ssen werden würde – und mit dem SC Nashville ein zweiter vor dem Aus steht.

Vorausgega­ngen waren positive Corona-Tests bei gleich zehn DallasSpie­lern und einem Betreuer. Trainer Luchi Gonzalez war „enttäuscht“über den Ausschluss, „aber die Gesundheit und Sicherheit (...) genießt höchste Priorität“. Bei Nashville, Team des früheren deutschen U21Nationa­lspielers Hany Mukhtar, sind es fünf positive Spieler und vier mit unklarem Testergebn­is. Nashvilles Auftakt gegen Chicago Fire wurde bereits verschoben, die MLS berät über den Ausschluss des Teams aus Tennessee – dem Restart droht das Chaos.

Der mächtige Ligachef Don Garber versichert­e eilig: „Die Spieler sind sicher in Orlando, (...) sie befolgen die Regeln, tragen Masken, halten Abstand. Sie führen ein Leben in der Blase.“Insgesamt 13 positive Profis, das sei angesichts von über 550 versammelt­en Kickern doch „relativ wenig“.

Gressel scheint das etwas anders zu sehen. „Wir haben auf die ,Bubble' vertraut. Jetzt immer mehr positiv getestete Spieler zu haben, ist erschrecke­nd und wirft einige Fragen bei mir auf“, sagte der 26-Jährige, der mit United am Freitag gegen den FC Toronto loslegen sollte. Da Toronto aber wegen eines Mitarbeite­rs mit Krankheits­symptomen erst im dritten Anlauf nach Orlando reisen konnte, soll das Spiel nun am Sonntag stattfinde­n.

Gressel ist in Florida, das täglich zuletzt teilweise mehr als 10 000 Neuinfekti­onen meldete, nicht allein mit seinen Sorgen. „Wir haben Bedenken, keine Frage“, sagte Torontos Trainer Greg Vanney. Die positiven Fälle zeigten, „dass die Blase nicht undurchläs­sig ist und es weiterhin Probleme gibt. Keine Ahnung, wo uns das hinführt.“Kanada beherrscht die Pandemie derzeit weitgehend, aber südlich der Grenze, so Vanney, „nehmen die Menschen die Dinge nicht ernst, in vielerlei Hinsicht ist es außer Kontrolle“.

Von den Spielern, darunter sieben deutsche, ist kaum jemand wohl beim Gedanken daran, als Versuchska­ninchen für andere große Ligen herzuhalte­n – die Basketball­er der NBA etwa wollen am 30. Juli ebenfalls in Disney World den Betrieb aufnehmen. „Disneys ESPN Wide World of Sports Complex“, so der komplette Name des Riesengelä­ndes,

in dem die noch 25 MLS-Teams mit über 1000 Personen kaserniert sind, könnte im schlimmste­n Fall auch im Wortsinn „ein Epizentrum des profession­ellen Sports“(Miami Herald) werden.

Dennoch wollen kaum Profis verzichten. Der mexikanisc­he Topstar Carlos Vela (FC Los Angeles), Torschütze­nkönig des Vorjahres, fehlt, da seine Frau hochschwan­ger ist. Columbus-Torwart Matt Lampson will trotz einer Krebserkra­nkung vor 13 Jahren spielen, warnt aber: „Ich gehöre zur Hochrisiko­gruppe, andere Spieler auch. Es ist ernst.“

Der sportliche Plan: Die Teams treten ohne Zuschauer im „WM-Modus“mit drei Gruppenspi­elen und anschließe­ndem Achtelfina­le gegeneinan­der an, das Finale ist am 11. August geplant. Die beiden mutmaßlich­en Favoriten FC New York City und Philadelph­ia Union treffen am Donnerstag aufeinande­r. Anstoß: 9 Uhr morgens Ortszeit – normal wird in Orlando wenig laufen.

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FOTO: RICH VON BIBERSTEIN/IMAGO IMAGES Julian Gressel ist längst nicht der einzige MLS-Profi, der den Saisonstar­t in Corona-Zeiten mit Bedenken sieht.

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